Ständig diese Angst und die Tränen

Letzte Woche präsentierte Schriftstellerin Elisabeth Häubi-Adler in der Mensa der Kantonsschule nicht nur Passagen aus ihrem Buch «Brave Mädchen fragen nicht», sondern blickte auch in ihre Kindheit während der NS-Zeit.



Ständig diese Angst und die Tränen

«Lange Zeit hat mich meine schwere Kindheit nicht verfolgt», erklärte Schriftstellerin Elisabeth Häubi-Adler letzte Woche in der Mensa der Kantonsschule in Glarus. Auch die regelmässigen Probealarme in ihrem Zuhause in der Nähe des Kernkraftwerks Gössgen lösten bei ihr lange Zeit nichts aus. «Dann plötzlich war ich wieder in einem dieser Schutzbunker und alle alten Erinnerungen waren wieder da.» Wie sie und ihre Schulkinder während des Unterrichts immer auch ein Ohr am Radio hatten, um zu erkennen, wann das alliierte Bombardement losgeht. Wie Kinder halt so seien, habe man manchmal bei einer Klausur selber einen Fehlalarm ausgelöst. «Man wählte zu jener Zeit lieber den Tod, als eine schlechte Note.» Vor dem NS-Regime sah es für die Mutter von Häubi-Alder in Österreich fast wie im Märchen aus. Verheiratet mit einem reichen Staatsangestellten, der ein Gut bewirtschaftete und in der Forschung tätig war. Der einzige und für die kommende Zeit grösste Makel; er war Jude. «Als gebildeter und politischer Mensch sah er da wohl schon früh, was auf Österreich und die Juden kommen wird.» Für die 84-Jährige war diese Angst wohl auch der Grund, dass er bereits 1935 an einem Herzinfarkt starb, mit Häubi-Adler als Baby in seinem Arm. Nach der Annektierung von Österreich galt die Mutter dann als Judenwitwe und sie selber als Mischling ersten Grades. «Auf der einen Seite gab es die zahlreichen Leute, die freudig dem Führer und den Nazis zujubelten. Und dann gab es auch meine Mutter und ihre Freunde, die ständig nur weinten. Und ich wusste nicht warum.» Wie verwirrend allgemein die Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg war und dies noch um einiges mehr aus den Augen eines kleinen Kindes, schilderte Häubi-Adler eindrücklich in ihrem Buch «Brave Mädchen fragen nicht».

Für ihre Mutter und sie gab es dann aber am Schluss doch ein Happy End und dies sogar im Glarnerland. Der dritte Ehemann der Mutter wurde 1958 Hermann Zingg aus Mollis. Und auch Häubi-Adler fand Mann und Familie in der Schweiz. «Eben erst vor ein paar Jahren kamen die alten Erinnerungen wieder auf. Jetzt habe ich sie aufgeschrieben und so ist das auch wieder gut.» Sie habe das Ganze aber nicht nur für sich persönlich gemacht. Ihr sei es wichtig, dass die Geschichten und Einzelschicksale nicht der Vergessenheit anfallen. «Das perfekte Böse, was Hitler verkörperte, muss auch in der Gegenwart wach gehalten werden, damit sich so etwas Schreckliches nicht wiederholen kann.» Ihr Buch zeigt auf, dass ein Krieg eben nicht nur auf den grossen Schlachtfeldern seine Opfer findet, sondern auch in der Zivilbevölkerung. Und selbst auch vor Kindern nicht halt macht. Ihre Erinnerung ist somit auch ein wichtiges Sprachrohr für tausende Vergessene des Krieges.