Schnee von gestern

Nicht nur die Temperaturen versprachen, sich frühlingshaft zu entwickeln, auch die Stimmung war schon zu Beginn angeregt wie selten. Selbst der Landratspräsident war kurz vor Glocke noch in angeregte Diskussionen vertieft.



Landratssitzung vom 09. Februar 2022. Bilder in zufällige Reihenfolge (j.huber/e.huber)
Landratssitzung vom 09. Februar 2022. Bilder in zufällige Reihenfolge (j.huber/e.huber)

Barbara Rhyner stellt namens der SVP-Landratsfraktion Ablehnungsantrag zur Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung, da das Thema Versorgungssicherheit nicht aufgenommen wurde. Sie verweist auf die kritiklose Aufstockung des Energiefonds aus purem Opportunismus. «Wir pflanzen Versprechen in die Köpfe der Bevölkerung.» Es sei unehrliche Politik, so zu tun, als ob damit der drohende Energiemangel im Winter abgewendet werden könne. Franz Landolt findet es dagegen nur mehr als richtig, dieses «globale Thema» aufzunehmen und verwies auf die «kleine Erhöhung» des Energiefonds, welche Flexibilität schaffe, um wirksame Massnahmen zu ergreifen. In der Abstimmung setzt sich die Verfassungsänderung gegen die Stimmen der bürgerlichen Fraktion durch, denn Grün-Mitte zeigte Geschlossenheit. Ob aus Opportunismus oder Überzeugung? Wer weiss.

Energiegesetz – die Zweite

In der ersten Lesung zum Energiegesetz hatte man den Energiefonds auf Antrag der Mitte aufgestockt. Kommissionspräsidentin Susanne Elmer Feuz beantragte Ablehnung der Änderungen aus der 1. Lesung. «Sie haben mich an der letzten Sitzung ratlos gelassen.» Dass die vorher einstimmige Kommission ihre Meinung derart ändere, empfinde sie als Rückenschuss. Denn es seien keine Fakten, keine sachlichen Argumente, welche zur drastischen Aufstockung geführt hätten. «Es ist ein Affront gegen die Steuerzahler, bei einer Erhöhung von 5 Millionen Franken von moderat zu sprechen.» Samuel Zingg als Präsident der Finanzaufsichtskommission hatte sich zwar entschieden, wegen der detaillierten Aufstellung der Vorlage keinen Mitbericht zu machen. Persönlich sei ihm mehr Geld für Klimaschutz wichtig, er werde sich aber enthalten, da er sich vorstellen könne, dass diese fünf Millionen anderweitig effizienter eingesetzt werden könnten.

Was interessiert mich …

… meine Meinung von gestern? Vier von acht Kommissionsmitgliedern, welche diese Fassung zustimmend verabschiedet hatten, hatten in der 1. Lesung ihre Meinung geändert. Deshalb beantragte Roland Goethe, die zweite Lesung zu diesem Gesetz auszusetzen. So eine Wende der Kommissionsmitglieder stelle die Arbeit der Kommission prinzipiell in Frage. Insbesondere sei es unanständig, die Präsidentin der Kommission nicht zu informieren. Doch mit 26 zu 31 Stimmen geht es weiter mit der Behandlung. Urs Sigrist hält namens der Mitte/ GLP fest, die Verantwortung liege auch beim aufgestockten Fonds beim Regierungsrat. So habe dieser das Impulsprogramm zum Heizungsersatz bei den Fördermassnahmen aufgenommen. Heinrich Schmid will am Kommissionsantrag festhalten. Was hier geschehe, so Schmid, sei scheinheilig. Regula Keller dagegen spricht sich – namens der einstimmigen Grünen-Fraktion – für die weitere Erhöhung auf. Es lohne sich in den nächsten 10 Jahren mehr Geld in die Hand zu nehmen, das senke langfristig die Kosten.

Rückweisen und überprüfen?

Emil Küng stellt namens der SVP-Fraktion Rückweisungsantrag an die Regierung, damit diese beurteile, ob der Einsatz der erhöhten Mittel zweckmässig sei. Dadurch könne man zur sachlichen Diskussion zurückkehren. «Die eingesetzten Mittel sind – ob von Kanton oder Bund – Steuergelder.» Sabine Steinmann unterstützt namens der SP-Fraktion die Erhöhung. Der Klimawandel müsse abgefedert werden, es sei wichtig, alle im Boot zu haben – das bedeute, die Massnahmen auch sozialverträglich auszugestalten. Beat Noser rechtfertigt die Erhöhung mit dem einschneidenden Beschluss der Landsgemeinde zum Ersatz der fossilen Heizsysteme. «Dadurch erhöhen sich die Schulden, insbesondere älterer Leute, welche ihre Heizung ersetzen müssen. Es werden grosse Investitionen auf die Leute zukommen.» Man müsse damit rechnen, dass viel mehr Gesuche gestellt werden, deshalb brauche es einen höheren Rahmen. Albert Heer beantragt namens der FDP-Fraktion die Unterstützung der Rückweisung. «Es entstehen dadurch viele offene Fragen, welche neu beurteilt werden müssen.» Laut Emil Küng ist die politische Diskussion zu den Folgen des Landsgemeindeentscheids auch noch nicht geführt. Karl Stadler nimmt jene in Schutz, welche bei der Schlussabstimmung in der Kommission ja sagten und im Plenum dagegen kämpften. Man solle das Geschäft so – also mit den erhöhten Fondseinlagen – der Landsgemeinde überweisen. Für Toni Gisler wiederholt sich hier die Diskussion zum Energiegesetz, es gelte, ehrlich zu bleiben und auch finanziell einen sauberen Tisch zu machen. Die Haltung der Mitte sei scheinheilig.

Das Gewicht der Mitte

Martin Landolt verwehrt sich gegen Toni Gislers Vorwurf der Scheinheiligkeit. Die Mitte tue das, was die Landsgemeinde bestellt habe. Regierungsrat Kaspar Becker dagegen bittet namens des Gesamtregierungsrates um Zustimmung zur Kommissionsfassung des angepassten Energiegesetzes – also mit einer Einmaleinlage von 10 Millionen Franken sowie 770 000 Franken für die folgenden 10 Jahre, und nicht – wie von Sigrist und der Ratsmehrheit gefordert – von 12 Millionen und 1 Million jährlich. Die Vorlage sei gut abgestimmt, der finanzielle Rahmen sei durch den Gesamtregierungsrat intensiv diskutiert worden. Man habe eine Verdoppelung der Mittel gegenüber vorher beschlossen. Und er wehrt sich gegen eine Rückweisung. Denn dann drohe der Fonds vollständig ausgeschöpft zu werden, bis man eine neue Aufstockung habe. Also müsse man jetzt an die Landsgemeinde, um ihn wieder aufzustocken. In den Abstimmungen schliesslich bestätigt sich der abzusehende Schulterschluss von Mitte-Links-Grün, aktuell steht da auch eine Zahl: die 33. Wie versprochen enthält sich Samuel Zingg bei der Abstimmung Kommissionsvariante gegen Antrag Sigrist. Also wird mit 32:25 Stimmen (statt 33) die beantragte Aufstockung des Fonds angenommen. Der Rückweisungsantrag Küng an den Regierungsrat wird – fast identisch – abgelehnt, mit 33:25 Stimmen. Die Bereinigung von Absatz 2a, beantragt von Sigrist und Steinmann, wird mit 24:33 Stimmen angenommen – der Regierungsrat kann also Ertragsüberschüsse in den Energiefonds einlegen. In der Schlussabstimmung dieselben 33 Pro-Stimmen aus Mitte/GLP, SP und Grün, die 15 Nein der SVP und 9 Enthaltungen sowie ein Nein aus der FDP.

Nach der Pause

Die Verordnung über die Gebühren im Zivilrecht wird in zwei Minuten stillschweigend durchgewinkt. Priska Müller Wahl beantragt namens der Kommission, das neue Kinderbetreuungsgesetz anzunehmen. Es sei ein Plus für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Spielgruppen der Gemeinden könnten unkompliziert gestärkt werden. Es sei ein schlankes Gesetz, welches genügend Gestaltungsspielraum lasse. Matthias Schnyder plädiert namens der SVP – mit verhaltener Begeisterung – für Eintreten und Zustimmung. Die SVP anerkenne die Notwendigkeit der Vorlage. Laut Cornelia Bösch wurden «mit der Vorlage wurden Lösungen für bestehende Probleme gefunden. Die gesamte Mitte/GLP-Fraktion ist für Eintreten und Zustimmung.» Das Gesetz trage zur Standortattraktivität bei. Sarah Küng setzt sich namens der SP-Fraktion für Eintreten und Zustimmung ein. «Wir sind froh, dass die gemeindeübergreifende Krippenfinanzierung ins Gesetz aufgenommen wurde.» Auch Christian Marti gibt namens der FDP-Fraktion grünes Licht für Eintreten und Zustimmung, das tut auch Nadine Landolt namens der Grünen-Fraktion. Die Vorlage unterstütze im Bereich Tagesfamilien auch Familien mit besonderen Bedürfnissen und mit unregelmässigen Arbeitszeiten. Für Regierungsrat Markus Heer ist die Vorlage ein Paradebeispiel dafür, dass sich Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht ausschliessen. Sie schaffe ein breites und gutes Angebot bei der Unterstützung insbesondere berufstätiger Frauen. Zu Artikel 13 meldet sich Kaspar Krieg zu Wort und beantragt, dass die Kosten für die ersten drei Jahre, also das Vorschulalter, voll durch den Kanton übernommen werden. Kommissionspräsidentin Priska Müller Wahl und Regierungsrat Markus Heer argumentieren, sowohl Tagesstrukturen als auch Krippen seien Verbundaufgaben. In der Eventualabstimmung unterliegt der Antrag Krieg mit 31:19 Stimmen mit sieben Enthaltungen. Das Geschäft unterliegt einer zweiten Lesung.

Digital werden mit Portal

Nun ging’s aufs zweite Schlachtfeld des Tages. Kommissionspräsident Luca Rimini stellte das Gesetz über die digitale Verwaltung und auch den Rahmenkredit von 2 Mio. Franken vor. Es solle keine spezielle Glarner Lösung entwickelt, sondern eine bereits bestehende Portallösung integriert werden. Die Informatikdienste von Kanton und Gemeinden sollten zusammengeführt werden. Aufgrund des Zusammenschlusses würden keine neuen Stellen geschaffen, sondern die Arbeitsstellen würden von Glarus Hoch 3 übernommen. Es brauche aber – aus Sicht der Kommission – keine Finanzhilfen für die Digitalisierung, mit 2 Mio. Franken würden sich auch kaum Impulse setzen lassen. Es soll eine neue Fachstelle (150 000 Franken) geschaffen werden und es sollen drei IT-Projektleiter angestellt werden. Die Kommission fordere die vierjährliche Berichterstattung an den Landrat. Beat Noser beantragt namens Mitte/ GLP dasselbe. Der Papierweg solle aber für Privatpersonen weiterhin zur Verfügung stehen. Karl Stadler beantragt namens der Grünen-Fraktion Eintreten, allerdings mit gewissen Zweifeln, insbesondere, ob die Verwaltung und die Bevölkerungen in zwei Jahren dafür bereits bereit seien. Namens der FDP spricht sich Christian Marti fürs Eintreten ein – die Vorlage sei ein dynamischer Digitalisierungsimpuls. Es brauche beide Vorlagenteile, also das Gesetz über die digitale Verwaltung wie auch den Rahmenkredit von 2 Millionen, um das zu finanzieren. Thomas Tschudi unterstützt namens der SVP diese Vorlage, da sie die Synergien nutze und gleichzeitig dem Landrat Einflussmöglichkeiten gebe. Der technologische Fortschritt biete Chancen, Tschudi befürwortet aber, dass der Mehrwert der geschaffenen Stellen auch regelmässig überprüft werde und es brauche keinen neuen Subventionstopf, um das zu finanzieren. Christian Büttiker unterstützt namens der SP-Fraktion Eintreten – um die Digitalisierung komme man nicht herum, aber es dürfe keine Zweiklassengesellschaft von Analogen und Digitalen geben. Die 2 Millionen Franken für die Förderung der Digitalisierung brauche es, insbesondere auch sinnvolle Projekte, die sie voranbringen. Landesstatthalter Benjamin Mühlemann verweist auf den Übergang vom Zeitalter der Industrie zu jenem der digitalen Innovationen, welche Kanton und Gemeinden mitgestalten wollen. Es sei überfällig, hier gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Man könne damit das Bürgerportal aufbauen, bis möglichst alle Behördendienstleistungen digital verfügbar seien, wo man sich einfach zurechtfinde. Doch es brauche auch die Entwicklung der Organisation, also eine Fachstelle, welche den Wandel in der Verwaltung begleite, und es brauche Artikel 18: «Lassen Sie den Förderartikel im Gesetz. Er steigert die Innovationskraft des Glarnerlandes und schafft mehr Standortattraktivität. Wenn schon eine Digitalisierungvorlage, dann diese auch kreativ ausgestalten.»

Schlechter Zahn?

Zu Artikel 4 beantragt Mathias Zopfi namens der Mehrheit der Grünen-Fraktion, Artikel 4 zu streichen – das sei ein schlechter Zahn. Die Digitalisierung komme zu schnell, da sie auch eidgenössischen Vorlagen vorgreife. «Es gibt finanzielle, technische und Verfahrensrisiken.» Er nennt die elektronische Zustellung von Behördenbescheiden. Das Gesetz führe einen Zwang ein, z.B. für juristische Personen im Umgang mit Behörden – also auch für Vereine oder 1-Mann-GmbHs. Peter Rothlin wehrt sich gegen den Streichungsantrag Zopfi – es sei bereits Usus, was hier eingeführt werde. Laut Landesstatthalter Benjamin Mühlemann will der Regierungsrat hier den konsequenten Weg gehen. Der Artikel sei ein Ansporn an die Unternehmen, etwas in digitale Entwicklung zu investieren. Der Streichungsantrag Zopfi unterliegt mit 44 zu 11 Stimmen – der Zahn bleibt im Gesetz.

Finanzhilfe an Private

Bei Artikel 18 fragt Dominique Stüssi nach Beispielen für eine Anschiebefinanzierung. Christian Marti beantragt namens der FDP-Fraktion eine Neugestaltung des Artikels, wobei Punkte b und c gestrichen werden und a verbleibt. Die Förderung sei das Herz der Digitalisierung, es solle schlagen und dem Regierungsrat ein flexibles Instrument zur Innovationsförderung und zur digitalen Transformation in die Hand geben. Beat Noser ist ebenfalls unklar, was gefördert werden soll. Das Geld solle besser in die Bildung investiert und innovative Ideen durch das DVI gefördert werden. Peter Rothlin unterstützt namens der SVP-Fraktion die Streichung des Artikels 18. Er bezieht sich auf die Fonds für die Förderung der digitalen Bildung und auch auf die bereits umfangreichen Förderungen aus verschiedensten Quellen, die Mittel seien also bei Frau Landammann Marianne Lienhard und beim DVI vorhanden. Rothlin zeigt sich erstaunt über die Argumente von liberaler Seite. Er sehe hier nur politischen Aktivismus, denn Unternehmer brauchten keine Hilfe für den Weg in die digitale Zukunft. Kommissionspräsident Luca Rimini verweist auf den grossen Spielraum, den das Gesetz bietet. Wie von FDP-Seite verlangt, seien innovative Projekte schon immer gefördert worden, dies brauchte im Artikel auch nicht mehr festgelegt werden. Christian Marti verweist auf die Zweckbindung der Gelder des DVI, etwa in der neuen Regionalpolitik oder beim Tourismus. Landesstatthalter Benjamin Mühlemann sagt, es sei nicht matchentscheidend, welche Fassung des Artikels reinkomme, sondern dass er reinkomme. «Vorbild ist das Modell des Kantons Graubünden.» Es gehe im Artikel um Finanzhilfe an Private für Projekte, welche einen Mehrwert generieren, die Standortattraktivität stärken oder Arbeitsplätze schaffen – wie digitales Marketing, digitalen Plattformen von Bauern und Gastronomen oder eine Gemeinschaftspraxis, welche für abgelegene Gegenden eine digitale Sprechstunde anbietet. In der Abstimmung setzt sich der Antrag der Regierung mit 30 zu 26 Stimmen zwar gegen den Antrag der FDP durch, doch dann beschliesst der Rat im Sinne der Kommission mit 29 zu 24 Stimmen bei vier Enthaltungen, Finanzhilfen an Private zu streichen. Alle anderen Artikel geben nicht mehr zu reden und das Geschäft geht in die zweite Lesung.

Der Verpflichtungskredit über 10,57 Mio. Franken für landwirtschaftliche Direktzahlungen für die kommenden vier Jahre, vorgestellt von Kommissionspräsidentin Priska Müller Wahl, genehmigt. Die nächste Landratssitzung findet am Mittwoch, 23. Februar, statt.