Tschechows „Waldschrat“ mit dem Landestheater Tübingen

Die Gastspiele des Landestheaters Tübingen in Glarus haben Tradition. Diesmal war der „Waldschrat“ von Anton Tschechow im Gepäck. Die hervorragenden Schauspieler sowie das hinreissend gestaltete Bühnenbild machten die Aufführung zum Erlebnis.



Das Ensemble vom Landestheater Tübingen nimmt den verdienten Applaus entgegen (Bild: mst.) Der "Waldschrat" (Arzt) mit seiner Geliebten Sonja. (bild: mst.)
Das Ensemble vom Landestheater Tübingen nimmt den verdienten Applaus entgegen (Bild: mst.) Der "Waldschrat" (Arzt) mit seiner Geliebten Sonja. (bild: mst.)

1889 stellte der russische Schriftsteller Anton Tschechow seine Komödie „Der Waldschrat“ fertig, welche die Grundlage für das berühmtere Drama „Onkel Wanja“ bildet. Das Landestheater Tübingen nun hat den wenig bekannten „Waldschrat“ ausgegraben und ihm auf eindrückliche und amüsante Art zu neuem, sehr aktuellen Leben verholfen.

Vier Akte mit wenig Handlung, aber viel Situationskomik

Alles beginnt mit einer Garten- und Geburtstagsparty vor einer Wand, an der Luftschlangen herabhängen. Nach und nach trudeln die Gäste ein. Da ist der coole, blasierte Frauenheld Fedor, der – ebenso wie alle anderen – gern und ausgiebig dem Alkohol zuspricht. Der alte Professor Aleksandr sitzt einfach nur still da. Maria, die Mutter der ersten Frau des Professors, liest den ganzen Akt über in einer Zeitschrift, blickt auf und meint zwei Mal unvermittelt: „Ich habe vergessen, Sie zu erinnern...!“ Es wird viel getrunken und viele Würstchen werden verzehrt. Die Figuren necken und beleidigen sich, machen Scherze und liegen sich in den Armen. Auf der Bühne herrscht ein nervöses, wirbliges Treiben. Viel Situationskomik eben.

Umweltschutz war schon vor 120 Jahren aktuell

In einer Schlüsselszene wird der „Waldschrat“, der Gutsbesitzer Michail mit abgeschlossenem Medizinstudium, der diesen Übernamen seinem umweltschützerischen Engagement verdankt, von einem Bekannten verhöhnt: „Und alles, was ich bisher von Ihnen zum Schutz der Wälder zu hören die Ehre hatte – ist alles alt, unseriös und tendenziös.“ Der „Waldschrat“ im Förster-Aufzug kontert: „Man kann die Wälder ausschlagen, wo es nötig ist, aber wir müssen endlich aufhören, sie zu vernichten. ... Wälder gibt es immer weniger und weniger, die Flüsse trocknen aus, das Wild wandert ab, das Klima ist verdorben, und mit jedem Tag wird die Erde ärmer und gesichtsloser.“

Turbulente Szenen im dritten Akt

Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von zwei Wochen: Sonja verliebt sich in Chruschtschow, Elena liebt ihn auch und verlässt ihren alten Mann, zu dem sie aber bald wieder zurückkehrt. Der Professor will sein Gut verkaufen, und Egor, der Sohn von Maria, schiesst sich deshalb eine Kugel in den Kopf. Schlussendlich bekommt der „Waldschrat“ im vierten Akt seine geliebte Sofia und man könnte – wäre da nicht der Hinschied des Freundes – von einem glücklichen Ende sprechen.

Die Regie hat einige Anachronismen eingebaut: So werden allbekannte Schlager des 20. Jahrhunderts angesungen (z.B. „La vie en rose“), die Würstchen brutzeln auf einem veritablen Elektrogrill, und später kommt eine Rechenmaschine statt eines Rechenbretts zum Einsatz; auch die Campingstühle gehören natürlich nicht ins 19. Jahrhundert. Die Requisiten unterstreichen so den (umwelt)thematischen ‚Vorgriff’ in unsere Zeit

Die Tübinger Fassung von Ralf Siebelt kommt frisch, locker und modern daher. Leider erschien das Publikum eher spärlich, was bei der Aufführung des „Kaufmanns von Venedig“ von Shakespeare am 23. Mai in der Aula der Kanti Glarus wohl nicht der Fall sein dürfte.