Schweiz und Litauen – eine unbekannte Beziehungsgeschichte

Zuweilen rücken Staaten, deren Geschichte und Bewohner, für einen Moment näher zusammen, Erinnerungen hinterlassend. Mit einem ganz besonderen Abend wurden Interessierte unlängst konfrontiert, dies dank Gastrecht der Buchhandlung Baeschlin in Glarus und auf Initiative von Vilma und Daniel Zbinden.



Die Titelseite des neu erschienenen Buches. (Bilder: p.meier) Die wenigen Besucher in angeregtem Gespräch. Daniel Zbinden begrüsste und führte ein. Dr. Judith Lewonig
Die Titelseite des neu erschienenen Buches. (Bilder: p.meier) Die wenigen Besucher in angeregtem Gespräch. Daniel Zbinden begrüsste und führte ein. Dr. Judith Lewonig

Gast war Dr. Judith Lewonig, Spezialistin des Baltikums und Autorin des neuen Bandes «Schweiz und Litauen – 15 000 Jahre Beziehungsgeschichte – Eine chronologische Übersicht». Mit unermüdlichem Eifer, immenser Beharrlichkeit und spürbarer Freude am Suchen, Zusammentragen und Gliedern von Fakten aus verschiedensten Archiven kam eine Sammlung zusammen, die sich über mehr als 150 Seiten erstreckt und eine unermessliche Fülle an Informationen enthält; eine Fülle, die erst mal gelesen sein will.

Sie handelt schwergewichtig von den zumeist unbekannten, aber vielschichtigen Beziehungen zwischen Litauen und der Schweiz, beginnend mit den Funden von Baltischem Bernstein in der Nähe von Bern – dies um 13 000 v. Chr.; und ins Heute hinführend mit Hinweisen zu Schweizer Lesesälen in Vilnius und Kaunas. Und was alles dazwischenliegt, konnte die munter und liebenswürdig argumentierende Autorin mit reizendem österreichischem Sprachreichtum lediglich in verständlicher Knappheit aufzeigen. Das Buch versteht sich als Bestandesaufnahme von bisher unbekannten, unveröffentlichten Archivdokumenten, als Ausgangspunkt fürs Hineinlesen und spannendem Suchen nach leicht Bekanntem – wie beispielsweise die wenigen Hinweisen zu Glarnern, die in Litauen sesshaft wurden, an Hochschulen, in Spitälern oder als Käser und Melker wirkten oder die in der Schweiz studierenden Litauer, die Klosterschwestern in Ingenbohl und anderes.

An der Gesamtheit von Ausländern gemessen sind es nur kleine Gruppen, die in einem der beiden Länder lebten und wirkten. Die Lektüre ist für jene interessant, die sich mit ganz Speziellem vertiefend befassen wollen, die Neues erfahren möchten. Das gesamte Geschehen ist parallel in deutscher und litauischer Sprache wiedergegeben. Die Vielzahl der Kapitel und deren Inhalte kommen einer Fundgrube gleich, die man nur zu öffnen braucht, um alsdann in Fakten einzutauchen, gezielt das rauszunehmen, was einen interessiert. Die Auswahl wird einem nicht leicht gemacht. Unter «Bernsteinsensationen» sind Namen wie Münsingen, die Mozart-Strasse in Zürich, das Konzil von Konstanz, Aegidius «Gilg» Tschudi, Johannes von Winterthur oder die Schlacht bei Tannenberg aufgeführt. Es schliessen Hinweis zum Buchdruck, Korrespondenz, Streit und Bekenntnis an. Da sind unter anderem das Zweite Helvetische Bekenntnis, Georg und Johannes Radziwill, Calvin und Johannes Stumpf enthalten. Preussens Fürstentum Neuenburg; Preussisch-Litauen; Joachim Legler; Tessiner Universal-Barockbaukünstler im Grossfürstentum Litauen; Zuckerbäcker; Gelehrte und Fabrikanten gehören zu weiteren Kapiteln. Man kann Informationen über Gelübde, Franz Brenner, Annemarie Schwarzenbach, das Rösslitram, Memelland, Heimschaffungen, kirchliche Schwestern, Emil Winteler, den Diplomatischen Dienst, Bilder, die Nasenflöte, Botanikerfamilien, Sport, grenzüberschreitende Freundschaften, Literaturpreise Stiftungen und die Kurzfassungen der Geschichten beider Länder auswählen; erfahrend, dass einige Schweizer litauische Namen annahmen. So wurde aus Emil Winteler Emilis Vinteleris. Zu Ehren eines anderen Schweizers (Juonas Eretas) wurde sogar eine Briefmarke herausgegeben.

Für Judith Lewonig war es alles andere als einfach, aus dieser Fülle allgemein Interessierendes, Wissenswertes in den Vordergrund zu rücken. Und zu dieser Fülle gehören Vilma und Daniel Zbinden, die im litauischen Text zur Foto Vilma ir Danielis Zbindenai heissen. Und sie waren es, die dieses Begegnen in der Buchhandlung Baeschlin initiiert hatten und denen bereitwillig Gastrecht gewährt wurde. Es war dann auch Sache von Daniel Zbinden, alle gleichermassen herzlich zu begrüssen, fürs Entgegenkommen vonseiten der Buchhandlung nachdrücklich zu danken, aufs literarische Schaffen in Litauen hinzuweisen Kulinarisches zu erwähnen, das beim Apéro angeboten war. Das waren ein litauischer Baumkuchen, Moosbeeren- und Honigschnaps, alles vernünftig portioniert.

Man blieb bei sehr angeregten Gesprächen noch lange beisammen und manch einer entschied sich im Stillen, mal nach Litauen zu reisen und dort Ferien zu verbringen.