«Schaffen das nur mit Forschung und Innovation»

Das diesjährige Linthforum in der lintharena beschäftigte sich mit dem klimabedingten Strukturwandel mit Fokus auf Berggebiete. Die beiden ETH-Professoren Reto Knutti und Lino Guzzella betonten, dass das ambitionierte Ziel CO2-Null bis 2050 nur mit Innovationen und im Dialog mit der Forschung erreichbar sei.



Podium am diesjährigen Linthforum - Klimabedingter Strukturwandel in den Berggebieten - Chancen und Risiken (Bilder: e.huber)
Podium am diesjährigen Linthforum - Klimabedingter Strukturwandel in den Berggebieten - Chancen und Risiken (Bilder: e.huber)

«Die Welt schwitzt», begann Reto Knutti, ETH-Professor für Klimaphysik, seinen Input am diesjährigen Linthforum, organisiert durch das Departement Volkswirtschaft und Inneres. Denn nicht nur Europa litt in diesem Sommer an Rekordtemperaturen. Und dies werden wir in Zukunft viel häufiger erleben. «Trockenheit und Sturmniederschläge werden immer mehr zu unserem Alltag gehören.» Und die Werte von CO2 und Methan in den letzten fast einer Million Jahren würden deutlich zeigen, dass der Mensch für diese einmalige Situation die Verantwortung trage. «Und der grösste Verursacher ist die Produktion von Energie.» Auch sein Kollege Lino Guzzella, Professor für Thermotronik an der ETH Zürich, sieht bei der Energie den grössten Handlungsbedarf. «Energie an und für sich ist nichts Schlechtes. Es geht darum, woher wir die Energie beziehen.» Man dürfe sie deshalb durch Kohle, Öl oder Gas aus dem Boden beziehen, gerade für die Schweiz seien die Sonne, aber auch der Wind die grossen Energiebringer.

Frage der Speicherung

Hier sei aber das Problem, dass im Gegensatz zu den fossilen Brennstoffen die Stromerzeugung nicht dauernd stattfinden kann. «Neben der genügend grossen Menge ist die Speicherung eine grosse Herausforderung.» Das Pumpspeicherwerk Linth-Limmern sei hier für Guzzella gleich auf zwei Arten ein hervorragendes Vorbild. «Nicht nur kann hier sauber und effizient Strom gespeichert werden, die Staumauer wird auch als Photovoltaik-Anlage genutzt werden.» Denn gerade im Winter – wo durch Heizungen mehr Energie gebraucht wird – sind Solaranlagen im Mittelland deutlich weniger effizient. «Studien haben herausgefunden, dass Anlagen im Alpinen Raum im Winter deutlich mehr Strom produzieren können.» Für Produktion und Speicherung bräuchte es aber auch die notwendigen Strukturen, was Investitionen in Milliardenhöhe erfordere. Auch müsse man in Erwägung ziehen, diejenigen, welche unsere Luft durch das Abbrennen von fossilen Brennstoffen als «Müllhalde» brauchen, zur Kasse zu beten. Zum Schluss betonte er zudem, dass die Situation nur mit Innovationen und neuen Denkwegen zu lösen sei. Gerade die Wirtschaft sollte hier den Dialog mit der Forschung suchen, um neue Wege zu finden. Auch Pascal Jenny, Präsident Arosa Tourismus, betonte, dass viele KMU’s noch nicht wissen, welche Möglichkeiten sie überhaupt hätten.

Wandel im Tourismus

Gerade beim Tourismus muss sicher auch ein Wandel umgesetzt werden. «Die meiste Energie im Tourismus wird bei der An- und Abreise der Gäste produziert.» Aus diesem Grund konzentriert sich Arosa bei der Werbung nur noch auf die Schweiz und das nahegelegene Europa. «Ausserdem sollen die Gäste möglichst lange bei uns bleiben.» Jenny spreche sich deshalb gegen den Massen-Tages-Tourismus aus. Damit steigere sich auch der Genuss-Faktor des einzelnen Gastes, welcher so sehr wahrscheinlich auch die Wertschöpfung steigert. Ausserdem habe sich Arosa stärker auf den Sommertourismus konzentriert und erwirtschaftet dort jetzt schon 40 Prozent des Jahresumsatzes. So seien auch für Ständerat Mathias Zopfi zum Beispiel neue Beschneiungsanlagen nur ein Mittel, um den Tourismusregionen Zeit zu verschaffen Alternativen aufzubauen.

Umsetzungen und Wandel seien gerade in den Bergregionen eher schwierig, sind sich die beiden Professoren einige. «Dies haben die Abstimmungsresultate zum CO2-Gesetz deutlich gezeigt.» Hier hätten die «Randregionen», laut Regierungsrätin Marianne Lienhard, halt auch nicht die gleiche Infrastruktur wie in den Städten. «Bei uns gibt es zum Beispiel kein Tram und viele sind für ihre Mobilität auf ein Auto angewiesen.» Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die Angst vor einem Gas-Engpass, sei hier die Abkehr und die Loslösung von der Abhängigkeit von Russland so aktuell wie noch nie. Da aber China eigentlich das Monopol auf Solarpanel hat, bestehe, nach Guzzella, die Gefahr, in eine neue Abhängigkeit mit einem ähnlichen Staat zu gelangen. Der steigende Strompreis könne hier aber auch Denkprozesse anregen und Entwicklungen anstossen. «Wichtig ist, dass nicht mehr nur geredet, sondern endlich auch gehandelt wird», schloss Guzzella die angeregte Diskussion und gab damit sicher genug Anstoss für engagierte Diskussionen der rund 200 Gäste am Linthforum 2022 beim anschliessenden Apéro in der lintharena.

Durch das Forum und das äusserst interessante Podium führte gekonnt die bekannte Glarner Journalistin Mayka Frepp. Wie ein solches Forum humorvoll und geistreich abgeschlossen werden kann, zeigte den Gästen die etablierte Poetin Patti Basler mit ihrem musikalischen Partner Philippe Kuhn.