Tavanasa – 51 Jahre Kiosk mit Leuchtreklame

Auf der kleinen Bühne der stadtglarnerischen Kulturbuchhandlung «wortreich» ergab sich Grosses. Bewegend, von viel kleinbürgerlicher Anteilnahme geprägte zwischenmenschliche Beziehungskisten trug Arno Camenisch, Verfasser der vor wenigen Monaten erschienenen «Goldene Jahre» vor, dies mit spürbarem innerem Feuer, immenser Beseeltheit und einer gehörigen Portion Theaatralik. Roman Nowka begleitete mit seiner Gitarre, gleichermassen kunstvoll, behutsam, Gelesenes mit viel Einfühlungsvermögen und Spielfertigkeit mitprägend.



Tavanasa – 51 Jahre Kiosk mit Leuchtreklame

Die mit grosser Anteilnahme und spürbarem Vergnügen hinhörenden Gäste hatten ihr Kommen keine Sekunde zu bereuen – auch wenn die dichterische Kunst von Arno Camenisch bereits zum siebten Mal zum wortreich-Angebot gehörte. Er, mit Jahrgang 1978, hat sich über viele Landes- und Kulturgrenzen hinweg verdient grosse Beachtung erworben. Teile seines Schaffes wurden in mehr als 20 Sprachen übertragen und mit einigen Literaturpreisen ausgezeichnet.

Er hat eine, sich in vielen seiner Werke hinziehende, unnachahmliche Verquickung von träfer Mundart, Hochdeutschem, Romanischem und Italienischem angeeignet, reizt dieses Vermischen verblüffend kunstvoll und einfallsreich aus. Er weiss die Lacher in solchen Momenten auf seiner Seite, lädt wenig später zum Innehalten ein, weckt Verblüffung, Anteilnahme und Schmunzeln. Er ist ein subtiler Betrachter, Kenner und Könner, erfüllt von grosser Herzlichkeit und erfrischender Direktheit. Er versetzt sich in sein jeweiliges Gegenüber, dies mit Leidenschaft und Anteilnahme, nie in Primitives oder Verletzendes abgleitend. Man liebt seine Alltags-Logik und die daraus zuweilen resultierenden Schlussfolgerungen.

Tavanasa und sein Kiosk mit der weithin sichtbaren Leuchtreklame, das Leben und Erleben im und um die kleine angegliederte Tankstelle, das fast pausenlos wechselnde Denken, Vermuten und Werten der Kioskfrauen Rosa-Maria mit ihrer sensationell schönen Brille mit Goldrand und Margrit sind reizvoller Mittelpunkt. Sie gibt es seit August 1969, mit ihnen auch die im Buch ausdrücklich enthaltene wohl «schönste Leuchtreklame im ganzen Kanton».

Und man folgt gerne dem kenntnisreichen Schildern, seien es nun das Wort oder die Musik. Camenisch macht aus kleinsten Begebenheiten gar reizende Geschichtlein, die sich nahtlos aneinanderfügen.

Nicht die Geschichte des Kiosks und dessen Entstehung hat weltgeschichtliche Bedeutung, aber genau damals war die erste Mondlandung, die da reinspielte – weil Rosa-Maria und Margrit ihre Statements ausformulieren, aufzeigend, dass es der dritte Astronaut nicht auf die Weltbühne schaffte, er drehte auf der Rückseite des Erdtrabanten seine Runden. Und dass einer aus Tavanasa in der Beiz die Toilette gerade in diesem denkwürdigen Moment aufsuchte, ist für die messerscharf analysierenden Spezialistinnen in ihrem Kiosk unbegreiflich. Dann ist irgendwann mal Zeit für den Tour de Suisse-Tross. Beinahe alle sausen an der bereitgestellten Zwischenverpflegung achtlos vorbei, das Ziel heisst für diesen Tag Bellinzona. Man darf sich mit den Damen auf den präparierten Velos befassen, lauscht den klug gesetzten musikalischen Akzenten, erfährt wie lange die Verwirrtheit eine total verliebten Postbeamten andauert, erfährt einiges über die Lotterien und bezogenen Gewinnsummen und über das verwirrliche Einsetzen der gewonnenen Gelder. Dank Camenisch wird klar, wie sich Dreierbeziehungen in und um Tavanasa entwickeln, wie ab Leitplanke die Weiterfahrt ins Himmelreich möglich wird, was Spagettistühle sind, wie ein Töffausflug mit dem Polizeibeamten ins Maggiatal leicht ausartete, wie eine Pionierin bezüglich Scheidung und Fremdgehen lebt – man hätte noch gerne Weiterführendes vernommen – aber schliesslich will das Buch auch verkauft und signiert sein. Rassigste Zugaben aus den «Spoken words», ein liebenswürdiges Verabschieden nach ganz kurzem Gedankenaustausch und das sanfte Hinführen auf 51 weitere Kioskjahre waren die Schlusspunkte.