Seemännisches zur Weihnachtszeit

Dem Seemannschor Oberer Zürichsee, dessen Titel ist «Thetis Crew», gehören auch Glarner an. Wohl aus diesem Grunde kam es unlängst zu einem stark besuchten Auftritt in der Kirche Netstal. Warum sich fast authentisch agierende Seeleute grad den Oberen Zürichsee als gemütvoll stimmende, von immenser Harmonie geprägte Bleibe ausgesucht haben, bleibt im herbstlichen Nebel verborgen.



Die Mitglieder des Seemannchors «Oberer Zürichsee». (Bilder: p.meier)
Die Mitglieder des Seemannchors «Oberer Zürichsee». (Bilder: p.meier)

Helfend war vielleicht die Geschichte über den seeverrückten Jungen aus Hamburg, der unbedingt Kapitän werden wollte, aber den Weltmeeren fernblieb und auf der seefahrtechnisch nicht so anspruchsvolle Strecke Zürich–Rapperswil zu navigieren begann. Auch wenn im Begriff «Thetis» die abgeleitete Bezeichnung für Ozean verborgen ist und nach der Kollision der gewaltigen Erdteile Indien und Afrika mit Eurasien nur noch das östliche Mittelmeer übrig blieb, erinnert die «Thetis»-Crew an jene urtümliche Zeit, während der vielleicht Delfine und Schwäne Gesänge anstimmten und – dem Fischerlatein seis gedankt – unter Umständen an Weihnächtliches dachten. Die Mitglieder des Seemannchors und einfühlend begleitende Akkordeonisten und Mundharmonikaspieler hatten gemäss Vorankündigung unter «Weihnachten auf hoher See» ein Repertoire mit festtäglichem Liedgut einstudiert. Der Aufmarsch in Matrosenbekleidung samt Kopfbedeckung auf die mit unübersehbar grossen Leuchten und einem Steuerrad beim Dirigentenpult dekorierten Bühne vor der Kanzel war würdige Einstimmung. Lieder und deren Inhalte wurden in träfer Weise angekündigt. Gleichermassen herzlich wurden alle willkommen geheissen. So begab man sich gedanklich auf See, den Arbeits- und Lebensraum fast aller Matrosen. Man vernahm, dass der Heilige Nikolaus Schutzpatron der Seeleute sei, dass jegliches Singen Sinn mache, dass die Reisen bis zum Südpol führen – es wurde mannigfaltiges Seemannsgarn gesponnen. Die Sängerschaft, mit ihnen auch die verschiedenen Solisten, gestaltete einfühlend, auf die zuweilen besinnlichen, dann wieder hochdramatischen Inhalte klug eingehend.

Es wurde mit hin und wieder gleichbleibender Dynamik, in eher gemächlichen Tempi gesungen. Das gestattete ein für viele willkommenesstark applaudiertes Verharren in Romantischem, Beschaulichem. Das Liedgut gedieh zum andachtsvollen, innigen Schwärmen. Nur wenige Liedtitel nahmen Bezug auf das weihnächtliche Geschehen. Vielmehr liess man sich von Kapitänen auf lange Reisen mitnehmen, hörte sich Ausführungen zu Schätzen des Orients und merkte, dass Freddy Quinn und Hans Albers unter anderem mit derartigem, viele berührendem Liedgut Karriere machten, und dass jener Quinn, im September 1931 als Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl in Wien zur Welt kam und während sieben Jahren in den USA aufwuchs. Und der 1950 unter seinem Künstlernamen Auftretende seine Tourneen in Deutschland startete. Heimwehlieder machten ihn bekannt, brachten Seemannschöre vielleicht auch «auf den Geschmack», es einem der Erfolgreichen gleichzutun. Die getroffene Liedwahl bewährte sich mit anderen Stücken bestens, führte bei den genussreich Hinhörenden zu anerkennendem, verdientem Beifall. Martin Kaelin, seine Gesangsgemeinschaft fordernder Dirigent, genoss spürbar, mit grosser Leidenschaft, mit. Mit seinem Dirigat schien er die Liedtexte beinahe zu modellieren. Seine Intentionen wurden in berührender Art aufgenommen und umgesetzt. Mit Mundharmonika und Orgelbegleitung – zuweilen etwas unpräzise und «flatterig» – wurde das Ave Maria ab Empore interpretiert.

Mit weiteren Liedern wurde man wiederum in eine Welt voller Pathos, Wehmut, Sehnsucht und Traum entführt. Es folgte eine langfädige, mit allen Details einer stark weihnachtsverdächtigen Handlung versehene Geschichte – samt Seerettung, Geburt auf hoher See, sofortigem Helfen eines Arztes, der aufs kaum mehr steuerbare Schiff gar heldenhaft wechselte – und oh Wunder – ein Weihnachtsbube zur Welt kam. Mehrstimmige Lieder wie «Weihnacht im Hafen», «Leise rieselt der Schnee» und anderes leiteten zum Verabschieden – samt berechtigt erklatschten Zugaben. Und ein weihnächtliches Geschenk machten die Interpretierenden dem Glarner Rollstuhltaxi und dem für Behinderte offenen Ferienheim «Zigerstöggli» in Hätzingen. Der Reingewinn wurde in grosszügiger Weise hälftig den beiden Institutionen zugesprochen.