Noch ist es Sache von Hansruedi Frei, die Begrüssung im Auftrage von Baeschlin littéraire wortreich, leicht ausführlich und spürbar beschwingt auszuformulieren. Alle Sitzplätze im gemütlichen Halbrund sind belegt.
Alex Capus ist ein ebenso begnadeter Erzähler wie Buchverfasser. Sein Schaffen ist beneidenswert weitgespannt. Er kann scheinbar mühelos über Nachbarliches, Familiäres, Dörfliches berichten, breitet diesen kurzweiligen Stoff so elegant aus. Spürbar beharrlich und zielgerichtet versteht er auch zu recherchieren. Er entführt damit in fremde, faszinierende Welten. Es kommen Romane voller Zärtlichkeit, mit Innigem oder beunruhigende geschichtliche Fakten, blumigste, ausschweifende Schilderungen dazu. Capus vermischt vieles mit spürbarer Fabulierlust und Schreibgeschick, lässt Kurzweil, Spannung und Vergnügliches aufkommen, ergeht sich in nachvollziehbaren Vermutungen, gibt sich Träumereien hin. Er ist ein eleganter Wortmaler, liebenswürdig, verschmitzt, geschickt.
Biografisches
Er kam 1961 in der Normandie zur Welt. Heute lebt er in Olten. 1994 veröffentlichte er seinen Erstling «Diese verfluchte Schwerkraft». Es folgten Romane, Kurzgeschichten und Reportagen. 2011 erschien «Léon und Luise» und ein Jahr später «Fast ein bisschen Frühling». Im vergangenen Jahr wurde «Reisen im Licht der Sterne» veröffentlicht. Nicht nur seine Heimatstadt hat ihn mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet.
Keine Lesung, sondern eine Erzählung
Im BSINTI verzichtete Capus auf Unterlagen. Er begann über die «Reisen im Licht der Sterne» so meisterlich, kurzweilig, konzentriert, kenntnisreich, zuweilen detailversessen, dann wieder ungemein treuherzig mahnend, dass sich Schatzsuche nur sehr begrenzt lohne. Er entführte ins polynesische Inselreich, liess einen vorerst auf Cocos Island I verweilen (es muss eine zweite derartige Insel geben, ansonsten der Stevenson-Clan nicht derart exzessiv in Saus und Braus gelebt hätte), nahm alle bereitwillig auf Reisen in die USA um 1880 und in europäische Länder mit. Er berichtete über lebensbedrohliche Krankheiten, gesundheitsschädigende Nikotinsucht und gar ausschweifende Alkoholgenüsse, sprach über Sitte und Moral, zwischeneheliche Spannungen, Seitensprünge nach Depressionen, Davos als Kurort mit wenigen Hotels und Haufen von Wolldecken, Schreibstau, Entstehung der «Schatzinsel», Verfassen absolut drittklassiger Trivialliteratur, eine pharaonenhaft grossen Schlafsack, der selbst dem transportierenden Eselchen zu viel wurde, Freuden und Leiden des Robert Louis Stevenson, das Können der Stevenson-Dynastie als Leuchtturm – Ingenieure, ...
Es war einfach unermesslich reichhaltig, was da alles zwischen zwei Buchdeckeln zusammengekommen ist – ein Konglomerat an Zusammengeschustertem, Recherchiertem, Erfundenem, Vermutetem, Logischem. So vieles war scharfsinnig zielgerichtet, anderes wieder kaum auf die Reihe zu kriegen. Aber alles fügt sich: Verrücktheiten, Liebschaften, Scheidung und Wiederfindung, Krankheit und Heilung, Dauerwohlstand ohne Finanzlöcher, Reiselust, luxuriöses Leben, schriftstellerischer Erfolg nach sehr wackeligem Karrierenstart, Unlust, divenhaftes Getue, fanatisches Suchen nach dem sagenumwobenen Kirchenschatz von Lima.
Capus begann mit warnendem Unterton über Schatzsucher und tausendfach verkaufte, immer gefälschte Schatzkarten, kam aufTechniken der Schatzsuche ab Pickeleinsatz, Auffahren der Bulldozer bis hin zu esoterischem Beschwören zu reden. Er zählte auf, wie zuweilen über sagenhafte Schätze berichtet wird und alles trotz weltmedialer Aufmerksamkeit versandet. Beispiele gibt es viele. Lange und sehr ausführlich widmete er sich Robert Louis Stevenso und dessen Clan. Robert Louis taugte nicht als Leuchtturmingenieur. Er war stets auf der Suche nach andern Fakten, die er literarisch verarbeiten wollte. Nur – sein Geschreibsel war so grottenschlecht, dass es niemand lesen wollte. So protokollierte er eben seinen Alltag, detailliert, langweilend. Capus ist sich sicher, dass über die Paddeltouren nichts notiert wurde – aber ist das wichtig? Auf einer Reise ins Innere Frankreichs gerät Stevenso in eine Künstlerkolonie und lernt dort Fanny Osbourne kennen. Der Grundstein fürs spätere Schicksal ist gelegt. Capus schildert die Charaktere so detailliert, liebenswürdig.
Robert Louis Stevenson wurde dank seiner «Schatzinsel» weltberühmt. Sie entstand innerhalb von wenigen Wochen – unterbrochen von jenem Schreibstau in der Aroser Zeit.
Cocos Island, Samoa, andere Kontinente, verrückte Meerreisen, Costa Rica, spanische Seefahrer, tropische Inselwelt samt kräftezehrenden klimatischen Bedingungen, Haltbarkeit von Erbeutetem, Tierwelt auf Inseln samt Rattenhorden, Ausbreitung des europäischen, rotäugigen, auf tropischen Inseln von hinten angreifendes Hausschweins, Feuerameisen, das Auftauchen des verrückten Deutschen August Gissler samt Gattin (beide aus Remscheid), Fanny Osbournes Kinder Lloyd und Belle zogen im Schnellzugtempo vorbei. Am Schluss musste das Schicksal des Osbourne Clans rassig geschildert werden. Die meisten starben an Hirnschlag, der Clan löste sich in alle Winde auf.
Und schon war Zeit für den herzlichen Schlussapplaus und das Enteilen aufs Bähnchen ins Tal, in dessen Mitte Capus sass und sich nach Olten heimführen liess.
Schatzsuche, Reichtum und Geflunker
Es ist schon eine feine Sache, wenn man gastfreundlich empfangen wird, sich sofort gemütliche Gespräche ergeben und die Vorfreude auf Kommendes spürbar wächst – schliesslich ist Alex Capus da; auf der kleinen Bühne im BSINTI Braunwald, vor den grossformatigen Winterbildern des genialen Fotografen Hans Schönwetter.
begnadeter Erzähler und Schriftsteller. (Bilder: p.meier)
Alex Capus (links) im Gespräch Hansruedi Frei von Baeschlin littéraire.