Regierungsrat verabschiedet Gerichtsorganisationsgesetz

Der Regierungsrat verabschiedet die Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes zuhanden des Landrats. Damit verbunden ist eine Änderung der Kantonsverfassung.



Medienmitteilung Regierungsrat (Bild: iStock)
Medienmitteilung Regierungsrat (Bild: iStock)

Beim Obergericht und beim Kantonsgericht ist die Geschäftslast seit Jahren konstant hoch, die Verfahren dauern vielfach zu lange. Die bisher gerichtsintern getroffenen Massnahmen brachten keine wesentliche Änderung, weshalb die Verwaltungskommission der Gerichte (Verwaltungskommission) im Herbst 2018 beschloss, die bestehende Gerichtsorganisation einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Die Revisionsvorlage schafft für die Glarner Justiz handlungsfähige Strukturen zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen. Sie stellt sicher, dass die Qualität der Rechtsprechung beibehalten werden kann und alle Gerichte die Fälle innert angemessener Frist beurteilen können. Da das Verwaltungsgericht bereits in der Lage ist, seine Fälle beförderlich zu erledigen, liegt der Schwerpunkt der Reform beim Obergericht und beim Kantonsgericht. Bei beiden Gerichten sind zusätzliche Stellenprozente im Bereich der Präsidien notwendig.

Milizrichtersystem bleibt

Bewährtes Element des Glarner Gerichtswesens ist das Milizrichtersystem; dieses soll beibehalten und gestärkt werden. Kritik erwächst dem Milizrichtersystem allerdings dort, wo eine Gerichtsperson ohne juristische Fachkompetenz mit der Verfahrensleitung betraut ist, wie dies in der Vergangenheit beim Kantonsgericht bei hoher Geschäftslast verschiedentlich der Fall war. Um diesem Kritikpunkt zu begegnen, sollen erneuerte Strukturen sowie Pensenerhöhungen bei den Präsidien des Ober- und Kantonsgerichts gewährleisten, dass im Regelfall stets ein Jurist oder eine Juristin das Verfahren leitet.

Teilamtliche Vizepräsidien sind vorgesehen

Beim Obergericht und Kantonsgericht ist die Schaffung je eines teilamtlichen Vizepräsidiums mit einem festen Stellenpensum vorgesehen. In diese neue Funktion sollen durch die Landsgemeinde nur Personen mit einer juristischen Ausbildung gewählt werden können. Prägend für die Glarner Gerichte sind ihre schlanke Organisation und ihre einfache, klare und effiziente Führungsstruktur. Diese Merkmale liegen der vorliegenden Revision als Leitgedanke zugrunde. Auf eine Fusion von Ober- und Verwaltungsgericht wurde deshalb verzichtet. Die Prüfung der Strukturen ergab kein Einsparpotenzial.

Auf Stufe der einzelnen Gerichte sind die Strukturen möglichst flexibel auszugestalten, um zugleich auch für künftige Veränderungen und Herausforderungen gewappnet zu sein. So sollen Richter und Richterinnen der ersten Instanz an der Landsgemeinde nicht mehr wie bisher starr entweder in die Zivilabteilung oder die Strafkammer gewählt werden, sondern ins Kantonsgericht; dieses konstituiert sich in der Folge eigenständig unter optimaler Berücksichtigung von Bedarf sowie individuellen Fähigkeiten und Präferenzen. Die Anzahl Richterinnen und Richter sowie die Grösse der Spruchkörper bleiben unverändert.

Änderungen bei der Verwaltungskommission

Für Angelegenheiten der Gerichtsverwaltung, die alle Gerichte betreffen, ist die Verwaltungskommission der Gerichte zuständig. In diesem Gremium ist nebst dem Obergericht und Verwaltungsgericht auch das Kantonsgericht vertreten. Der Vorsitz wird nicht mehr wie bis anhin zwingend durch das Obergerichtspräsidium ausgeübt. Künftig kann die Verwaltungskommission entweder das Obergerichtspräsidium oder das Verwaltungsgerichtspräsidium mit der Leitung betrauen. Diese Lösung entspricht der Gleichrangigkeit der beiden obersten Glarner Gerichte. An die Verwaltungskommission angegliedert sind zur Unterstützung als Stabstelle das Generalsekretariat (bisheriges Aktuariat der Gesamtgerichtsverwaltung) und die Gerichtskasse.

Anpassung der Kantonsverfassung

Die organisatorischen Änderungen erfordern eine Anpassung der Kantonsverfassung. Ebenso ist das Gerichtsorganisationsgesetz grundlegend zu überarbeiten. Dieses stammt aus dem Jahre 1990 und hat im Laufe der Zeit regelmässig punktuelle Änderungen erfahren. Gleichzeitig werden im Zusammenhang mit der vorliegenden Revision notwendige Anpassungen auch in anderen kantonalen Gesetzen vorgenommen.

Verkleinerung der Spruchkörper nicht mehr vorgesehen

In den letzten Jahren lässt sich schweizweit eine Verkleinerung der Spruchkörper bei gerichtlichen Plenarverfahren feststellen. Kollegialgerichte tagen meistens in der Besetzung mit drei Richtern und Richterinnen. Im Vernehmlassungsentwurf war daher ebenfalls die Verkleinerung der Spruchkörper auf eine Dreierbesetzung in den Verfahren vor Obergericht und Kantonsgericht vorgesehen. Nur noch ausnahmsweise sollte in bestimmten Verfahren das Obergericht in einer Fünferbesetzung urteilen. Das Ergebnis der Vernehmlassung zeigt hingegen, dass das die bisherige Grösse der Spruchkörper beim Ober- und Kantonsgericht beibehalten werden soll. Dabei wird insbesondere der Vorteil angeführt, dass die Milizrichter Expertise aus verschiedenen Gebieten einbringen können und dass grössere Spruchkörper für breiter abgestützte Urteile sorgen können. Es wird bewusst auch darauf verzichtet, dem Einzelrichter (Präsidium und Vizepräsidium) zulasten der Gerichtskammern weitergehende Entscheidkompetenzen einzuräumen. Ein solcher Schritt würde eine unerwünschte Schwächung des Milizrichtersystems bedeuten.
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das revidierte Gerichtsorganisationsgesetz sowie die Verfassungsänderung der Landsgemeinde zur Zustimmung zu unterbreiten.

Finanzielle Auswirkungen

Durch die Reform fallen für die zusätzlichen Pensen zusätzliche Lohnkosten von jährlich 290 000 Franken an. Dafür fällt die Auszahlung von Sitzungsgeldern in der Höhe von jährlich rund 25 000 Franken weg. Für den zusätzlichen Raumbedarf im Gerichtshaus ist ein Umbau in der Höhe von rund 45 000 Franken notwendig. Die Kantonspolizei ist bereit, die von ihr genutzten Büroräumlichkeiten im Südostflügel freizugeben und in das Mercierhaus, die heutige Einsatzzentrale, umzuziehen. 

Inkraftsetzung

Die Revision tritt auf Beginn der nächsten Amtsdauer am 1. Juli 2022 in Kraft, wobei die Wahl der Richter und Richterinnen an der Landsgemeinde 2022 erfolgt.