Sind die Feuerwehren im Kanton Glarus für den Katastrophenfall gerüstet?

Das Interview respektive die Tour d’Horizon mit Oberst Martin Bäbler, Leiter Intervention der glarnerSach und Feuerwehrinspektor des Kantons Glarus führte unser freier Mitarbeiter Hans Speck.



Tour d’Horizon mit dem Kantonalen Feuerwehrinspektor Oberst Martin Bäbler (Bilder: hasp)
Tour d’Horizon mit dem Kantonalen Feuerwehrinspektor Oberst Martin Bäbler (Bilder: hasp)

Im Zusammenhang mit den verheerenden Unwetterkatastrophen vergangenen Sommer in der Bundesrepublik Deutschland, in Belgien, Frankreich, Österreich, aber auch in der Schweiz sind verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem Katastrophenschutz im Kanton Glarus aufgetaucht. Bei diesen Fragen wollten wir von unserem höchsten Glarner Feuerwehrmann und Kantonalen Feuerwehrinspektor Oberst Martin Bäbler wissen, ob unsere Blaulichtorganisationen, insbesondere die Feuerwehren in unserem Kanton, für solche Katastrophen wie im vergangenen Sommer, ausbildungsmässig, personell und materiell gerüstet wären. Wir sprechen hier von Ereignissen, die sich im Kanton Glarus unter gewissen Umständen, vielleicht nicht gerade in solchen Ausmassen, ebenfalls ereignen könnten. Feuerwehrinspektor Bäbler hat in verdankenswerter Weise sämtliche Fragen bereitwillig und transparent beantwortet, wofür wir ihm herzlich danken. Nachstehend das Interview:

glarus24.ch: Ist eine Unwetter-Katastrophe mit Folgen, wie sie die Bevölkerung in den vergangenen Tagen und Wochen in unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich sowie in Belgien erlebt hatten, in unserem Kanton auch möglich? (Information)

Martin Bäbler: Dies ist von den Niederschlägen, der Bodenbeschaffenheit und Sättigung sowie der Geländestrukturen und Topographie abhängig. Grundsätzlich sind solche Katstrophen oder Grossereignisse überall auf der Erde möglich.

glarus24.ch: Sind die Feuerwehren im Kanton Glarus für einen ähnlichen Katastrophenfall wie in Deutschland, Bayern oder Österreich materiell und personell gerüstet? (Prävention)

M. Bäbler: Eine Katastrophe kann nur im Verbund aller Einsatzkräfte angegangen werden. Die Feuerwehren sind auf Grossereignisse ausgerichtet. (Eine Stufe vor der Katastrophe)

glarus24.ch: Gibt es bereits erkannte Schwachstellen in Bezug auf Information/Prävention)?

M. Bäbler: Die Zusammenarbeit innerhalb der Einsatzformationen laufen im Kanton Glarus sehr gut. Der Verbund aller Kräfte wird gemeinsam wenig trainiert. Da gibt es sicher noch Potenzial, ist aber aufgrund der Miliztätigkeit eher schwierig. (betrifft Intervention). Bei der Prävention werden die Einsatzpläne WIP laufend angepasst und bauliche Schutzvorhaben werden unterstützt.
WIP = Wasser-Interventions-Pläne

glarus24.ch: Wurden mögliche Katastrophen-Szenarien mit den Feuerwehren und mit anderen Blaulichtorganisationen und Hilfsorganisationen z.B. Militär, Zivilschutz und Entsorgungs- und Wiederherstellungs-Organisationen (subsidiär evtl. durch Militär und Zivilschutz) schon geübt? (Prävention/Intervention)

M. Bäbler: Im Turnus zwischen 3 bis 5 Jahren findet im Kanton der Kurs «Führung Grossereignisse» statt. Dieser wird von allen Blaulichtpartner besucht. Teile der Feuerwehrkader besuchen die schweizerischen FKS-Kurse «Führung Grossereignisse». An diesen werden Stabsrahmenübungen mit genau solchen Einsatzszenarien durchgespielt.
Dazu findet jährlich im Februar eine Absprache- und Weiterbildungsrapport zusammen mit dem Kader der Blaulichtformationen, Rega und fallweise Zivilschutz und andere technische Bereiche statt. Aufgrund dieses Rapports wird ein Behelf «Führung im Grosseinsatz» jährlich nachgeführt.
FKS = Feuerwehr Koordination Schweiz (www.feukos.ch)

glarus24:ch: Besteht im Kanton Glarus nebst den Vorgaben des BABS ein kantonseigenes Einsatzkonzept bei einem Katastrophenfall? (Prävention)

M. Bäbler: Ja, der Einsatzbehelf «Führung im Grosseinsatz» (aktuell in Überarbeitung). Dazu gibt es von der FKS und anderen Organisationen entsprechende Führungsbehelfe.
Für «Katastrophen» gibt es keine Vorlagen, da dies eine Verkettung von verschiedenen Grossereignissen ist. Diese sind aber nicht planbar. Dazu gibt es Wasserinterventionspläne (WIP) für jede Ortschaft, weiter gibt es im Bereich der Naturgefahren auch noch Lawinen-Interventionspläne (LIP).

glarus24:ch: Wenn Ja, wie sieht dieses Konzept konkret aus?

M. Bäbler: Die Feuerwehren arbeiten nach den oben beschriebenen Führungsbehelfen. Die anderen Einsatzformationen nach ihren eigenen Unterlagen. Die Koordination läuft über den Bevölkerungsschutz und dem kantonalen Führungsorgan.

glarus24.ch: Wie wird die Bevölkerung im Kanton Glarus bei einem Katastrophenfall alarmiert? (Information)

M. Bäbler: Dies ist Aufgabe des Bevölkerungsschutzes. Dazu dient der Sirenenalarm (jährlicher Test jeden ersten Mittwoch im Februar).

glarus24.ch: Bekanntlich wirft man den Behörden in Deutschland schwere Unterlassungssünden vor allem in Bezug auf die Alarmierung, beispielsweise sie hätten zu spät, falsch oder gar nicht reagiert. Könnte sowas auch bei uns im Glarnerland passieren? (Information)

M. Bäbler: Im Gegensatz zu der BRD bestehen in der Schweiz über die ganze Fläche Sirenen, welche über ein eigenes Sicherheitsnetz oder von Hand ausgelöst werden können. Dazu wird immer eine entsprechende Radiomeldung mit Verhaltensanweisungen versendet. (Aufgabe Bevölkerungsschutz)

glarus24.ch: Gibt es ein Alarmierungs-App speziell nur für den Kanton Glarus oder ist ein solches in Arbeit? (Prävention)

M. Bäbler: Nicht speziell für den Kanton Glarus, aber über das «Alertswiss App». Dieses ist sehr zu empfehlen und eignet sich für die schnelle Verbreitung von Warnungen.

glarus24.ch: Kann die Bevölkerung des Kantons Glarus (auch die ohne Mobiltelefon) rasch und innert Minuten alarmiert werden? (Information/Intervention)

M. Bäbler: Wie schon erwähnt, ist das die Aufgabe des Bevölkerungsschutzes, welche mittels Sirenenalarm die Bevölkerung alarmiert.
Für abgelegene Gebiete gibt es ein SMS-Service und mobile Sirenen sowie Lautsprecherfahrzeuge.

glarus24.ch: Wie schnell kann alarmiert werden und wer ist für die Alarmierung in solchen Fällen zuständig? (Intervention)

M. Bäbler: Innert wenigen Minuten via der kantonalen Notrufzentrale der KAPO, dazu gibt es noch weitere redundante Systeme.

glarus24.ch: Stehen dem Kanton Glarus kurzfristig genügend Ersteinsatzmittel personell und materiell bei solchen Ereignissen zu Verfügung?

M. Bäbler: Ja, wir erfüllen vor und nach der Umsetzung des Projekts NOVA die Schutzzielvorgaben der FKS.

glarus24.ch: Was stehen den Feuerwehren in solchen Fällen für Einsatzmittel zur Verfügung? (Intervention)

M. Bäbler: Die üblichen Feuerwehr-Einsatzmittel. Weiter gibt es Checklisten von Bauunternehmungen, Transportunternehmungen, Landwirten und weiteren Betrieben, bei welchen kurzfristig «schwere» Mittel angefordert werden können.

glarus24.ch: Das neue Konzept NOVA sieht vor, aus Kostengründen nebst anderem auch den Personalbestand der noch bestehenden Feuerwehren wie schon bei FUTURA nochmals zu reduzieren. Die Erfahrungen der letzten Woche nicht nur im Ausland, sondern auch hier in der Schweiz, haben aber definitiv ein Bild aufgezeigt, welches in Bezug auf die Anzahl der Einsatzkräftebei eher in die Gegenrichtung steuert. Unisono bekräftigen Einsatzleiter vor Ort, dass es im Katastrophenfall essenziell ist, dass schon zu Beginn des Ersteinsatzes genügend Einsatzkräfte vorhanden sein müssen. Kann der Feuerwehrinspektor diese Aussage bestätigen? (Information/Intervention)

M. Bäbler: Ja, die Feuerwehren sind auf ihre Kernaufgaben ausgerichtet und erfüllen vor und nach der Umsetzung des Projekts NOVA die Schutzzielvorgaben der FKS.
Beim Elementareinsatz ist vielmehr das Aufgebot schwerer Baumaschinen und Abwehrmittel im Fokus. Einzelne Einsatzkräfte mit Schaufel und Pickel sollten sich nicht unnötig selber in Gefahr begeben.

glarus24.ch: Führen solche personellen Reduzierungen bei den Blaulichtorganisationen, sprich Feuerwehren, nicht eher zulasten der Sicherheit der Bevölkerung?

M. Bäbler: Nein, da die geforderten Schutzziele eingehalten werden müssen.

glarus24.ch: Ist die Sicherheit der Bevölkerung bei solchen ausserordentlichen Elementarereignissen, wie wir sie kürzlich gehabt haben, trotz NOVA auch in Zukunft gewährleistet? (Information)

M. Bäbler: Diese Frage kann ich mit einem überzeugten JA beantworten! Ein Vergleich mit dem Unwetter-Einsatz in Diesbach zeigte, dass rund 105 Angehörige der Feuerwehr über die ganze Zeit verteilt (nicht gleichzeitig) im Einsatz standen. So stünden auch nach NOVA immer noch weitere 445 Angehörige der Feuerwehren für andere Einsätze zur Verfügung.

glarus24.ch: Weiss die Bevölkerung im Kanton Glarus, was zu tun ist, wenn es einmal zu einer ähnlichen Katastrophe kommen sollte wie in der Eiffel? (Prävention)

M. Bäbler: Zum Thema «Natur- und Elementarereignisse» gibt es Infos vom Kanton und den Gemeinden in Form von Flyer, Broschüren oder über Medien und diversen Homepages usw. (Aufgabe Bevölkerungsschutz)

glarus24.ch: Hat die glarnerSach genügend Vorkehrungen getroffen, die Bevölkerung über das richtige Verhalten bei Naturkatastrophen aufzuklären?

M. Bäbler: Dies ist ein laufender Prozess! Wir unterstützen auch Private bei ihren «baulichen» Schutzmassnahmen für ihren Naturgefahrenschutz (Beitragsreglement). Zudem wird im Geschäftsbericht und Kundenmagazin sowie laufend auf Sozial Media über das Thema informiert.

glarus24.ch: Was wurde seitens der glarnerSach in diese Richtung bis heute schon unternommen?

  • Kurswesen auf Gefahren ausgerichtet
  • Informationen an Kunden (siehe oben)
  • Mitarbeit in den Blaulichtgremien und Führungsstäben
  • Betrieb der Alarmierungssysteme und redundanten Systemen
  • Unterstützung der Kunden bei der Versicherung
  • Unterstützung der Kunden mit Beiträgen für bauliche Massnahmen
  • Mitwirkung beim Baubewilligungsverfahren
  • Unterstützung der Löschwasserversorgung
  • Betrieb und Unterhalt sowie Veröffentlichung der Daten unserer 18 Wetter-Meteo-Stationen
  • Anschaffung kantonale Einsatzmittel und Abwehrmittel
  • Unterstützung bei der Ausarbeitung der Wasserinterventionspläne (WIP)
  • Beiträge an Feuerwehren
  • Und vieles mehr

Weitere Fragen zu diesem Thema können von Vertretern des Bevölkerungsschutzes des Kanton Glarus beantwortet werden.