Sag niemals nie. Oder doch?

Gleitschirmfliegen und Achterbahn. Zwei Mutproben, die sich ganz unterschiedlich anfühlen. Einmal genüsslich, einmal Todesangst auslösend.



Wunderschön: Gleitschirm-Tandemflug von Fronalp nach Mollis hinunter. (Bild: zvg) Horror pur: «The Roller Coaster» beim Hotel «New York-New York» in Las Vegas. (Bild: mb)
Wunderschön: Gleitschirm-Tandemflug von Fronalp nach Mollis hinunter. (Bild: zvg) Horror pur: «The Roller Coaster» beim Hotel «New York-New York» in Las Vegas. (Bild: mb)

Es sind schon viele Jahre vergangen, seit ich das erste Mal einen Gleitschirm-Tandemflug absolviert habe. Der hat mir aber nicht gefallen, und ich habe mir geschworen, nie mehr so in die Lüfte zu gehen.

Dieser Schwur ist nun arg ins Wanken geraten. Wir sind als Dank für geleistete Dienste zu einem Erlebnistag eingeladen – haben aber keine Ahnung, was uns erwartet. Vorgaben sind einzig sportliche Kleidung und leichte Wander- oder Trekkingschuhe.

Der Tag beginnt genüsslich bei einem Ausflug mit Ross und Wagen im Zürcher Oberland. Dann geht es bei Rapperswil auf den Zürichsee zum Mittagessen. Der Himmel verdunkelt sich, eine leichte Nervosität breitet sich aus. Vor allem bei den Organisatoren, die immer wieder das Handy konsultieren.

Als wir ins Glarnerland zurückfahren, schüttet es wie aus Kübeln, und es blitzt und donnert. Bei der Kirche Mollis gibt’s einen Halt mit Telefonanruf. Leider nicht in unserer Nähe, sodass wir immer noch nicht wissen, was uns als Nächstes erwartet. Anscheinend haben die Organisatoren grünes Licht bekommen, denn wir fahren weiter Richtung Fronalp. «Jetzt wird die Wanderung kommen», denke ich, «wozu hätten wir sonst Wanderschuhe anziehen müssen?»

Wir stellen die Autos auf den grossen Parkplatz und wandern tatsächlich Richtung Naturfreundehaus. Plötzlich sehen wir etwas weiter vorn am Abhang Gleitschirme. «Die sind für uns», schiesst es mir sofort durch den Kopf. Und tatsächlich: Die Tandempiloten der Robair Gleitschirmschule warten auf unsere achtköpfige Gruppe. Das Gewitter hat sich derweil verzogen, blauer Himmel und Sonnenschein sind wieder unsere Begleiter.

Was nun? Ich erinnere mich natürlich sofort an meinen ersten Tandemflug. Ausserdem bin ich leicht handicapiert wegen meinem Knie. «Kein Problem, du kannst sitzend landen», zerstreuen die Piloten meine Bedenken. Na denn, wagen wir’s!

Mein Mut wird belohnt, ich geniesse einen herrlichen Flug nach Mollis hinunter. Mein Tandempilot Marc fragt, ob ich Achterbahn wolle. «Nein danke», antworte ich, «das hatte ich beim letzten Mal. Ich möchte einfach einen schönen, ruhigen Flug.» Und den bekomme ich auch. Die Landung verläuft problemlos, sodass ich unten sage: «Ich würde sofort wieder fliegen.» – Es ist also richtig gewesen, dass ich mein ursprüngliches «Nie wieder» gekippt habe.

Szenenwechsel. Eine Woche nach diesem Dankesüberraschungstag fliegen wir über den grossen Teich und verbringen wunderschöne Ferien im Westen der USA samt Besuch der herrlichen Nationalparks. Ausgangspunkt ist Las Vegas, die verrückte Stadt inmitten der Wüste Nevadas, wo alles nur blinkt und glitzert und man von Musik zugedröhnt wird.

Selbstverständlich erkunden wir die verschiedenen Themenhotels am Strip und sind erneut fasziniert von den Wasserkanälen samt Gondolieri im zweiten Stock des «Venetian», vom Eiffelturm beim «Paris», der Freiheitsstatue beim «New York-New York» oder der Pyramide im «Luxor» – um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Hotel «New York-New York» bietet als spezielle Attraktion «The Roller Coaster», eine Stahlachterbahn, die bei ihrer Eröffnung 1997 als höchste und schnellste Loopingachterbahn galt. 1456 m lang, 62 m hoch, mit einem maximalen Gefälle von 55 Grad und einer maximalen Geschwindigkeit von 108 km/h.

Anscheinend wollte ich bei meinem ersten Besuch in Las Vegas vor acht Jahren einen Höllenritt wagen, wie mir meine Tochter verrät. Sie aber wollte damals nicht. Irgendwie muss ich das verdrängt haben ...

Heute ist es umgekehrt. Ein sehr mulmiges Gefühl beschleicht mich, wie ich die schmalen Schienen in der Höhe und die vielen Kurven anschaue. Alles in mir sagt Nein. Aber wie dem so ist: Meine Tochter, mein Schwiegersohn und mein Mann wollen den «Roller Coaster» testen. Und da ich kein Weichei sein will – die Abenteuerlust des Widders ist wieder mal grösser –, überwinde ich mein Nein und sage schliesslich Ja.

Hätte ich das nur nicht getan! Was die nächsten Minuten bringen, ist für mich Horror pur. Wir tuckern in den gelben Wagen langsam in die Höhe, sausen dann in rasendem Tempo in die Tiefe, zwängen uns um enge Kurven, hängen sogar mit den Köpfen nach unten und können gar nicht mehr verschnaufen. Ich stehe Todesängste aus, schliesse nur noch die Augen und hoffe, dass der Spuk bald ein Ende hat.

«Nie wieder, nie wieder», sage ich zu meiner Familie nach dem wahren Höllenritt. Und diesmal bleibe ich dabei. Da bin ich mir sicher. Komme, was wolle!