Das Landestheater Tübingen hat sich diesmal mit dem „Kaufmann von Venedig“ eines der komplexesten und meistgespielten Stücke William Shakespeares ausgesucht. Die moderne Inszenierung mit aktuellem Bezug vermochte viele Zuschauer zu überzeugen, liess aber auch etliche mit Zweifeln zurück, die lieber eine konventionelle gehabt hätten.
Zwei Hauptmotive
Einerseits ist da in Venedig der Kaufmann Antonio, der seinem Freund Bassanio mit einem Darlehen über 3000 Dukaten unter die Arme greift und dafür dem Juden Shylock ein Pfund Fleisch aus seinem Körper verpfändet, und andrerseits der Landsitz Belmont mit seiner Herrin Portia, deren Hand Bassanio gewinnt. Antonio, der sich seiner Geschäfte sicher ist, kann den Kredit nicht zurückzahlen, und in einer ebenso spannenden, wie komödiantischen Gerichtsverhandlung vollzieht sich die Wendung: Portia, verkleidet als Advokat, überlistet Shylock mit einem formaljuristischen Trick – sie gesteht Shylock ein Pfund Fleisch zu, aber ohne Blut zu vergiessen –, und Antonio kommt frei.
Moderne Inszenierung
Die Kostüme waren modern und stammten aus der Geschäftswelt, Antonio kam als Geschäftsmann daher. Der Jude Shylock war in dieser Interpretation ein Moslem. Die Szene, in der Portias Bewerber eines von drei Kästchen auswählen müssen, um sie heiraten zu können, war in eine moderne Spielshow mit Moderator und Vokal-Perkussion verwandelt. Zudem waren kritische Anmerkungen über den Bau der Grossmoschee in Köln sowie über die Islam- und Integrationsdebatte in Deutschland eingefügt. Die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan bei seinem Deutschland-Besuch wurde kritisiert, und die „Multikultiillusionisten“ wurden erwähnt, ebenso die nicht zur Explosion gekommenen Kofferbomben von Kiel. Dies alles gesprochen in ein Mikrofon vor der Bühne, während sie sich im Hintergrund ständig drehte und die Schauspieler eine Party feierten. Alles in allem eine aktuelle, moderne und süffige Inszenierung dieses Stücks aus dem Jahre 1600.