Renato Kaiser und «9 Volt Nelly»

Es war ein «Rundum-Verwöhn-Programm», mit dem die Kulturgesellschaft Glarus aus Anlass ihres hundertjährigen Bestehens aufwartete. Die Fülle der Anlässe hatte auch mit der kulturellen Vielfalt zu tun, mit der Interessierte übers Jahr hinweg eingeladen werden – nachdem Corona in den Hintergrund getreten ist. Das letzte der verschiedenen Angebote gestaltete Renato Kaiser mit «9 Volt Nelly» aus.



Renato Kaiser und «9 Volt Nelly»

Renato Kaiser, als Komiker, Satiriker und Träger des Salzburger Stiers vielen bekannt, wartete mit Ansichten und Kommentaren auf, die zuweilen alles andere als heiter, angenehm, willkommen und nachvollziehbar sind. Er setzt dieses Stilmittel sehr bewusst ein, scharfzüngig, wortgewaltig, keck und frech, Konfrontationen sehr wohl in Kauf nehmend. Mit riesigem Tempo redet er drauflos, monologisierend, fast ohne Punkt und Komma. Dass man mit seinen Aussagen einig geht, hängt sehr wohl vom selbstgewählten Thema ab. Dass er bei seinen Zuhörern nebst Zustimmung auch starke Ablehnung weckt, gehört zu der Rolle, die er einnimmt.

Zuerst befasst er sich mit seinem St. Galler Dialekt, dann mit der Langsamkeit des bernischen Idioms, mit Wörtern, die er – dialektverbunden – gegeneinander ausspielt. Er zerdehnt das eine oder andere, landet urplötzlich beim Thema Yoga, switcht zu Linken rüber, kehrt ganz kurz auf die Yogamatte zurück, saust weiter zum Spannteppich, dann zum Liegevelo. Verbindungen schafft er in irrem Tempo, begibt sich dann zum WC-Bereich, den er in offenbar erfüllender Form in einem Teil des Güterschuppens angetroffen hat, was ihn zu Weiterführendem derart inspiriert, dass er sich richtig reinkniet, beispielsweise aufzeigt, weshalb die Männer beim Pissoir beide Hände benötigen. Er redet über WC-Oasen, übers Furzen an diesen offenbar magischen Orten, äussert sich zu neuartigen konstruierten WC-Schüsseln. Ob Derartiges von allen gleichermassen goutiert wird, ist eine Frage, die ein Satiriker zu beantworten hat.

Heiter, unbeschwert, mit spitzbübischen Gesichtszügen untermalend, geht es zu seinen Gästen mit Namen «9 Volt Nelly», zu zwei Damen, die stürmisch zu begrüssen sind, die Renato Kaiser genüsslich anpreist. So tauchen die stark geschminkten «Whiskey Sisters», wie es in einem Programmteil geschrieben steht, auf, singen mit gewaltiger Leidenschaft, spürbarem Können und grosser Routine. Sie schildern in einem Gemisch aus Englisch – das Texas entstammt – Deutsch, Mundartbrocken und grosser Gestik, was sie verbindet. Mit Altem haben sie derart aufgeräumt, dass sogar die Ehemänner dranglauben mussten. Dann ging es auf eine weite Reise, die – so wieder der Bezug auf den Programmtext – Poesie und Sinnlichkeit, Witz und Tiefgang in irgendeinem Land der Träume garantieren.

Unterbrochen wird ihr Auftritt von Renato Kaiser, der sich mit den Themenkreisen wie «Fleischvögel», «Vegi-Wurst», Unwörtern, die in Umgangssprachlichem keinen Platz haben, auseinandersetzt. Er wird deutlich genug, bezieht sich auf jenen Rummel, der losgetreten worden ist und noch kein Ende gefunden hat, rassistisch ist und bleibt. Er philosophiert über Übeltäter aus verschiedenen Ländern, über unverständliche, abscheuliche Fakten, über Klischees. Da rüttelt er auf, überdeutlich. Das ist unbequem, provoziert, wirft die Frage auf, was zumutbar und in Unterhaltung eingebettet sein soll. Er argumentiert bewusst überspitzt, provoziert mit gewiefter Leidenschaft – derart, dass einem das Lachen zuweilen im Halse stecken bleibt, Unwillen weckt.

Und dann kommen die barfuss einherlaufenden Damen, wieder mit Gitarre, am Rückenteil eingestecktes «Glückspferd». Eine hat offensichtlich ganz starke Bauchschmerzen. Sie hockt sich hin, streift das Höschen weg, stöhnt lautstark, hofft, dass «es» endlich kommt. Irgendwann besinnen sie sich auf Ursprüngliches zurück; das war ja die Wegreise aus Texas, die Trennung von Altem, die Flucht – es wird enorm schwungvoll.

Und Renato Kaiser spinnt diesen Faden weiter, befasst sich mit Sex, Sexgrüsel, Sex in verschiedenen Formen, Sextäter. Er zieht den Bogen zu den Leiden des Velorennfahrers, zu den fatalen Klickpedalen.

Beide spielen ihre eigenen Programme, wissen sich zuweilen themabezogen verbunden, lassen die Zuhörenden im Ungewissen, wie Satire definiert sein will.