Simone Kermes und Cappella Gabetta in Linthal

Dass Simone Kermes und die Cappella Gabetta mit Konzertmeister Andrés Gabetta in der für sie abgelegenen evangelischen Kirche Linthal auftreten würden, hatten sich nur ganz kühne Träumer herbeigewünscht. Dass dies zur erfüllenden Wirklichkeit wurde, hatte man den kreativ und kenntnisreich Organisierenden der Musikwoche Braunwald zu verdanken. Was an kleineren und grösseren Kostbarkeiten bereitwillig verteilt wurde, lässt sich kaum in Worte fassen, die dem Gebotenen gerecht werden.



(Bilder: peter meier)
(Bilder: peter meier)

Und wenn mit dem Schluss des Konzerts begonnen wird, erfolgt das sehr bewusst. Die riesige Fülle und Dauer des herzlichen Beifalls waren Ausdruck des verdienten Danks vonseiten der Zuhörenden. Dank für das meisterhafte, brillante, stimmungsstarke Spiel aller Instrumentalisten; Lob für die ansteckend fröhliche Art der Sopranistin Simone Kermes und ihre ergreifend schönen, wechselvollen Interpretationen; Würdigung und Anerkennung für Konzertmeister Andrés Gabetta, den so kunstvoll und virtuos ausgestaltenden Barockviolonisten. Was im Verlaufe des gesamten Begegnens angeboten war, erwies sich als Fülle wundersamer musikalischer Schönheiten, bestehend aus spannenden, gefälligen, ungemein reizvollen Eigenwilligkeiten, glanzvollen Lichtpunkten und riesiger Ausstrahlung.

Simone Kermes erklettert mit ihrer Gesangskunst höchste Höhen, rutscht blitzschnell in tiefe Lagen, verziert mit traumhafter Leichtigkeit und Eleganz, versteht zu suchen, zu träumen, jubiliert unbeschwert einher, schäkert mit irgendjemandem aus dem Publikum, verströmt so viel Herzlichkeit und Charme, hat unbestreitbaren Hang zu Theatralischem, kann sich melodramatisch geben. Den Reichtum all dieser Begabungen durfte man in Linthal so unmittelbar, riesig erfüllend erleben, in sich aufnehmen. Arien aus Mitridate von Nicola Antonio Porpora (1686 – 1768), von Tomaso Albinoni (1671 – 1751), Johann Adolph Hasse (1699 – 1783) und andern Komponisten aus diesen Jahren waren angekündigt. Aus diesen Titeln wuchsen wahre Gemälde, in einer beinahe überbordenden Üppigkeit und innigen Schönheit.

Und während des Ausgestaltens ist die Sopranistin in intensivem Kontakt mit den Orchesterleuten, charmant, direkt, einnehmend. Diese Eleganz wird aufgenommen, ist vom ersten Klang an einbezogen. Die Mitglieder der im Jahre 2010 gegründeten Cappella sind hochbegabt, aufeinander hervorragend eingespielt, meisterlich im Ausspielen der zartersten Piani bis hin zum wuchtigen, schmetternden Forte. Leidenschaft, Können und Eleganz der Sopranistin sind in diesem Gestalten würdig eingebettet. Es wird mit enormer Präzision und hoher Musikalität interpretiert, so unnachahmlich schön.

Andrés Gabetta stellt sein hohes musikalisches Verständnis und die immense Spielkunst im Satz «Der Sommer» aus Vivaldis «Vier Jahreszeiten», später in einem Satz aus Telemanns «Wassermusik» und in «Tempesta di Mare» von Lorenzo Gaetano Zavateri (1690 – 1764) dem staunenden, stark Anteil nehmenden Publikum in makelloser Schönheit vor, von seinem Orchester einfühlend und perfekt begleitet.

Es war ein ungemein schönes, inhaltsstarkes Begegnen, mit ungekünstelter Herzlichkeit, bereitwilligen Zugaben – und dem Kauf von CDs, die im «trauten Heim» am einen oder anderen Ort nochmals Erinnerungen aufklingen lassen.