Sang und Klang am Übergang

In aller Bescheidenheit ist in Diesbach eine Ausstellung entstanden und vor geraumer Zeit fast «unter Ausschluss der Öffentlichkeit» eröffnet worden. Denkt man an Thomas Legler, an die vor mehreren Jahrhundert herrschende Reisläuferei, Kriege, das Beresinalied und an die Feldzüge von Suworow und Napoleon ist das zuweilen spürbar geringe Interesse begreiflich.



Roli Schiltknecht referierte begeisternd und kenntnisreich bei der grossflächigen Zeichnung seiner Schüler und einer Klangskulptur von Martin Spühler. (Bild: pmeier)
Roli Schiltknecht referierte begeisternd und kenntnisreich bei der grossflächigen Zeichnung seiner Schüler und einer Klangskulptur von Martin Spühler. (Bild: pmeier)

Hat man aber die Gelegenheit, sich mit dem Ausstellungskonzept vertiefend zu befassen und einer Führung beizuwohnen, sind alle Vorbehalte gegenüber Kriegerischem, Brutalem, nur schwer Fassbarem wie weggewischt.

Der «geistige Vater» dieser Ausstellung ist gewiss Roland Schiltknecht. Unlängst begrüsste er Mitglieder des Glarner Madrigalchors, im Wissen, dass deren Mitglied Nicole Cagianut mit ihren Klangschalen zur Ausstellung Nachhaltiges beigetragen hatte. Man spürte, dass sich Roli Schiltknecht mit dem Zustandekommen der Ausstellung – in deren Zentrum das Beresinalied steht – intensiv befasst hatte. So wuchs in ihm der Gedanke, die erste Strophe dieses Liedes – das heute bei der einen oder anderen Feierstunde gesungen wird – in sinngebende Teile zu gliedern, das auf zwölf Bildtafeln einsehbar zu machen und Tatsachen musikalischer, geografischer und historischer Art mitzugeben. Im Verlaufe der ungemein interessanten und weit fassenden Ausführungen entstanden beim Betrachtenden urplötzlich Bezüge zu einem Geschehen, das grosses Elend, enorme Grausamkeiten, Leid, heute Unbegreifliches zum Inhalt hat, aber intensive Gefühle weckt, zu Erlebnissen führt, die dank Schiltknechts Geschick und dem umfassenden Wissen wach werden. Konfrontiert wird der Betrachter mit alten Instrumenten, mit der Faszination und Kraft der Trommel, mit Klangmustern, der Frage, weshalb Musik damals und heute so stark wirkte und zu bewegen vermochte, wie unsinnig aber existenziell zuweilen wichtig die Reisläuferei war, wie gross sich Hungersnöte auswirkten und welche Perspektiven in unserem Bergtal überhaupt bestanden. Wohl deshalb kam es zum sinnrichtigen Titel, zum «Sang und Klang am Übergang». Vor dem Übergang in den Tod oder dem Queren der Beresina, weckten die Trommler letzte verzweifelte Kräfte. Wer hätte erahnt, dass das Erlernen des Kriegshandwerks die beinah einzige Existenz für Bergler war oder dass Solothurn sich zur wahren Drehscheibe der Reisläuferei entwickelte oder dass nach dem Verbot des Anwerbens eine Überbevölkerung entstand? Man schmunzelte über den Trick jener Soldaten, die auf dem Urnerboden die Schellen des Viehs ertönen liessen, um den Feind zu überlisten. Man staunte über den zweimonatigen Gewaltsmarsch der völlig erschöpften Soldaten ab Kalabrien nach Stettin, erfuhr mit Schaudern, dass die Angeworbenen bei langen Ruhepausen eingesperrt wurden, um die Desertion zu verhindern. Den Ausstellungsmachern geht es darum, die hohe Bedeutung der Klänge, die Vielzahl von Instrumenten, das schöpferische Potenzial von Martin Spühler mit seinen wuchtigen, aber auch feingliedrigen Klangskulpturen, das Einwirken der Musik auf den Menschen, das Experimentieren und Bespielen einer Bogensaite, den farbigen Gestaltungsreichtum jener Elf- und Zwölfjähringen hervorzuheben, die das Geschehen der Schlacht nachzeichneten, die Ganzheit von Musik und Empfinden zu wecken. Es wird nachhaltig aufgezeigt, wie bedeutsam Musik damals und heute geblieben sind. Gar intensiv wird man sich damit am kommenden 28. November am Ausstellungsort befassen können. Aber auch vorher, ordentlicherweise an jedem letzten Samstag des jeweiligen Monats ist diese Ausstellung geöffnet, wobei auch ausserhalb dieser Zeitspanne Führungen angeboten sind. Unter www.museum.legler.ch oder Telefon 055 643 15 20 ist Genaueres zu erfahren. Diese Ausstellung ist im kommenden Jahr zwischen dem 27. April und 26. Oktober nochmals angeboten – neben den ständigen Ausstellungen über Thomas Legler und dem «Auswandern auf Zeit» (Söldnerwesen und Russlandfeldzug).Artikel