Rüpel

Nicht immer kommt die Befolgung von Verkehrsregeln gut an. Besonders dann nicht, wenn es einer eilig hat.



Fussgänger haben Vortritt! (Bild: mb.)
Fussgänger haben Vortritt! (Bild: mb.)

Es ist Freitagnachmittag kurz nach halb fünf Uhr. Ich bin mit dem Auto im Stossverkehr von Glarus unterwegs nach Näfels. Der Autolenker hinter mir fährt nahe auf – der Abstand ist ganz sicher zu klein. Ich lasse mich aber nicht beirren, schliesslich fahre ich nicht zu langsam, sondern korrekt, den Geschwindigkeitsvorschriften entsprechend.

In Netstal muss ich anhalten, weil ein Mann die Strasse auf einem Fussgängerstreifen überquert. Was passiert? Der Autofahrer hinter mir bringt sein Gefährt zwar noch rechtzeitig zum Halten, hupt aber. Mein Adrenalinspiegel schnellt in die Höhe. Am liebsten wäre ich ausgestiegen und hätte den Autolenker deutlich auf seine unkorrekte Fahrweise hingewiesen. Doch das geht ja nicht im Stossverkehr.

Ich fahre also weiter, den Drängler immer noch hinter mir. Er scheint es tatsächlich sehr eilig zu haben: Beim Lichtsignal ausgangs Näfels spure ich rechts Richtung Autobahn ein. Er drückt aufs Gaspedal und braust auf der linken Fahrspur an mir vorbei Richtung Oberurnen – sicher schneller als erlaubt.

Welch ein Rüpel! Ob er sich bewusst ist, dass pro Jahr rund 700 Fussgänger schwer und 80 tödlich verunfallen? Kinder bis 14 Jahre und Senioren ab 65 sind überdurchschnittlich stark betroffen. Gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung, bfu, ist die Sensibilisierung der Fussgänger ein zentraler Aspekt in der Prävention. Aber auch bei den Fahrzeuglenkenden soll das Risikobewusstsein erhöht werden. Vor Fussgängerstreifen muss laut Strassenverkehrsgesetz besonders vorsichtig gefahren und nötigenfalls angehalten werden, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten.

Die Statistiken zeigen, dass die schweren Unfälle auf Fussgängerstreifen seit 1980 um 75 Prozent abgenommen haben. In den vergangenen fünf Jahren stagnierte die Zahl zwar auf tiefem, «jedoch immer noch zu hohem Niveau». Unbestritten für die bfu ist, dass weitere Massnahmen notwendig sind, und zwar auf allen Ebenen: «Im Bereich der Infrastruktur, beim Verhalten der Verkehrsteilnehmenden (Fahrzeuglenker: Aufmerksamkeit, Ablenkung; Fussgänger: Vortrittsrecht, aber kein überraschendes Betreten, sondern ersichtliches Queren), bei der Kontrolle durch die Polizei sowie der Gesetzgebung.»

Aufmerksam fährt mein Rüpel nicht, sonst hätte er früher gesehen, dass der Fussgänger die Strasse überqueren will. Mein Beifahrer meint zum Ganzen lapidar: «Schade, hat er uns nicht touchiert. Dann hätte er wenigstens eine Busse kassiert!» Ja, und die wäre mehr als angebracht gewesen!