Rehabilitation von Anna Göldi

Der Regierungsrat beantragt dem Landrat in Absprache mit den Kirchenräten der Evangelisch-Reformierten und der römisch-katholischen Landeskirche, Anna Göldi bezüglich der ihr vorgeworfenen Tatbestände der „Vergiftung“ im Prozess vom 16. Juni 1782 vor dem Evangelischen Rat zu rehabilitieren und somit als nicht schuldig zu erklären. Es sei anzuerkennen, dass das damals gefällte Urteil in einem nicht rechtmässigen Verfahren zu Stande gekommen sei und Anna Göldi das Opfer eines „Justizmordes“ wurde.



Der Glarner Regierungsrat beantragt dem Landrat
Der Glarner Regierungsrat beantragt dem Landrat

Der Regierungsrat begründet seinen überarbeiteten Entscheid im offiziellen Bulletin wie folgt:

„In der Vorlage wird die leidvolle Lebensgeschichte von Anna Göldi und das an ihr begangene Unrecht rekapituliert. Rehabilitation sei aber mehr als einfache Unschuldsbestätigung. Sie habe einen unverständlichen, ungerechten staatlichen Akt zu beseitigen und Bekenntnis eines krassen Unrechts und gravierenden Fehlurteils zu sein. Das Todesurteil über Anna Göldi habe eine nicht zuständige Instanz gefällt, welche an ihrer Kompetenz festhielt und den Schuldspruch wohl bereits im vornherein festgelegt hatte, obschon dafür selbst die damalige Rechtsordnung kein Todesurteil zugelassen hätte, ja nicht einmal einen entsprechenden Tatbestand kannte. Noch unverständlicher sei die Tatsache, dass der ganze Prozess in die Zeit der Aufklärung fiel, sich die Urteilenden als gebildete Leute betrachteten: Trotzdem folterten sie eine unschuldige Person und liessen sie hinrichten, obschon ihnen bekannt war, dass das Vorgeworfene weder machbar noch möglich war und die Rechtsgrundlage fehlte.

Es wird sicher weiter geforscht

Im Zusammenhang mit diesem Fall wurde der Begriff „Justizmord“ geprägt. Er macht als Umschreibung für die Hinrichtung einer unschuldigen Person durch ein Organ der Justiz die Tragweite des damaligen Urteils erschreckend deutlich. Werden alle Fakten, vor allem die völlige Unschuld, anerkannt, ist nur noch eine Rehabilitation möglich; sie kann zudem auch eine Anerkennung dafür sein, dass eine unbestimmte Zahl von Menschen, deren Fälle nicht aufgearbeitet werden können, zu Tode kam und will auch für sie ein Zeichen setzen. Die Rehabilitation wird weitere Forschungen nicht verhindern, sondern fördern. An der Tatsache des Justizirrtums vermag sie aber nichts mehr zu ändern. Der Begriff Rehabilitation darf aber nicht den Eindruck erwecken, es könne die Verantwortung für die Geschichte einer einstigen Lebensgemeinschaft übernommen werden. Nachfolgende Generationen sind dazu nicht in der Lage; sie haben selbst die für sie unverständlichen Taten anzuerkennen, die Auswirkungen zu tragen, Lehren daraus zu ziehen. Rehabilitation bedeutet nicht Schlussstrich. Als zusätzliches Zeichen unterstützt der Regierungsrat vorerst das kommende Festspiel „Anna Göldi“ mit je Fr. 60’000 aus dem Lotteriefonds und der Hans Streiff-Stiftung (Total Fr. 120'000).

Ein Mahnmal gegen Ungerechtigkeit

Anna Göldi wird als Symbolfigur weiterleben als Mahnmal für Aufmerksamkeit gegen Ungerechtigkeit, wo immer es nötig ist. Heute ist dies insbesondere beim Menschenhandel der Fall. Mit falschen Versprechungen angelockte junge Frauen haben in entwürdigenden Verhältnissen zu leben, indem sie zu ausbeuterischer, verletzender Zwangsarbeit oder zum Ertragen von gewalttätigen Beziehungen genötigt werden. Ihnen ist, so vor allem ein Anliegen der Landeskirchen, zum Recht zu verhelfen und beizustehen.“