Stubete im Gedenken an Hans Rhyner-Freitag

Hans Rhyner war einst mit seiner Gattin Käthy als «Tiidi und Schang» an verschiedensten Anlässen zu Gast. Stets freute man sich über die Vielfalt des in urchigem Elmer Dialekt Vorgetragenen. Man achtete und schätzte das subtile, kritische und aufmerksame Betrachten, das gar locker erzählt wurde. Der Tod von Schang bedeutete nicht einfach Schluss und Abschied aus vielem, das immer willkommen und gern gehört war. Die Gedanken leben weiter.



versteht sich fast von selbst.
versteht sich fast von selbst.

Der Gemeindehaussaal war unlängst bis auf den letzten Platz besetzt, nachdem die von Dodo Brunner gegründete Academia Glaronensis – welch hochgestochene Bezeichnung für die so liebenswürdig und sorgsam tätige Gruppe – zu einer währschaften «Gedänggstubete z Elme» eingeladen hatte. Viel Wertschätzung und Anteilnahme, auch Bewunderung über das ungemein breite Schaffen von Schang waren spürbar. Er wohnte und wirkte als Sekundarlehrer in Niederurnen.

Dodo Brunner klärte auf, weshalb es zur kleinen und feinen Academia – übrigens ganz ohne Dozenten, eigene Schulräume und Studierende – einst gekommen war. Das reiche bis 1976 zurück. Sie sei damals als Seklehrerin tätig gewesen, bevor sie viele Jahre später an der Kaufmännischen Berufsschule in Glarus als Rektorin zu wirken begann. Die Freude am urchigen glarnerischen Dialekt, dessen Unverfälschtheit und Melodie bewog sie, Leute zu suchen, die sich mit unserer Mundart fundiert auskennen und die bereit waren, Interessierte zu unterrichten, damit ein gewiss sehr kleiner Teil an Kulturellem nicht einfach der Vergessenheit anheimfällt und wegstirbt. Und weil Studierenden nach einem Kursbesuch zumeist ein Diplom ausgehändigt wird, kam es eben zur Gründung der erwähnten Acadamia – und Hans Rhyner war plötzlich Dozent an dieser wohl kleinsten Hochschule in der weitherum kleinsten Hauptstadt. Mit Vergnügen, grossem Einsatz und jener beeindruckenden Hartnäckigkeit, die Bewohner des Sernftals zuweilen auszeichnet, wurde er anerkannte Fachkraft, die Gemütlichkeit und Verweilen zu schätzen wusste. Die Academia – das sei verraten – feierte im letzten Jahr ihr zehnjähriges Bestehen.

Stets ging Schang behutsam vor, war auf eine gesunde Art neugierig, vermochte zuweilen klar festzustellen, was nicht so rund lief, legte seinen Finger auf das Eine und Andere und tat das in den gerne gelesenen Kolumnen der SO kund – natürlich in urchigem und unverfälschtem Glarnerdeutsch, zuweilen mit Ausdrücken, die man mehrmals lesen musste, um sie auch zu verstehen. Es blieb nicht bloss bei diesen Kolumnen, es wurden Sagen publiziert, über verschiedenste Auftritte geschrieben, von Aussagen in der «Schnabelweid» und der Herausgabe einer eigenen CD Kenntnis genommen, bis «E Reis i d Nullziit» in Buchform erschien. Das für den Gedenkanlass erforderliche Zusammenfassen eines riesig reichhaltigen Schaffens hatte Käthy Rhnyer, Schangs Ehefrau, mit immenser Sorgfalt realisiert. Ihr, vielen Sponsoren und Helfern dankte Dodo Brunner gar herzlich, nachdem Zoe Waldvogel und Adrian Elmer mit ihrem Spiel auf dem Schwyzerörgeli fürs musikalische Einstimmen, später für Zwischenmelodien, gesorgt hatten Käthy Rhyner-Freitag führte spürbar einfühlend durchs sorgsam zusammengestellte Geschehen. Aus einem Gespräch, das Markus Gasser von Radio SRF mit Schang einst führte, war unter anderem einiges über «Rede und Chifle» zu erfahren.

Und wenig später gab Paul Rhyner, dr Meissebode Paul, einiges über exakt vier Urgrossmütter von Schang preis. Es handelte sich unter anderem um die Meissenboden Kathrine, die den Bergsturz überlebte, weil sie alles aus der Ferne mitverfolgen konnte und darüber später oft zu erzählen hatte. Schangs Präsenz im «Gelben Heft» und Franz Hohlers «Steinflut» samt dessen Recherchieren fanden Erwähnung. Es wurde kurzweilig und detailgetreu erzählt, unter anderem auch vom traditionellen Neujahrsbesuch mit dem Empfang eines sauer verdienten Geldstücks.

Käthy Rhyner las dann «öppis majörisch Schüüs» über André Reithebuch und dessen Wahl zum Mister Schweiz im Mai 2009. Schang hatte da klug beobachtet und gar vergnüglich festgehalten, was ihm damals aufgefallen war – es kam viel Kurzweil zusammen.

Der von Esther Rhyner musikalisch geführte Frauenchor Elm zeigte Kostproben seines Repertoires in willkommener Weise, sorgsam vorbereitet und ausgedrückt. Käthy Rhyner und Köbi Becker tauschten Ansichten auf einem Sesselllift aus, der auf seltsamen Wegen unterwegs war. Ab Elm ging es zur Lesung auf die Sitzbank auf dem «Vrenelisgätli» und damit zu einem Kapitel aus der «Reis i d Nullziit». Marianne Dürst und Sepp Schwitter verkörperten Rollen aus verschiedenen geschichtlichen Zeiten. Marianne Dürst war ehemals amtierende Regierungsrätin, Sepp Schwitter äusserte sich als Joachim Heer, einst Bundespräsident und Landammann. Da kam vieles zusammen, was nur ansatzweise einbezogen werden konnten. Geredet wurde beispielsweise – immer aus der Sicht des Buchverfassers – über die Gemeindefusion, Sinn und Bedeutung der Landsgemeinde, die Annahme des Arbeitsgesetzes im Jahre 1864, die Bedeutung des prägnanten und ehrlichen Erläuterns. Lange hätten die beiden Politisierenden den aufgenommenen Faden weiterspinnen können.

Nach Schangs radiogebundenen Äusserungen zum Verlauf von Schulreisen mit zuweilen unerwartetem Ausgang las Gäng (Hans Wolfgang) Rhyner gar Vergnügliches, das sich am Stammtisch und auf dem jeweiligen Heimweg ereignet, oder beim trickreichen Jassen abspielt. Es flossen Gedanken übers Bankgeheimnis und anderes ein. Fazit war: «Dr Sparer muess ä Güüder haa». Das ging kunterbunt und heiter zu und her – fast genauso wie in Anni Brühwilers Lesung der Sage «Roschtigs Silber», von der winterlichen Eisgewinnung im Klöntal, dem Gnom Argentum mit seinem Silberschatz in der gut verborgenen und selbstverständlich abgeschlossenen Höhle. Nach Abgabe eines währschaften Stücks Bergkäse erhielt der Einzelgänger Jacques jeweils seine Silberfigur. Aber er durfte niemandem erzählen, wie er zu diesen Schätzen kam. Geldgier vonseiten des regierenden Landammanns und der überfallartige Einsatz von Soldaten machten das schöne, harmonische Geschehen zunichte. Die Höhle wurde nach dem Zugreifen des Militärs unter einer Felslawine verschüttet, die gediegenen Silberfiguren verrosteten – sie seien seither auf dem Kreisel bei der Nordausfahrt von Glarus platziert.

Und nach allen Geschehnissen fand man sich beim Apéro zusammen. «Z gschprächlä» gab es genug.