Songs, ja keine US-Politik – Tom Russell in Glarus

Dass der US-Amerikaner Tom Russell mit Maestro Max De Bernardi in der kleinsten Hauptstadt unseres Landes und erst noch in einer Kulturbuchhandlung auftreten und das «ausverkaufte Haus» restlos begeistern würden, war eine Verquickung von schlicht und einfach beglückenden Begebenheiten.



(Bilder: p.meier)
(Bilder: p.meier)

Alles geriet zu einem Verwöhnprogramm auf höchstem Level, dank zweier Interpreten, die bis zum letzten Gitarrenton aufeinander hervorragend abgestimmt sind, trotz hoher Professionalität mit spürbarer Freude auf der Bühne agieren. Ihr musikalischer Reichtum, das beseelte, bewegende Spielen und Kommentieren in breitestem «Amerika – Englisch», die Einladung zum knappen Mittun übertragen sich auf die begeisterten Zuhörer, Mitswingenden, stark Anteil Nehmenden. Sie kamen aus vielen Teilen der Schweiz, sogar aus Süddeutschland angereist, hatten die verfügbaren Plätze im Nu besetzt.

Christa Pellicciotta, Geschäftsführerin der Kulturbuchhandlung «Wortreich» im Abläsch Glarus, hatte sich gar feierlich gekleidet, man empfing sie bei ihrer Ansage in lieblichem Englisch mit herzlichem Applaus. Und dann war es Zeit für Tom Russell und seinem Begleiter Maestro Max De Bernardi. Tom Russells «Markenzeichen» waren unübersehbar mit Country und Folk verbunden, als da sind: Breitkrempiger Hut, Sonnenbrille, neckisch rotes Halstuch, breitbeiniges Dastehen und elektrisch verstärkte Gitarre, zudem im Hintergrund auf einem kleinen Tischchen einheimische, alkoholfreie absolut glarnerische Getränke aus dem Sernftal. Neben ihm, von kleinerer, weniger breiten Statur mit T-Shirt, Tatoos auf den Armen und natürlich ebenfalls mit Gitarre, Max De Bernardi. Es wurde rasch spür- und hörbar, dass sich im Publikum viele Fans der Bühnengäste befanden, dass sie die Inhalte der Lieder bestens kannten, am Gespräch ab Bühne kenntnisreich und in breitestem Englisch (das war für die Form dieses Unterhaltens beinahe unabdingbar) lebhaft teilnahmen, auf Fragen eingingen und die von Russell offensichtlich erwarteten Erwiderungen zurückgaben. Es war eine fundierte, beseelte Einführung in diesen Teil der amerikanischen Kultur, die von kraftvollen Liedern aus dem Leben der einfachen Arbeiter, der Indianer, von Genuss, Abstürzen, Alkohol, Liebe und Leidenschaft, Herzschmerz und schicksalsschwangeren, gar vielfältigen Begegnungen handelt. Und die Musik kommt vieldeutig, kraftvoll, deutungsreich und poetisch, mit starkem Akzentuieren, eingängigen Harmonien, schwungvoll, dann wieder voller Sehnsucht daher. Man lehnt sich zurück, klatscht, schwingt im Innern unwillkürlich mit. Es geht friedlich, sehnsuchtsvoll, zuweilen leicht dramatisch, dann wieder träumerisch, voller Schönheit zu und her. Man fühlt sich einbezogen, gepackt vom mitreissenden, abwechslungsreichen Ausgestalten, dass nicht nur den Kenner der Szene begeistert. Da ist eine Kulturform nähergebracht worden, die – so Tom Russell – fern jeglicher Politik und damit unweigerlich verbundener Problematik und Polemik sei. Und das war mehr als willkommen, drang in viele Seelen ein, um dort hoffentlich lange zu verbleiben.

Tom Russell aus Texas wurde in einer Vorschau als Songwriter-Legende bezeichnet, die seit 40 Jahren unterwegs sei, rund 30 Tonträger bespielt habe und sich zwischen Country, Folk, Jazz und Tex mex kenntnisreich bewege, mit viel Humor und knappstem Deuten vieles auszusagen vermöge. Er erwies sich als begnadeter Erzähler, der um den Erfolg seiner Pointen und die vielfältigen Inhalte seiner ebenso weit fassenden Musik weiss und damit Werte vermittelt, die in Heutigem so etwas wie genussreiches, willkommenes Innehalten bedeuten. Er erzählte so zwischendurch von Stationen vieler Tourneen, sei das nun Toronto, Zug, Schottland, Texas, Mexiko oder ein anderer Punkt im Irgendwo. Er weiss – und das zu Recht – dass er erwartet wird, dass seine Botschaft ankommt, bleibt. Zu diesem Vermitteln und gekonnten Interpretieren kommt Maestro Max De Bernardi, der riesig stark mitgestaltende Bluesgitarrist aus Milano. Er weilte auch schon im «Wortreich». Wie sich Russell mit vielen der selbst geschriebenen Songs und De Bernardi ergänzten, sich in kurzen Soli ablösten, Rhythmen und Akkorde so richtig fezzig ausspielten, ist schwierig, adäquat zu würdigen. Lebensfreude samt ungemeinem Klang- und Wortreichtum waren liebe Gäste. Das war ein wahres Paket an heraufbeschworenen Geschehnissen, Jubel, Kraft, Stil- und Spielsicherheit, gegenseitig Vergnüglichem, hoher Präzision und variierendem musikalischem Reichtum.

Dass der Genussfaktor bei den Gästen auf der Bühne einen guten Stellenwert hat, ein weiblicher Gast zum Mitsingen eingeladen wird, mitreissende Rhythmen, Rückblicke auf Geschehnisse um 1960, Neckisches zu Melanie Oesch und Mike Jagger, Begegnungen mit Bob Dylan, Geistliches, Witziges zu Hells Angels, die sich für einmal auf Vespas fortbewegen und mehr oder weniger Tiefsinniges, grosse Ehrlichkeit und Authentizität dieses Begegnen so sympathisch wachsen liess, wird wohl fast einmalig bleiben und dann nachklingen, wenn in den eigenen vier Wänden ein Tonträger das Wiederhören vermittelt.

Und im «Wortreich» wird es bald in gleichermassen bewegender, interessanter Weise weitergehen. Am 11. Februar sind Norbert Schneider und seine Band mit Blues, Soul, Pop und vielen Überraschungen zu Gast.