Souveräner Souverän

Vier Stunden dauerte die Gemeindeversammlung vom Freitag, 20. November, von Glarus Nord, die in der Linth-Escher-Halle Niederurnen – auch wegen der abgesagten Frühlingsgemeinde – 25 Traktanden behandelte. Die Stimmberechtigten schrieben am Schluss ihre Telefonnummer auf den Stimmrechtsausweis – falls ein Contact Tracing nötig würde.



An der vierstündigen Versammlung von Glarus Nord verhielt sich der Souverän diszipliniert und zeigte Augenmass. (Foto: FJ)
An der vierstündigen Versammlung von Glarus Nord verhielt sich der Souverän diszipliniert und zeigte Augenmass. (Foto: FJ)

«Wänn Si wänd, dass es en Abstimmig git, müend Si da vürä chu und das verlange», so erklärte Thomas Kistler den «Landsgemeindemodus», der bei mehr als der Hälfte der Traktanden dazu führte, dass sie ohne Wortmeldung angenommen werden konnten. Trotzdem war diese Versammlung für Glarus Nord lebenswichtig, es brauchte mehr als 10 Mio. Franken für Verpflichtungskredite zu Bau- und Sanierungsprojekten – insbesondere beim Reservoir Paradiesli in Beglingen, bei der Bahnhofstrasse Näfels sowie bei der Kanal- und der Oberrütelistrasse in Mollis: «Wir wollen die Sanierungen machen, wenn Sie einverstanden sind.»

Wahlen und Rechnungen

In den Verwaltungsrat der lintharena ag wurden Marco Rimini, Mollis, und Richard Eberhard, Niederurnen, in globo gewählt. Für Fridolin Staub, der neu Gemeinderat ist, wurde Rolf Stöckli, Ziegelbrücke, als neuer Präsident der GPK bis 2022 gewählt, als neues GPK-Mitglied wurde Andreas Lienhard, Bilten, einstimmig gewählt. Die Jahresrechnung 2019 der Gemeinde wurde angenommen. Sie schliesst besser, als das 2018 bewilligte Budget vorsieht, weil die Steuereinnahmen um mehr als 3 Mio. Franken höher waren, resultiert ein Ertragsüberschuss von 443 398 Franken. Das operative Ergebnis von 4,1 Mio. Franken Überschuss erlaubte zusätzliche Abschreibungen – etwa auf der Liegenschaft lintharena sgu, hier wurden 2,8 Mio. Franken abgeschrieben, d.h. diese Liegenschaft wird die Steuern nicht mehr belasten. Der Eigenkapitaldeckungsgrad beträgt 63,9%, das Nettovermögen 401 Franken/Einwohner oder 7,4 Mio. Franken. Das waren 2018 noch 19 Mio. Franken gewesen. Der Souverän genehmigte die Jahresrechnung, die Nachtrags- und Zusatzkredite, die Projektabrechnungen und nahm Kenntnis von den Kreditüberschreitungen.

Die selbstständigen Anstalten

Ohne Wortmeldung passierte die Jahresrechnung 2019 der APGN (Alters- und Pflegeheime Glarus Nord), welche VR-Präsident Fritz Noser vorstellte. Die Taxeinnahmen waren höher als das Budget, der Personalaufwand im Budget, die Abschreibungen über Budget. «Wir konnten die Kosten Haus Fronalp zum grossen Teil aus eigenen Mitteln finanzieren – deshalb resultiert ein tieferer Finanzaufwand.» Es kamen 1092 Bewohner mehr als im Vorjahr. «Das erforderte Mehrleistung der Mitarbeitenden, wir haben sie mit einer einmaligen Auszahlung am Erfolg partizipieren lassen.» Etwas mehr zu reden gab der Antrag der Gemeinde, zusätzlich zur ordentlichen Gewinnablieferung weiter 500 000 Franken aus dem Gewinn der TBGN (Technische Betriebe Glarus Nord) an die Gemeinde zu überweisen. Verwaltungsratspräsident Adrian Weitnauer konnte vom Abschluss des ElCom-Verfahrens berichten und präsentierte die neu aufgestellte Rechnung 2019. «Wir schreiben langsamer ab. Dadurch werden die Gewinne höher. Der Umsatz ging zurück, durch Verzicht auf interne Verrechnungen. Der Gewinn beträgt 3,008 Mio. Franken. (Das sind rund viermal mehr als 2018). Die stillen Reserven werden offengelegt, der Gewinn daraus sind 59,395 Mio. Franken.» So bekam die Gemeinde einen Viertel des Gewinns – also 750 000 Franken. Ende Oktober wurde Herbert Wanner, Vorsitzender der Geschäftsleitung und organisiert sie neu. «Er wird», so Weitnauer, « die IT-Kompetenz in den TBGN richtig aufbauen, denn davon ist zu wenig vorhanden. Es gibt also einen Reset und Restart. Das wird uns noch eine Weile begleiten.»

Keine Zusatzablieferung

Andreas Zweifel, Niederurnen, beantragte namens der FDP Glarus Nord, Ziffer 2 des Antrags abzulehnen, es gebe für die zusätzlichen 500 000 Franken keine rechtliche Grundlage, dieses Geld solle besser in die Energieversorgung fliessen. Adrian Hager, Niederurnen, unterstützte Zweifel namens der SVP Glarus Nord. Er nannte das einen «ordnungspolitischer Sündenfall». «Die TBGN sollten dieses Geld gemäss aktueller Eigentümerstrategie uns – als Kunden – mit Preissenkungen weitergeben.» Hans Ackermann, Mollis, Mitglied im Verwaltungsrat der TBGN, verlangte gar, diesen Antrag nicht zu behandeln. Thomas Kistler hielt dagegen: «Die TBGN gehören der Gemeinde, also kann die Gemeindeversammlung entscheiden.» Diese lehnte den Zusatzantrag des Gemeinderates ab.

Schnellzug

Für die 13 Traktanden von 7 bis 19 benötigte die Versammlung gerade mal eine Stunde, was Rekord sein dürfte. Es handelte sich um Verpflichtungskredite, welche die Versammlung ausnahmslos gewährte – ein wichtiger Schritt, denn so können diese Arbeiten 2021 auch ausgeführt respektive in Angriff genommen werden. Eine Wortmeldung gab es bei der Werksanierung Kanalstrasse/Sonnmatt, Mollis namens der GLP. Franz Landolt bekam zu den verkehrsberuhigenden Massnahmen von Thomas Kistler die Auskunft: «Die Kosten für die flankierenden Massnahmen, welche mit der Werksanierung ausgeführt werden, werden vom Kanton getragen.» Bei der Schwermetallsanierung der Jagdschiessanlage Aeschen, Näfels, verlangte Claude Diethelm Rückweisung und weitere Abklärungen. Ihm erscheinen die Kubikmeterpreise für den Ab- und wieder Hintransport des Erdreichs als zu hoch. Kaspar Krieg, Ressortleiter Liegenschaften, wies auf die bestehenden Offerten hin und argumentierte: «Wir müssen das im kommenden Jahr ausführen, sonst verfallen die Subventionen von Bund und Kanton.» Weil diese einen Grossteil der Kosten tragen, wurde die Sanierung mit wenigen Gegenstimmen angenommen. Beim Vorprojekt zur Werterhaltung Schulhaus Bilten, verlangte der Souverän auf Antrag des neu gewählten GPK-Mitgliedes Andreas Lienhard, eine Teilrückweisung mit dem Auftrag, den Ersatz der Heizung mit einer neuen Holzschnitzelheizung und einem Wärmeverbund anstelle der geplanten Luft-Wasser-Wärmepumpe zu prüfen. Lienhard bezweifelte, dass eine Wärmepumpe beim grossen und schlecht isolierten Gebäude aus dem Jahr 1961 effektiv genug wäre. Der restliche Kredit für die Photovoltaik sowie die Fenster und die Storen wurde gesprochen.

NUP II – Abstimmung bis Ende 2021

25 Minuten zu reden gab die Sistierung des NUP II-Verfahrens. Wegen der coronabedingten Absage der a.o. Gemeindeversammlung zur NUP II stellte die Gemeinde nach Rücksprache mit dem Kanton den Antrag auf Sistierung. Claudio Noser, Bilten, verlangte, dass nicht darauf eingetreten werde. «Dieses Einfrieren verletzt die Grundrechte, da sich die Sicht im Laufe der Zeit ändern könnte.» Susanne Jenny Wiederkehr unterstützte den Antrag Noser. Frank Eberhard, Mollis, sprach sich für die Sistierung aus. Er verlange aber, dass der Gemeinderat prüfe, wie man die über 100 Anträge speditiv behandeln könne und rechnete vor, dass selbst bei nur 10 Minuten pro Antrag die Versammlung 16 Stunden dauern könnte. Urs Menzi stellte den Antrag, die Sistierung bis Ende 2021 zu befristen. Der Gemeindepräsident verwies darauf, dass man die Versammlung «zeitnah» also möglichst im April 2021 durchführen wolle: «Wir wollen das möglichst schnell machen, wir wollen das behandelt haben.» Danach wurde die Rückweisung Noser abgelehnt, die Befristung Menzi entgegengenommen.

Nicht alles, was rauskommt ist Abfall

Der Totalrevision Statuten Zweckverband Kehrichtgebühren Glarnerland wurde stillschweigend zugestimmt. Doch beim Reglement Abfallbeseitigung und Gebühren, präsentiert von Sibylle Huber, gaben Plastik und «Rossböllen» zu reden. Jasmin Vogel, Niederurnen, Reiterin und Landwirtin VPULG, verlangte, die Aufnahmepflicht von Rossmist (das ist nicht dasselbe wie Hundekot) aus dem Reglement zu streichen. Ruedi Jenny argumentierte, dass der Reiter eben laut Strassenverkehrsrecht nicht einfach absteigen darf, um die «Böllen» mitzunehmen. Das erschien auch der Versammlung logisch – sie strich die Pferdeverordnung. Namens der CVP-Sektion Glarus Nord stellte Peter Landolt, Näfels, den Antrag, in Artikel 9 Grundsatz, im Absatz 7 die mögliche Gebühr für separat gesammelte Kunststoffabfälle zu streichen und mahnte: «Die Gemeinde will da eine kostenintensive Separatsammlung aufziehen, das könnte uns sehr teuer zu stehen kommen.» Für die voraussichtlichen Einnahmen von 7000 Franken im Jahr (bei 3000 Säcken zu Fr. 2.30 pro 60-lt-Sack) sei eine solche Kunststoffsammlung nicht zu haben. Thomas Tschudi, Näfels, unterstützte das namens der SVP und stellte zu Artikel 10, Absatz 2 den Antrag, dass die Gemeindeversammlung anstelle des Gemeinderates den Gebührentarif erlassen solle. Sein Argument: «Es hat eine natürliche Hemmwirkung, wenn die Gemeindeversammlung über höhere Gebühren entscheidet.» Sibylle Huber entgegnete zum Kunststoffabfall, die Gemeinde wolle sich bei den bestehenden Kunststoffsammelunternehmen einklinken, und Thomas Kistler gab zu bedenken, dass es bei den Abfallgebühren gleich sein solle wie bei Wasser und Abwasser. Doch die Versammlung nahm alle drei Anträge an, stricht die Pferde und den Kunststoffabfall und gab sich selbst das Recht, über die Tarife zu befinden. Das tat sie dann auch gleich und verabschiedete den Gebührentarif mit grossem Mehr.

Hochwasser im Perimeter

Inzwischen war es viertel vor elf und noch stand ein gewichtiges Traktandum an. Das Reglement zum Hochwasserschutz (HWS), das am 22. November 2019 zur breiteren Mitwirkung rückgewiesen worden war. Zwar relativierte Gemeinderat Bruno Gallati mit Verweis auf das neue Wassergesetz: «Was wir heute beschliessen, ist nicht in Stein gemeisselt. Der Gemeinderat will primär die überfälligen HWS-Projekte in Angriff nehmen. Er steht hinter den fünf Bachkorporationen in Glarus Nord, unterstützt sie und bringt ihnen Wertschätzung entgegen.» Aber man wolle Gleichbehandlung sowohl unter den Einwohnern, welche direkt profitieren und jenen die mitbezahlen, wie auch bei Gemeinde- und Korporationsvorhaben. Die artikelweise Beratung der 35 Artikel dauerte nochmals 45 Minuten, Gemeinderat Fridolin Staub brachte insgesamt vier Anträge vor, welche allerdings keine Mehrheiten fanden. Staub verlangte, die Artikel über Uferpflege und Gewässerunterhalt zu streichen, er wollte, dass auch die Unterhaltskosten zu den HWS-Kosten der Gemeinde gezählt werden, und er wollte den Artikel über den Perimeterplan anpassen. Gabriela Meier, Niederurnen, verlangte namens der FDP Streichung von Artikel 19 Absatz 3, weil er übergeordnetes Recht verletze und dem Landsgemeindeentscheid widerspreche. Doch auch sie kam nicht durch. Fridolin Staub wollte in Artikel 22 den Absatz 3 streichen, da auf Beiträgen wohl kaum Überschüsse entstehen würden. Zwar gab Bruno Gallati zu, dass das im neuen Reglement vorgesehene System durch diese Streichung nicht leiden würde, aber der Streichungsantrag unterlag und dem Reglement wurde ohne Änderung zugestimmt. Die letzten 10 Minuten widmete man dem Budget, welches mit steigendem Personalaufwand und sinkenden Steuereinnahmen rechnet. Heinrich Schmid, Bilten, wollte den Projektierungskredit zum zentralen Forstwerkhof zurückweisen, Kaspar Krieg setzte sich jedoch durch mit seiner Argumentation, diese Zahl drinzulassen. «Dann können wir vom Gemeinderat der nächsten Frühlingsversammlung aufzeigen, was wir wollen.» Das Budget wurde verabschiedet, Varia gab’s keine und sektorenweise wurden die Stimmberechtigten in die Nacht von Niederurnen entlassen, wo sie sich ihrer Mundschütze entledigten.