Startschuss zum klimafitteren Wald

Der Klimawandel schreitet in den Glarner Wäldern voran. Das könnte in Zukunft die heutigen Leistungen des Waldes für Mensch und Natur schwächen. Deswegen orientiert sich die Arbeit der Förster seit Anfang 2025 an einer neuen kantonalen Strategie.



Die Hälfte der Glarner Waldfläche schützt menschliche Siedlungen und Infrastrukturen vor Naturgefahren. Der Klimawandel kann diesen Schutz beeinträchtigen. (Foto © Abteilung Wald und Naturgefahren Kt. Glarus)
Die Hälfte der Glarner Waldfläche schützt menschliche Siedlungen und Infrastrukturen vor Naturgefahren. Der Klimawandel kann diesen Schutz beeinträchtigen. (Foto © Abteilung Wald und Naturgefahren Kt. Glarus)

Durch den vom Menschen verursachten Klimawandel hat sich die Temperatur im Kanton Glarus seit 1864 um über 2°C erhöht und es muss mit einer weiteren Zunahme gerechnet werden. Die Messwerte und erwarteten Klimaszenarien zeigen zudem, dass der Niederschlag im Sommer ab- und im Winter zunimmt. Es resultieren mehr Hitzetage, trockenere Sommer, schneeärmere Winter und intensivere Niederschläge. Die Artenzusammensetzung im Wald, dessen Fitness und das Zusammenspiel der Waldorganismen verändern sich. Das beeinflusst die Funktionen des Waldes für Mensch und Natur. Seit Anfang 2025 folgt die Waldplanung und -bewirtschaftung deswegen der neuen kantonalen Strategie «Wald und Klimawandel». Sie soll den Glarner Wald in den nächsten Jahrzehnten wappnen gegen die Risiken der Klimaerwärmung.

Der Weg zur Strategie

Sechs Bereiche listet das 48-seitige Strategiepapier auf, in welchen Handlungsbedarf erkannt wird. In Workshops und Vernehmlassungen brachten die kantonalen Abteilungen (Wald, Umweltschutz, Jagd), Revierförster, Gemeinden, das Bundesamt für Umwelt, die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und die Umweltschutzorganisationen ihre Vorgaben und Ideen ein. Sie trugen Risiken, die es zu minimieren, und Chancen, die es zu nutzen gilt, zusammen. Insgesamt wurden 16 Ziele und 24 Massnahmen formuliert. Dazu Kantonsoberförster Maurus Frei: «Mithilfe des Massnahmenpakets soll der Glarner Wald auch in Zukunft seine vielfältigen Leistungen erfüllen können, also vor Naturgefahren schützen, wertvoller Lebensraum für Wildtiere und -pflanzen sein, Nutzholz liefern, aber auch den Menschen zur Erholung dienen. Handlungsbedarf in der Waldpflege und -bewirtschaftung orten wir primär in klimaempfindlichen Waldbeständen, bei der Baumartenvielfalt, beim Vorbereiten des Waldes für grossflächige Extremereignisse sowie bei der Bekämpfung von invasiven Neophyten.»

Sensible Waldbestände erfassen

Nicht standortgerechte Waldflächen wie Fichtenaufforstungen geraten durch die Klimaerwärmung besonders unter Druck. Vor allem in tiefen Lagen muss mit einem Ausfall von weiteren Baumarten, insbesondere der trockenheitsempfindlichen Buche, gerechnet werden. Frei dazu: «Das hat negative Folgen auf die Schutzwirkung dieser Wälder und die zukünftige Holzernte. In einem ersten Schritt werden nun solche klimasensitiven Waldbestände im Glarnerland lokalisiert und in einem digitalen Waldinformationssystem erfasst. Bei forstlichen Massnahmen werden wir diese Waldbestände priorisieren.»

Artenvielfalt fördern

Während Fichten und Buchen in tiefen Lagen durch den Klimawandel geschwächt werden, profitieren andere Baumarten wie die trockenheitstoleranteren Eichen, Linden oder Ahorne. Ist die Vielfalt an Baumarten in einem Wald hoch, können bei einem Ausfall von empfindlichen Arten andere dort vorkommende Arten einspringen und die Waldfunktionen übernehmen, also beispielsweise vor Rutschungen und Steinschlag schützen oder Lebensraumstrukturen für Tiere und Pflanzen bieten. Maurus Frei erklärt: «Ein vielfältiger Wald mit einheimischen Arten kann sich besser anpassen und Veränderungen kompensieren. Die im Kanton Glarus praktizierte naturnahe Waldbewirtschaftung stärkt diese Vielfalt, indem auf grosser Waldfläche gezielt Sonnenlicht in den Wald einfallen kann. Damit wird eine artenreiche Baumverjüngung gefördert. Wo nötig, schützen die Waldeigentümer Jungbäume vor Wildverbiss oder ergänzen sie mit Pflanzungen. Und zur Stärkung der genetischen Vielfalt werden geeignete Samenbäume stehen gelassen und bei Pflanzungen möglichst Setzlinge aus der Region eingesetzt.»

Grossflächige Störungen auffangen

Stürme, Hitzeperioden, Waldbrände und weitere Extremereignisse werden in den nächsten Jahrzehnten zunehmen und grossflächige Störungen in den Wald bringen. Geschwächte Baumbestände können in der Folge unter stärkerem Insektenbefall durch Borkenkäfer sowie Krankheiten durch Pilze leiden. Es besteht das Risiko, dass da und dort ganze Baumbestände absterben. Das ist für die Natur nicht schlimm, kann aber die Schutzwirkung des dortigen Waldes für die darunterliegenden Siedlungen und die Nutzholz-Menge schmälern. «Die naturnahe Waldbewirtschaftung mit feinen Holzschlägen und regelmässiger Jungwaldpflege wird in diesem Kontext noch wichtiger, damit im Wald und insbesondere im Schutzwald auf grosser Fläche junge Bäume heranwachsen können. Sie bilden den Wald der Zukunft und stehen bereit, wenn die grossen Bäume durch eine Störung absterben», betont Frei. Und: «Damit dies klappt und die Jungbäume nicht von Rehen, Gämsen und Hirschen abgefressen werden, sind die Jäger und Grossraubtiere wie der Luchs und der Wolf von grosser Bedeutung. Ziel ist eine natürlich aufwachsende Waldverjüngung auf mindestens 75% der Schutzwaldfläche, damit die Schutzwirkung bestehen bleibt.»

Invasive Neophyten eindämmen

Ein weiteres Problem stellen die invasiven Neophyten dar, also gebietsfremde Pflanzen, die sich stark ausbreiten. Höhere Temperaturen und milde Winter, beides Folgen des Klimawandels, können solche Problempflanzen, darunter auch neue invasive Baumarten, begünstigen. Führt ein klimawandelbedingtes Extremereignis zu einer offenen Waldfläche, fördert auch das die schnellwüchsigen, lichtliebenden Neophyten. Es besteht das Risiko, dass die heimische Artenvielfalt im Wald stärker als heute verdrängt wird und keimende Bäume schlechtere Wuchsbedingungen haben. Die Neophyten-Bekämpfung im Wald soll deswegen verstärkt werden.

Zum weiteren Vorgehen sagt Maurus Frei: «Die ersten Massnahmen der Strategie werden in den nächsten 5 Jahren umgesetzt, andere begleiten die Waldpflege als langfristige Daueraufgabe in die Zukunft. Es wird ab 2025 mit Mehrkosten von rund 300 000 Franken jährlich gerechnet.»