Dass man einmal erblinden könnte, ist eine Realität, die zum Alter gehört wie z.B. Hüftarthrose.
In gewissem Rahmen sind solche Alterserscheinungen normal und von krankhaften Veränderungen zu unterscheiden. Aber genau aus diesem Grund wenden sich viele erst spät an einen Augenarzt.
Nur wenige Menschen kommen blind zur Welt oder erblinden in jungen Jahren. Dass das Risiko, im Alter zu erblinden, deutlich höher ist, zeigen folgende Zahlen: In der Gruppe über 70 sind mehr als 9% der Bevölkerung nicht mehr in der Lage, ohne normale Hilfsmittel wie Brille oder Lupe zu lesen. Bei den 80-Jährigen sind es schon mehr als 20% und bei den über 90-Jährigen sogar gegen 50%. Wenn man erst im Alter mit einschneidenden Sehproblemen konfrontiert wird, ist es sehr herausfordernd, den Alltag zu bewältigen. Denn man weiss nicht, was auf einem zukommt und das löst verständlicherweise Ängste aus. Aber Angst ist im Leben kein guter Ratgeber und erst recht nicht im Alter.
Im Alter eine Sehbehinderung erfahren –
oder mit einer Sehbehinderung das Alter erfahren
Humorvoll und mit Reminiszenzen von Weggefährten vermittelte Bernhard Fasser, sogar taubblind, einen Einstieg ins Thema, dessen Ziel es war, zu vermitteln, wie mit einer Behinderung und erst recht mit einer Sehbehinderung ein Leben erfolgreich ablaufen kann.
Das Gehirn spielt die Hauptrolle beim Sehen. Es macht aus den elektrischen Impulsen aus dem Auge überhaupt erst Bilder. Dabei nutzt es auch bereits gespeicherte visuelle Informationen und ergänzt Fehlendes («Filling-in»). Das ist ein normaler Prozess des Gehirns. Es führt aber dazu, dass bei Gesichtsfeldausfällen keine weissen oder schwarzen Flecken anzeigen, was man nicht sieht, sondern das Bild undeutlich und unscharf, aber ganz wirkt.
Schweizweit sind rund 380 000 Menschen sehbehindert oder blind. Im Glarnerland sind das rund 1600 Leute, wovon 160 Vollblinde. Aber wo sind sie? Warum verstecken sie sich? Warum suchen sie nicht den Kontakt wie die für die kleine Region «Elite»-Blinden, wie Fasser sich und seine Veranstalter nennt? Und alle mit ihrer eigenen Geschichte. «Wenn eine Sehbehinderung droht, ist der Erhalt der Gehfähigkeit und das Pflegen sozialer Kontakte sehr wichtig und alle prophylaktischen Massnahmen müssten getroffen werden», so Tausendsassa Fasser.
Mit einer Begleitung einkaufen ist eine grosse Hilfe, aber auch sozial wertvoll, denn beim Einkaufen lässt sich auch angenehm plaudern, was allein zuhause schwierig ist.
Nur weil es anstrengend ist und organisiert werden muss, ist es eine schlechte Idee, nicht mehr an Veranstaltungen teilzunehmen oder sich nicht mehr mit Freunden zu treffen. Zu oft allein führt zu Vereinsamung und das ist ein Risiko für eine Altersdemenz. «Mauern können nicht hoch genug sein, übersteigen kann man sie immer», so der dipl. Physiotherapeut.
Tatsache einer Sehbehinderung wird vielfach verdrängt
Fast 25 Jahre lang hat Christina Fasser die Geschicke von Retina Suisse, der grössten Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Retinitis Pigmentosa, Makuladegeneration, Usher-Syndrom und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen geleitet. Als profunde Kennerin des Blindenwesens gab sie in ihrem Kurzreferat Einblick in die Hauptursachen einer Sehbehinderung. Dazu gehören altersabhängige Makuladegeneration (AMD), grüner und grauer Star, diabetische Netzhauterkrankung bis hin zur Netzhautablösung. Viele der Betroffenen können es nicht akzeptieren, dass sie nie mehr scharf sehen werden. Manche Menschen können diese Tatsache überwinden, andere schummeln sich durchs Leben, um z.B. ihren Job nicht zu verlieren. Daher sollten ab 40 die Sehorgane mindestens alle zwei Jahre untersucht werden. Bei Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder familiärer Disposition sogar noch regelmässiger. «Es gibt einen Weg in die Blindheit», so Christina Fasser, «nutzen Sie den persönlichen Kontakt zu den Beratungsstellen, nutzen Sie die technischen Hilfsmittel und nehmen Sie am gesellschaftlichen Leben teil».
Zur Behinderung stehen, dann ist ein erfülltes Leben trotzdem möglich
«Eingeständnis braucht Kraft und Mut, denn mit einer Sehbehinderung oder Blindheit entstehen weitreichende und wechselwirkende Folgen auf physischer, psychischer und psychosozialer Ebene und beeinträchtigen die kognitiven Leistungen», so Helene Zimmermann, Sozialwissenschaftlerin. In ihren Worten verwies sie auf die Wichtigkeit eines guten Umfeldes und vor allem Bewältigungsstrategien. «Strategien, die helfen, mit negativen und problematischen Entwicklungen umzugehen. Wer sich mit dem Thema auseinandersetzt und sich fragt: Was kann ich selbst tun, um meinen Alltag so gut wie möglich weiterzuführen, der ist schon auf einem guten Weg. Denn: hilflos ist nur der Blinde, der keine Hilfe annehmen kann».
Zum Abschluss bestand die seltene Möglichkeit, dass sich Angehörige und Menschen, die im Alter mit einem Erblindungsrisiko behaftet sind, Informationen von den im Leben eindrücklich bewiesenen Podiumsteilnehmer/-innen Fritz Bolliger; Susanne Gasser, Lilian Bischofberger, Annemarie Heinze, Christina und Bernhard Fasser, Helene Zimmermann und Luca Bischofberger holen konnten.













