Topografie des Fliegens – Tobias Ibele las im Wortreich Glarus

Die Verantwortlichen der Kulturbuchhandlung Wortreich in Glarus haben den begrüssenswerten Mut, auch unbekannte Autorinnen und Autoren zu einem «Gastspiel» auf die wohl kleinsten Bühne in der höchstwahrscheinlich kleinesten Hauptstadt unseres Landes einzuladen. Mit Tobias Ibele und seinem Erstling war das gewiss der Fall. Die Zahl der spürbar interessiert hinhörenden Besucherinnen und Besucher hielt sich in eigentlich bedauerlichen Grenzen.



Topografie des Fliegens – Tobias Ibele las im Wortreich Glarus

Christa Pellicciotta, Hauptverantwortliche der Buchhandlung, begrüsste gewohnt herzlich, beseelt und schwungvoll. Nach Hinweisen zu kommenden Veranstaltungen, diesmal zur Hauptsache Filme, stellte sie Tobias Ibele vor. Der Buchautor und Geologe ist momentan im Auftrage des Bundes für die Ausarbeitung einer geologischen Karte des Tödis und dessen Umgebung tätig. Damit kann er seine bergsteigerischen Fähigkeiten mit Beruflichem bestens in wohl idealer Weise kombinieren. Er wuchs am Bodensee, damit in einer nicht eben mit schneereichen Gipfeln bestückten Gegend auf. In seinem tiefsten Innern reifte der Wunsch, sich irgendwann einmal mit dem Hochgebirge, mit Steinstrukturen, Gletschern, der Entstehung dieser schroffen, ihn ungemein faszinierenden Welt zu befassen; sich aufs Erklimmen hoher Berge, das Durchwandern fordernder Weiten einzulassen. Diesen Wunsch setzte er um, er studierte Geologie, lebt und arbeitet heute in der Schweiz. Seine Gedanken hat er schon in Jugendjahren schriftlich festgehalten, so wie es heute noch der Fall ist. Mit der schriftlichen Umsetzung dieser Erkenntnisse und Erlebnisse sind und bleiben Publikationen verbunden. Teile seiner Kurztexte – eine Kostprobe davon gab er auch anlässlich seiner Lesung – publiziert er im Internet. Zudem ist er Mitglied der Gruppe «Literatur im Sarganserland» und verfasst mit Gleichgesinnten Texte zu gemeinsam gewählten Themen.

Die Kunst der sinnrichtig eingesetzten sprachlichen Vielfalt lässt sich wohl nur am Rande mit dem Klettern, Verweilen und Erfahrungen im Hochgebirge gleichsetzen. Sich Naturgefahren auszusetzen, aus dem jeweiligen Moment heraus richtig zu entscheiden, Routenplanungen vorzunehmen, die richtige Klettertechnik einzusetzen, Erkenntnisse aus dem Geologiestudium fachlich korrekt einzubringen, stehen dem schriftlichen Erfassen gegenüber. Das Wiedergeben von Erkenntnissen aller Art so auszudrücken, dass es – in diesem Fall in Buchform – lesenswert, interessant und verständlich wird, ist eine nicht immer einfache Sache, kann sehr fordernd sein und muss dann auch noch von einem Verlag angenommen werden und in Buchform erscheinen.
Entsprechende Fragen wurden im Anschluss an die Lesung gestellt.

Beim Mitverfolgen der verschiedenen Texte wurde bald spürbar, wie verwurzelt der Autor mit all dem ist, was er vortrug. Die Inhalte zeugten von hoher Sachkenntnis, liessen ein Geschehen wachsen, das durchaus als Vermischung von Roman, Tatsachen, Erträumtem, Sehnsucht, knappen Gesprächen, intensiven Begegnungen mit Figuren aus diesem Erfahren, dem Wiederaufgreifen von Fakten anderer Kapitel bezeichnet werden darf. Die Titel zu den Kapiteln sind Natur, sind Wetter, Luft, Licht, Wohnen. Da heisst es: Berge, Anfang, Schnee, Stadt, Stein, Wind, Lichts und Schatten, Nebel, Luft, Regen.

Alles beginnt mit einem rundum verschlossenen Karton, der – bisher unbeachtet – in der dunklen Ecke eines Kellers liegt und beim Umzug in eine andere Wohnung zum Vorschein kommt. In diesem Behältnis sind Erinnerungen, die schon lange zurückliegen, die Ausgangspunkt von Gesprächen und ganz vielen Gedanken sind. Der Karton bleibt über Jahre hinweg unbeachtet in einer Ecke. Tobias Ibele verwebt die Fülle der Ereignisse in recht kurzweiliger, stets recht problemlos nachvollziehbarer Weise. Er protokolliert das gewissenhaft, lässt dem Leser Raum fürs Nachvollziehen, Vermuten, Weiterspinnen. Der Autor setzt mit seiner farbigen, ausdrucksstarken Sprache willkommene Akzente, gliedert das aus Familie, Berggängen, Wetterphänomenen, Alltag, Träumereien, Befindlichkeiten, Vermutungen, Rückbesinnen, Realem und Wissenschaftlichem auskomponierte Geschehen in recht kurzweiliger Weise. Man wird auf gute, bereitwillige Art mitgenommen, erahnt oft Gefahren, nimmt wahr, wo Herausforderungen zu meistern sind, ist ins Abwägen des Berggängers eingebunden.

Es ergaben sich einige Fragen. Tobias Ibele antwortete stets kenntnisreich. Man erkaufte sich einen Inhalt, der durchaus lesenswert, interessant ist, sich durch Genauigkeit und spürbarem Engagement des Verfassers auszeichnet.