Sam Dzong – Umzug eines ganzen Dorfes

Nepal ist ja so weit weg. Was fernab der weltpolitischen Hauptbühnen geschieht, ist für viele unbedeutend, wird kaum wahrgenommen und driftet spätestens nach der Lektüre vieler Information in die Vergessenheit. Es kann aber auch gar Erfreuliches passieren, in die Gegenwart gerückt werden und haften bleiben. In der Galerie Gartenflügel Ziegelbrücke war das unlängst der Fall, beeindruckend, bewegend, nachdenklich stimmend und Bewunderung weckend. Bewunderung, weil die Ortsansässigen nicht aufgaben, die Hände nicht resigniert in den Schoss legten und auf Hilfe durch Wohlgesinnte hofften.



Sam Dzong – Umzug eines ganzen Dorfes

Über die Geschehnisse in Sam Dzong wurden die vielen Interessierten anlässlich der Vernissage in einer Art und Weise informiert, die Anteilnahme wecken musste. Da standen nicht irgendwelche Macher im Vordergrund, die sich der Wohlfahrt oder weltfremdem Agieren verschrieben hatten. Robert Jenny, Inhaber der Galerie; Manuel Bauer, Fotograf, Reiseleiter, Planer und Realisator, und Lama Ngawang haben sich – aus welch glückhaften Gründen auch immer – gefunden, sich mit Gleichgesinnten zusammengetan und mit den Bewohnern der nepalesischen Berggemeinde von Sam Dzong ein Vorhaben in die Tat umgesetzt, das in seiner Art so nachhaltig bewegt, das zeigt, wie mit vereinten Kräften, unermesslichem Einsatz, dem Glauben, dass es sicher gelingen wird, der Selbsthilfe und Nachhaltigkeit so kommt, dass nach acht entbehrungsreichen Jahren wieder gewohnt, gepflanzt und geerntet werden kann, dass eine Ausbildung angeboten wird, die auch Mädchen voll zugänglich ist, dass für die Rechte der Frauen nachhaltig und mit sympathischem Erfolg gekämpft wird. Wie viel Unbeirrbarkeit, sanfte und permanente Nachhaltigkeit, Toleranz, gegenseitiger Respekt und unablässiges Miteinander notwendig sind, wie unabdingbare finanzielle Mittel von aussen verwaltet und eingesetzt werden, beeindruckte aus tiefstem Innern heraus. Und es keimte eine Utopie: Könnten für einmal die Machthungrigen, Diktatoren, Unbelehrbaren, brutal und eigensinnig Herrschenden nicht an diesen Ort geschickt werden, um zu erkennen, dass es auch ganz anders geht – gewaltlos, demokratisch, prozessorientiert?

Robert Jenny machte mit Mustang, einem versteckten Königreich im Himalaja, bekannt. Es war eine willkommene Kurzlektion in Geografie. Dort durchbreche der Fluss Gali Kandaki die Himalajakette, die Nepal und Tibet trennt. Es soll die tiefste Schlucht der Welt sein. Mustang liegt am Fusse des Achttausenders Dhaulagiri und des Anapurna. Die Gebirgslandschaft mit den wenigen Dörfern auf einer Höhe von 2500 bis 4000 Metern und den bewässerten Oasen ist in ihrer Art einzigartig spektakulär. Das kleine Königreich ist in Nepal integriert und war vor der Annexion Tibets durch China Tor für eine Handelsroute. Bis in die Neunzigerjahre war dieses Gebiet für Touristen gesperrt, da sich tibetische Widerstandskämpfer häufig hierher zurückzogen. Das Tal ist durch Tibet geprägt.

Im Jahre 2008 besuchte Robert Jenny mit dem Fotografen Manuel Bauer dieses Tal. Manuel Bauer begann zu fotografieren, erstellte eine im Gartenflügel einsehbare Dokumentation. Er wurde zum wertvollen Helfer, Begleiter und stets enorm gastfreundlich begrüssten Rückkehrer, zum aktiven Mitretter eines sterbenden Dorfes. Sein Mitstreiter ist Lama Ngawang, dessen tibetische Schule und Kampf für die Gleichstellung bemerkenswert sind.

Als Folge der globalen Klimaerwärmung und den dramatischen Auswirkungen – von einigen immer noch kleingeredet und in unverständlicher Art verharmlost – fehlte dem nepalesischen Ort mit seinen 85 Einwohnern das überlebensnotwendige Wasser. Die Bewohner sahen sich gezwungen, den angestammten Ort zu verlassen und ein neues Zuhause aufzubauen, da alle Quellen versiegt waren. Bewohner sprachen Manuel Bauer und Lama Ngawang Kunga Bista einst an. Beide entschieden sich, nachhaltig zu helfen. Das neue Land stand auf einer Höhe von 3800 Metern zur Verfügung, geschenkt vom König von Mustang. Es war von zahllosen, teilweise mannshohen Findlingen übersät und eigentlich unbrauchbar. Bauer begann mit dem Sensibilisieren, gastierte mit aufrüttelnden Vorträgen an vielen Orten, sammelte Geld. Die Räumungsarbeiten konnten beginnen. Es folgten der Bau von 18 neuen Häusern samt vorherigem mühsamem Einkauf und Transport des notwendigen Holzes und die neuen Felder. Diese Felder mussten planiert, Bewässerungskanal, Hochwasserschutz und Trinkwasserversorgung erstellt werden. Manuel Bauer berichtete mit spürbarer Freude vom kürzlichen Einbringen der ersten Ernte.

In Englisch erzählte Lama Ngawang von seiner Arbeit, die sich mit dem Engagement von Manuel Bauer und vielen Helfern sinnrichtig ergänzt. Da bilden gegenseitiges Vertrauen, Verständnis und unbeirrbares Vorwärts eine überzeugende Ganzheit.

Manuel Bauer wird am kommenden Freitag um 20.00 Uhr im Gartenflügel Ziegelbrücke über Sam Dzong und sein Engagement referieren. Die Ausstellung mit der fotografischen Dokumentation und vielen Informationen ist bis 4. Dezember am jeweiligen Samstag und Sonntag ab 16.00 – 18.30 oder nach Vereinbarung ([email protected]), Telefon 055 610 36 07, geöffnet.