Die Vorfreude war gross, und nach zwei «Theaterstunden» verliess man den Aufführungsort dennoch mit einer Enttäuschung. Im Vorfeld war nämlich bekannt geworden, dass nach zwanzig Jahren gemeinsamem Auftreten und rund tausend Ausführungen unwiderruflich Schluss sei. Noch ganz lange hätte es an weiteren Spielorten mit der geistreichen, kecken, quirligen Art, mit dem klugen Mix aus Wortwitz, musikalischem und mimischen Reichtum derart weitergehen können, wie es im Kunsthauskeller Glarus der Fall war.
In hellstem Licht erstrahlte die kleine Bühne, als sich Schertenlaib & Jegerlehner aufmachten, das Publikum in ganz besondere Welten zu entführen, dies mit riesigem Wortwitz und geschickt-gekonnt gesetzten Pointen, kurzweiligen Dialogen und Kommentaren zu eben Gehörtem und viel Musik. Noch so gerne liess man sich mittragen. Beide waren sie bühnenwürdig gewandet, dunklere Kleidung für den Schlagzeuger und Hofpoeten Schertenlaib und hellere Farbtöne für den Ansager, Akkordeonisten, Trompeter, Begriffe gnadenlos ausreizenden und weiterspinnenden Jägerlehner.
Vom schwitzenden Schweizer war einleitend die Rede, es wurde zum Bereich Liebe gewechselt. Man erfuhr, wie aus Versen plötzlich eine Ferse mit wuchernden, aufplatzenden Pusteln wird, wie laut das zuweilen tönt und schrecklich «grüüsig» sein muss – derart, dass sich entgegenkommende Passanten und nahe wohnende Nachbarn echt gestört fühlen.
Man hatte Erbarmen mit dem Schiffsmann, der mit dem Schiffshorn so traurig zu tuten wusste, seine Liebste irgendwo am Bodensee verschwinden sah, dafür den absolut verkaterten Jägerlehner in einer Kneipe am Hafen traf.
Das Herz als Pumpe, als Objekt der körperlichen Störungen, als Zentrum ärztlicher Abklärungen, als Auslöser gestenreich untermalter Aussagen lernte man aus einer neuen Optik kennen – im Schertenlaib & Jägerlehnschen Stil.
Aus dem Trip in US-amerikanische Städte samt Drogen, Liebe Musik und Kater wurde nichts. Der so wunderbar schmachtende Sänger vergass total, dass man sich bloss irgendwo an einem See im Tessin befand.
Die vergnügliche Reise führte weiter, betraf so vieles aus dem Alltag, hob Dinge hervor, die höchstens en passant beachtet werden. Es handelt sich beispielsweise um dahinfaulendes Gemüse, es sind Würste, die dank langem Lagern sogar selbsttätig zum Kunden wandern und ihren Platz im Schaufenster verlassen. Und zwischendurch darf der persönliche, so liebgewonnene Hit mit «Ich ha mis Härz verlore» nicht fehlen. Holzkellen dienen als extrem schwungvoll bediente Rhythmusgeber, sind Therapiegegenstände, die jeden noch so verkrümmten Rücken wieder fit machen. Die Trompetenklänge sind derart, dass sie dem beinahe haarlosen Schlagzeuger immer näher rückt und sich festsaugt.
Irgendwann ist es Zeit für den Tango aus Finnland. Irgendwann wird ab Kanzel verkündet, was sich ergeben habe, tiefsinnig, beschwörend, riesig poetisch, umrahmt vom Eingangs- und Schlussspiel des Bruders Schertenlaib. Jägerlehners stimmliche Kunst ist so vielfältig wie der bunteste Blumenstrauss dieser Erde.
Es wird über das «Lädelisterben» berichtet, übers Fusionieren samt Einfluss der Grossen. Man erfährt, wie Haare derart spriessen und gepflegt sein wollen, dass jeder Coiffeur mit Bearbeiten kaum mehr nachkommt.
Dann tituliert der eine den andern als Vogel, fragt, welche Art am ehesten zutreffe. Es wird gepfiffen, gestikuliert, es entwickelt sich ein Dialog der gar besonderen Art. Es ist ein vergnügliches, witziges Hin und Her, gekonnt und temporeich, mit bühnengerechter Leichtigkeit serviert.
In so viele Belange unseres Alltags wurde man entführt, vergnüglich und elegant angeboten war alles. Man liess sich riesig gerne verwöhnen und bedauerte den Abschluss der ungemein witzig und geistreich arrangierten Fülle zahlreicher Geschehnisse.
Verdient lange und wertschätzend waren Beifall samt anschliessender Zugabe – sogar mit einem kleinen Feuerwerk. Es blieb ein klein wenig Zeit zum Verweilen an der Bar des Kunsthauskellers, bevor es wieder raus in den gewohnten Alltag ging und der Möglichkeit des persönlichen Weiterspinnens und Ausschmückens eigener Erfahrungen – unter Zuhilfenahme von Poesie, Gestenreichtum, Rhythmus und ein klein wenig Musik.