Regenderby der Extraklasse

Der Gabentisch am 34. Hornschlittenrennen sprach Bände: Jede und jeder, der ins Ziel kommt, ist Sieger. Der zweieinhalb- bis zwölfminütige Ritt auf dem Hornschlitten verlangte am Sonntag, 2. Februar, von Mann und Weib Tapferkeit, selbst im wachsenden Pflotsch. Ein Ausflug.



Impressionen vom diesjährigen Hornschlittenrennen in Braunwald (Bilder: FJ)
Impressionen vom diesjährigen Hornschlittenrennen in Braunwald (Bilder: FJ)

Wir waren unser zwei – Ruedi Kuchen, der die Filmsequenzen schoss, und ich, der ich den Finger an den Puls der Rennfahrer legen sollte. Ein Unterfangen, das der Regen von Beginn weg zunichtemachte. Die Organisation durch den Hornschlittenclub Braunwald unter Präsident Daniel Rolla sowie durch die Verantwortlichen von Braunwald-Klausenpass Tourismus mit Geschäftsführerin Gabriela Heer und durch eine Reihe Freiwilliger, vom Koch bis zu den Plaketten verkaufenden Braunwalder Kindern, war bilderbuchmässig. Die Motivation – angesichts drohender Regenwolken und hoher Temperaturen – ebenfalls. Selbst als sie – pitschnass – ins Zielgelände stiefelten, gaben sich die vier starken Männer von Heiligkreuz I und II zufrieden. Sie waren aus dem Luzernbiet hergereist, wo einige Hornschlittenrennen wegen fehlenden Schnees abgesagt waren, und fanden die Piste gut fahrbar und gut hergerichtet. Die «fliegenden Holländerinnen» Francisca und Cynthia Bakker, die sich bei ihrer Hornschlitten-Premiere verfuhren und in ihren Regenbogenponchos viermal länger als die Schnellsten brauchten, um vom Grotzenbühl bis ins Ziel zu schwimmen, waren als Touristinnen ebenfalls voll des Lobes. «Wir werden üben und nächstes Jahr kommen wir, um zu gewinnen.»

Wassergrabenfahrt

Nicht wegzudenken waren die Trychler, die zu den ersten Regentropfen das Rennen für die Flitzer einläuteten. Etwas von diesem Hornschlitten-Groove sprang – befeuert von «rechten» Kaffis und kühlen Bieren – auf alle über, die sich auf die Kufen schwangen. «Bier her, Bier her», hiess es bei den Rauchern vor dem Bergrestaurant. Zu diesem Zeitpunkt wurden Höchstgeschwindigkeiten bis 60 km/h gefahren. Der Schlitten war der Gruppenumlaufbahn bei der Talfahrt voraus. Es sei denn, er fuhr mal eben aus der Spur in eine der zahlreicher werdenden Pfützen im Schnee. Dann war Land unter – und Humor gefragt. Im Zielgelände sassen die Getreuen auf Bänken unter Zelten, der Regen drehte in einem Stunden dauernden Crescendo von Pitsch über Plitsch zu Platsch auf. Grosse Zelte? Fehlanzeige! Der Wetterbericht hatte mit Sturm gedroht – Zelte aufstellen wäre gefährlich geworden.

Humor ist ...

Ruedi kam endlich mit frisch gewaschener Kamera aus dem Schneematsch geschritten, im Speakerzelt gab Hans-Heinrich Wichser die neuesten Meldungen aus den Feuchtgebieten durch. Ich lauschte fernem Alphornklang, feuchtem Trycheln, den ultimativen Gaudi-Hütten-Hits und den Funksprüchen, diskutierte über die Entwässerung von Braunwald, während die standhaften Zuschauer in den Bächlein standen, die über die mit Kies bestreuten Schneewege schossen. Irgendwo lachte sich die Sonne eins in Fäustchen, während ich zum fünften Mal eine Serviette schnorrte, um die Kamera zu wickeln. Trotzdem wurden die Pokale aufgestellt, trotzdem rangelten die Kinder im Schnee und wischten sich gegenseitig die Mützen vom Kopf. Die Kleinsten schliefen in ihren Kinderwagen zum beruhigenden Prasseln auf der Plastikabdeckung und das Mädchen vom Fondueschlitten präsentierte unter der Kapuze im offenherzigen Dirndl farbige Schnäpse. Alles Sieger! Dass die Baywatch-Girls auftauchten – in nasser Strumpfhose und mit Blondperücke auf dem Kopf –, dass Bergetenseelikaimane angeschwommen kamen, dass Greta selber auf dem schnittigen Segelschiff zum Klimaschulstreik ins Zielgelände ritt, passte. Wir Journalist(inn)en halfen uns mit Galgenhumor durchs Flüssig-matschige, während die Linsen der Kameras im Dampf endgültig die Durchsichtigkeit aufgaben – Frau Keystone, Frau und Herr TV Südostschweiz, Herr Glarner Nachrichten und wir beide, wir hätten selbst einen trockenen Witz zu würdigen gewusst. Der Ausflug endete unter Wasser, aber hoch über dem Alltag.