Sitzläder – in der Beiz und anderswo

Strohmann und Kauz, das sind der Oltner Rhaban Straumann und der Berner Matthias Kunz als Senioren, aus dem Altersheim weggedriftet und in ihrer ehemaligen Stammbeiz Platz nehmend, gaben sich auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus im «Schwert» Näfels die Ehre. Es wurde in einer belebenden Verquickung zahlreicher Erlebnisse, Erfahrungen und Vermutungen gespielt. Was die beiden ungemein schlagkräftig argumentierenden Senioren so durchlitten, mitgeprägt und ausgelebt haben, ist für «Normalsterbliche» kaum als Ganzheit erfassbar.

 



Sitzläder – in der Beiz und anderswo

Da wird in zuweilen rasantem Tempo von einer Szene zur anderen gewechselt, dann wieder sind es die altersbedingte Vergesslichkeit und Zerstreutheit, die zu einer Aktivierung der Lachmuskeln führen. Keinesfalls ist das aber oberflächliches, billiges Erzählen und Rumkramen in irgendwelchen Alltagsbegebenheiten.

Das Rentnerduo Ruedi und Heinz agiert willkommen wirblig, zuweilen bärbeissig, wenn erforderlich mit grosser Empörung, übt sich in Nostalgie, bleibt in bewegenden früheren Zeiten samt Fakten hängen, tritt – falls regiegebunden (Anna-Katharina Rickert) in einer Buntheit auf, die von einem Seniorenduo nie und nimmer erwartet werden kann. Bis sich die am Stammtisch mal hingesetzt haben, vergeht einige Zeit. Tod, Vergesslichkeit, Rumhocken und Nichtstun, geschweige denn nerventötende Langeweile sind Erlebniswelten, die im wirbligen Leben definitiv keinen Platz, ja keine Existenzberechtigung haben. Das begreift man, je weiter die Geschehnisse ins kabarettgebundene Geschehen eingebettet sind.

Wie war das früher – vor unzähligen Jahren – in der Stammbeiz? Ruedi und Heinz, geraten nicht eben ins Schwärmen, wenn sie über gelöcherte Konservendosen mit seltsam riechenden Inhalten, Kochkünste, Menükompositionen der doch sehr ungewohnten Art, das Verhalten des Personals, die Gewohnheiten und Untugenden anderer Gäste, ihre Hobbys, eine Reise nach Paris samt Amusements mit nicht ausformulierten Erlebnisbreiten und anderes ihre Gedanken austauschen. Es tauchen die Namen weiterer Personen auf, Winnetou, Verveine oder die Serviertochter Agnes sind da zu erwähnen, wie später Charlotte – oder war es Chantal? Die beiden können sich nicht so genau einigen.
Absolut vergnüglich wird es, wenn Runtergefallenes hochzuheben ist, wenn ein Genosse aus früheren Zeiten mit wildestem Ausdruck und Flinte auftaucht, wenn aus dem Off zu hören ist, wie man sich unfreiwillig in die Standuhr reingesperrt hat, wenn ein anderer das zugesperrte Klo nicht verlassen kann, vor dem Öffnen des Kühlschranks nachhaltig und überdeutlich gewarnt wird, wenn sich eine rasante Unterhaltung mit dem superwichtigen Architekten anbahnt. Und wenn man von jenen Pillen hört, die im Vorbeiweg aus dem Aufenthaltsraum des Personals mitgenommen wurden, hofft man, dass die der weiterführenden Gesundheit der Senioren dienlich sind.

Es ist kein Stück für ein Duo. Ruedi und Heinz treten zuweilen in anderer Kleidung und szenengebunden Momenten auf. Es werden Geschehnisse aneinandergereiht, die im Damals und Heute spielen, die damit auch längst Verflossenes und Gegenwärtiges zum Inhalt haben. Mauerbau, Geschichtliches, Freizeit, England, Palästinenser, soziale Medien, Handhabung der neuen Techniken, Ernährungsgewohnheiten – es wird ein Mix ausgespielt, der es in sich hat, eine gewisse Wandlungsfähigkeit bedingt. Da bieten sich keine Schwierigkeiten. Ruedi und Heinz meistern das mit schauspielerischer Eleganz und bühnenwirksamem Getue. Es ist zuweilen aufgesetzte Dramatik, dann wieder Alltagsgetue, das in vergnüglichen, durchaus unterhaltsamen Wechseln ausgespielt wird. Man begegnet dem Tod, dem wortreichen Spekulanten, dem ichbezogenen Architekten, dem keuchenden Jäger, dem ewig Hungrigen, der endlich mal essen möchte, dem flippigen Andi, der so nonchalant an allem was fordert, vorbeikurvt – da wurde aus der «Trickkiste» vieles herausgeholt, was sich zum Ganzen fügte.

Es gab berechtigt starken Applaus samt liebenswürdigen Zugaben, Kurzgesprächen beim Ausgang, Verweilen im bestens betreuten «Schwert», den Kauf von CDs und Literatur – also nochmals ein «volles Programm», natürlich samt Informationen zu Kommendem, das zu gegebener Zeit wieder angekündigt wird.