Rupf und Schnoz im «Wortreich» Glarus

«Frisch am Berg» – so lautete der Titel zu einem wechselvollen, gar munteren, zuweilen tiefsinnigen und gefühlsreichen Begegnen in der Buchhandlung Wortreich in Glarus. Das Wetter machte derart entgegenkommend mit, dass der szenischen Lesung unter freiem Himmel nichts, aber auch gar nichts, im Wege stand.



Gian Rupf und René Schnoz erwiesen sich als gar begnadete Erzähler und Darsteller. (Bild: pm.)
Gian Rupf und René Schnoz erwiesen sich als gar begnadete Erzähler und Darsteller. (Bild: pm.)

Damit konnten sich die berggewohnten, mit viel Wortwitz und kreativem Gestaltungsreichtum bewegenden Gian Rupf und René Schnoz auf der kleinen Bühne derart in Szene setzen, dass man beispielsweise dann mitfieberte, wenn sie sich ans Besteigen des unförmigen, riesigen Fauteuils machten, der für diesen Szenenteil als Berg diente. Man konnte mitleiden, wenn sie sich in die für zwei Berggänger gar etwas enge Ruhegelegenheit zwängten und sich irgendwie arrangierten, um doch genug Platz zu kriegen. Sie waren – in Anlehnung an Max Frisch, den gar begnadeten, wortgewaltigen und gewandten Schriftsteller, Architekt, passionierter Bergsteiger und literarische Quelle dieses Abends – frisch und frohen Mutes unterwegs. Die zitierten Texte führten die Hinhörenden, Betrachtenden, Geniessenden in die Innerschweiz, hin zu den Glarner Alpen und ins Engadin. Namen von bestbekannten Bergmassiven und Talschaften, Seen und Alpweiden und die Berge querenden Übergänge wechselten in bunter Folge, gestatteten aber stets das Verharren am einen und anderen Ort. Es wuchsen Bezüge zu Alpenfirn, Abendrot, Schnee, Lawinen, zuweilen gar fordernden, leicht dramatischen Bergtouren, Alp- und Berghütten, alpinen Gefahren, gar Reizvollem, ja erdrückend Schönem auf Berggipfeln. Man folgte den zuweilen einsilbigen Gesprächen zwischen Alpinisten, Berggängern, dem einsamen Wehrmann in den Bergen des Engadins mit dem Deutschen, der so gerne den einheimischen Dialekt zu pflegen schien, um sich auch gebührend anzubiedern, man vernahm den warnenden Pfiff des Murmeltiers und erfuhr fast gleichzeitig Weltgeschichtliches aus der Zeit um 1946 oder wurde flugs in Heutiges, Aktuelles entführt. Wirblig, munter und erfrischend vieldeutig ging es zu und her. In Anlehnung an damals, an die Berggänge von Max Frisch und dessen Bruder Franz waren Rupf und Schnoz gar einheitlich gekleidet – es stimmten sogar die Schnallen der Bauchgürtel überein. Frischs Tabakpfeife durfte bei diesem gehaltvollen, witzigen Fabulieren nicht fehlen. Alle, der Schriftsteller wie die beiden zeitkritischen Bergwanderer, und mit ihnen auch die Zuhörer, waren vom Bergfieber erfasst, erkannten das eine oder andere, wussten somit um Inhalte und deren Auswirkungen, wenn es um Gefahren, stille Schönheit, Pause, Biwak, Hüttenleben ging, wenn in Gesprächsfragmenten Erinnerungen und Erlebnisse wuchsen.

So war «Frisch am Berg» durchaus mehrdeutig, es ging auch um die Frische der Wandernden, um das frische Anpacken neuer, unerwarteter Wendungen in den einfallsreich und witzig gespielten und geschilderten Geschehnissen. Grosses szenisches Darstellen war nicht erforderlich, die Berggeschichten sprachen für sich, sie enthielten gar Reichhaltiges, weit Deutendes, bargen ein immenses Mass an blumiger, klarer und starker Sprache. Es schien kaum zu enden – auch nach dem Schluss des munteren, anregenden Treffens. Denn Gian Rupf und René Schnoz begaben sich weiter nach Braunwald an den Beginn der Musikwoche, sie werden später in Berghütten anzutreffen sein – und vielleicht mArtikelit Neuem irgendwann wieder im «Wortreich» auftauchen. Christa und Janis Pellicciotta haben sich mit den bisherigen Angeboten in der Kleinkunstszene in gar guter Weise etabliert. Stets laden sie zu erfreulich wechselvoll Strukturiertem, zu faszinierend Unerwartetem ein.