Tango de Amor – Leidenschaftliches im Wortreich Glarus

In der stadtglarnerischen Kulturbuchhandlung Wortreich war für die erfreulich vielen Besucherinnen und Besucher ein Musiktheater angeboten, das berührende Einblicke in ungemein Leidenschaftliches, Verträumtes, Verschwörerisches, grenzenloses Sehnen, Belügen, Schwindeleien, Verliebtheiten, Rumreisen, Verharren, Enteilen, Tod – in so vieles gewährte, was unser Leben zuweilen erfüllt, fasziniert. Nach der Novelle «Die Mathematik der Nina Gluckstein» von Esther Vilar wurde doziert, gelebt, schwungreich und riesig variantenreich rumgeführt.



Die Schauspielerin Annette Wunsch und Der Akkordeonist Goran Kovacevic’ (Bilder: p.meier)
Die Schauspielerin Annette Wunsch und Der Akkordeonist Goran Kovacevic’ (Bilder: p.meier)

Die Schauspielerin Annette Wunsch agierte riesig gefühlvoll, beschwörend, leidend. Man folgte ihrem Part mit immenser innerer Spannung, weilte kurzzeitig in Welten, deren Inhalte meilenweit entfernt sind, sei das nun in Buenos Aires, Genf, Genua, Belgien oder anderswo. Man nahm Gefühle in sich auf, die in derartiger Dichte, sonst kaum einmal aufleben, die fremd und zugleich riesig faszinierend sind. Der Weg der Liebe kann enorm facettenreich sein, mit Hindernissen, Anschuldigungen, Vermutungen, lustvollem Begegnen, schmerzlicher Trennung, Tod und Trost.

Der Akkordeonist Goran Kovacevic war brillanter, riesig virtuoser Begleiter, war ungemein einfühlend, Stimmungen musikalisch aufgreifend und wiedergebend, die Annette Wunsch mit grosser Hingabe ausformulierte. Wirbliges Begleiten, leidenschaftliches, dann wieder genüssliches Verharren, Schnauben und Schnaufen, (dank Akkordeoneinsätzen), luftige Leichtigkeit standen neben hoher Dramatik.

Es war eine riesige Kompaktheit, die Annette Wunsch kundtat, die zur Welt des Tango Nuevo unabdingbar gehört. Nina Gluckstein lebt in einer Welt, deren Inhalte wohl vielen fremd sind, es auch bleiben. Annette Wunsch sprach von mathematischen Formeln, zeichnete Inhalte auf eine Schiefertafel. Gesucht und durchlebt wird ein vibrierendes Lebensgefühl, damit die grosse Liebe zum Tangomusiker Chucho Santelmo. Es gebe ein sicheres Mittel, einen anderen an sich zu binden. Man dürfe seinem Gegenüber nicht zeigen, dass man ihn an sich binden will. Diese mathematische Formel zu leben, ist unendlich schwer, ist zuweilen unmöglich.

Annette Wunsch agiert als Schriftstellerin, die sich aber von dieser Passion zunehmend abwendet. Sie redet von ihrer Tätigkeit als Inhaberin eines universitären Unterrichtsauftrages im Bereich der Mathematik. Sie zitiert temporeich, führt in immens Leidenschaftliches ein, lädt zum Mitvollziehen ein mit ihrem Vermuten und Begründen. Es ist eine Unmenge an Gefühlen, die ausformuliert oder einfach angetippt wird. Tango ist Kultur, ist Leben, ist Vollkommenheit.

Man lässt sich bereitwillig mittragen, taucht in Abwechslungsreichtum, Wechselvollstes ein, erahnt schicksalsgebundene Wege, Verstrickungen, Ziele. Es war ein faszinierender inhaltlicher Reichtum, der angeboten war und mit berechtigt starkem, herzlichem Beifall verdankt wurde.