Regisseur Dieter Fahrer spricht über seinen Gefängnisfilm «Thorberg»

Am Karfreitag zeigte die Kulturbühne Lihn in Filzbach den Dokumentarfilm «Thorberg». Im Anschluss an den Film sprach der Regisseur über seine Arbeit mit den Insassen und beantwortete Fragen aus dem Publikum.



Dieter Fahrer (Regisseur) und Hannes Hochuli (Gastgeber) im Gespräch. (Bild: Marléne Sieber)
Dieter Fahrer (Regisseur) und Hannes Hochuli (Gastgeber) im Gespräch. (Bild: Marléne Sieber)

Der Anlass lockte viele Besucher ins «Lihn». So auch einen ehemaligen Kirchenratspräsidenten, welcher sein Kommen klar formulierte: «Wie haben Karfreitag – und dieser Film passt zu diesem Tag. Geht es doch um Schuld, Sühne und Verurteilung.» Mit Dieter Fahrers Film hat das Publikum einen Einblick in eines der zwei Hochsicherheitsgefängnisse der Schweiz bekommen: Den «Thorberg» im bernerischen Krauchthal. In der Schweiz gibt es weitere Gefängnisse, welche über eine geschlossene und hochsichere Abteilung verfügen. In diesen wird grossen Wert auf soziale Wiedereingliederung, Weiterbildung, sinnvolle Arbeit und verschiedene Therapieformen gelegt. Anders im Thorberg: zu wenig Arbeit für die Insassen, zu wenig Therapieangebote, praktisch keine Sportmöglichkeiten, kein Raum für Besuche mit Angehörigen, zu viel Isolation, zu viel Zeit des Nichtstuns, zu viel Einsamkeit.

Der «Thorberg» porträtiert den Gefängnisalltag von sieben Insassen, welche eine lange Haftstrafe absitzen müssen. Bei den vielen gestellten Fragen aus dem Publikum sickert bei den Antworten des Regisseurs schnell durch: Gefängnisse wie der Thorberg sollten geschlossen werden. Jede strukturelle Veränderung ist ein Schritt zurück. Gab es bis vor Kurzem noch eine Gärtnerei, wo die Insassen einer sinnvollen Arbeit nachgehen konnten, musste diese einer Reorganisation weichen. Ebenso die Sportanlage. Therapeutische Begleitungen wurden auf ein Minimum reduziert – die Gefangenen sind sich mehrheitlich selbst überlassen. Der Tagesansatz für einen Gefangenen kostet den Kanton, welcher die Insassen überweisen, pro Tag Fr. 300.- bis 500.-, je nach Sicherheitsstufe. Gutachten, welche zur Linderung der Haftbedingungen oder zu einer Verlegung in eine humanere Anstalt führen sollen, werden von einer Kommission ausschliesslich nach den vorliegenden Dossiers beurteilt.

Dieter Fahrer meint, dass die meisten Täter in ihrer Kindheit und Jugendzeit selbst Opfer waren. Aus diesem Grunde plädiert er dafür, dass die Häftlinge statt reiner Strafe und Freiheitsentzug lernen sollen, Verantwortung zu tragen. Das Wort «Eigenverantwortung» nimmt er dann auch wörtlich auseinander: Würde mit den Gefangenen therapeutisch nach einer Antwort ihrer Tat gesucht, könnte Eigenheilung geschehen. Dazu braucht es menschlichen Kontakt und auch die Möglichkeit in einem längeren Prozess neu gewonnene Gefühle leben zu können. Während in vielen anderen Anstalten den Häftlingen nach und nach die Verantwortung übergeben wird, sich um ein Tier oder um Pflanzen zu kümmern, herrschen im Thorberg Beton, Gitter, Stacheldraht und die graue Farben.

Dieter Fahrers Dokumentarfilm hat nicht nur die Kinowelt erobert. Viele Schulen laden den Filmemacher für eine Vorführung mit anschliessenden Schülergesprächen ein. Damit hat Dieter Fahrer mehr erreicht als er selbst erwartete – eine Prophylaxe und Sensibilisierung der gesellschaftlichen Hygiene.