Ein irisches Weihnachten ist überhaupt nicht so, wie ich es von der Schweiz kenne. Nur schon die Dekorationen sind um einiges bunter und hier heisst es «je mehr, desto besser!». All die Lichterketten, Figuren und Weihnachtsbäume wurden schon vor dem 1. Advent aufgestellt und jeder Winkel des Hauses sollte irgendwie an dieses Fest erinnern.
Die Kinder haben schon Wochen vor Weihnachten angefangen ihre Wunschbriefe an Santa Claus zu schicken, damit sie auch ja rechtzeitig am Nordpol ankommen. Die Spannung, was ihnen der Mann mit rotem Mantel und Bart wohl bringen könnte, stieg von Tag zu Tag und am 24. Dezember gab es kaum noch ein Halten.
Meine Familie nahm mich an Heiligabend mit zur Kirche, wo ich mal eine ganz irische Messe erleben durfte. Eine Messe mit Gospel-Musik, kleinen Gebeten, die ich nicht wirklich verstanden habe, und mit Händeschütteln am Ende. Das Händeschütteln ist typisch irisch und wird am Ende jeder Messe gemacht zum Zeichen der Liebe, Freundschaft und Vergebung unter den Leuten der Gemeinschaft.
Nach der Messe hiess es dann für alle Kinder «Ab ins Bett». Meine Gastmutter und mein Gastvater haben dann zusammen ganz leise die Geschenke unter dem Baum verteilt, die bereitgestellten Kekse angeknabbert und das Glas voll Milch halb ausgetrunken, um den Schein von Santa zu wahren.
Um genau 01.38 Uhr morgens, als ich gerade im Traumland war, stürmte mein jüngster Gastbruder in mein Zimmer und schrie: «Es ist Weihnachten!!! Komm Saskia, Santa war hier! Los …!» Ich wurde wach gerüttelt und gekitzelt, bis ich endlich noch halbschlafend aus meinem warmen Bett kroch und nach unten ging. Rund um den Weihnachtbaum stand schon meine ganze Familie und irgendwie war ich die Einzige, die total müde war. Nachdem wir uns Geschenke gegeben und diese dann ausgepackt hatten, befand ich mich zum Glück um 03.00 Uhr morgens wieder auf dem Weg ins Traumland.
Am 25. Dezember, dem eigentlichen Weihnachtstag, standen wir alle spät auf. Nach dem Frühstück deckte ich mit meinen Gastgeschwistern den Tisch für das grosse Weihnachtsessen. Natürlich lief den ganzen Tag über Weihnachtsmusik. Meine Gastmutter kochte ein riesiges Weihnachtsessen bestehend aus Truthahn, Schinken, verschiedenen Variationen von Kartoffeln und Broccoli und einem typisch irischen Nachtisch.
Um 3 Uhr nachmittags, sass die ganze Familie am Tisch und ass. Während dem Essen wurden dann nach und nach noch die «Christmas Cracker» geöffnet. Das sind so Päckchen, die aussehen wie riesige Bonbons. Traditionellerweise musste je eine Person an einem Ende ziehen, bis der «Cracker» zersprang. Der mit der grösseren Hälfte gewann den Inhalt und musste sich eine dumm aussehende Papierkrone aufsetzen. Bis zum Schluss hatte jeder mindestens eine solche Krone auf dem Kopf.
Nach dem Essen war ich so voll wie noch nie, ich konnte nicht einmal drei Stunden später irgendetwas Essbares nur schon ansehen. Und ich war nicht die Einzige, der es so ging. Wir setzten uns alle nach dem Aufräumen der Küche ins Wohnzimmer und liessen unter Gesprächen und einer gemütlichen Atmosphäre den Tag ausklingen.
Und dann war es auch schon vorbei, mein irisches Weihnachten!