Ukraine-Flüchtlinge mit Begeisterung im Deutschunterricht

Rund 230 Erwachsene besuchen derzeit die Deutschkurse für Flüchtlinge im Kanton Glarus. Als Folge des Krieges in der Ukraine hat sich seit März die Schülerzahl verdoppelt – und dürfte weiter steigen. Weitere Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge werden gesucht.



Diese DaZ-Klasse von Anna Wang besteht mit einer Ausnahme ausschliesslich aus Flüchtlingen aus der Ukraine • (Foto: SK)
Diese DaZ-Klasse von Anna Wang besteht mit einer Ausnahme ausschliesslich aus Flüchtlingen aus der Ukraine • (Foto: SK)

Derzeit besuchen etwa 230 erwachsene Flüchtlinge Deutschkurse (DaZ, Deutsch als Zweitsprache) im Kanton Glarus, darunter etwa 150 aus der Ukraine. Die Schulzimmer der Koordinationsstelle Integration Flüchtlinge (KIF) befinden sich neu in Oberurnen, unter demselben Dach wie der HPZ-Werkplatz. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das Gebäude ursprünglich das Hauptquartier der Firma Joseph Egli war, die u. a. regen Handel mit Russland trieb. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler wird auch in Ziegelbrücke an der Berufsfachschule unterrichtet; in Netstal werden sechs weitere Kurse speziell für Mütter mit ihren Kindern durchgeführt. Zum Kurs fahren die Teilnehmer mit dem ÖV, für den ihnen Streckenabonnemente ausgestellt werden.

Grosse organisatorische Herausforderungen

Die Zahl der Deutschschüler hat sich seit Ausbruch des Ukraine-Krieges mehr als verdoppelt. Das stellt das Lehrpersonal (9 Personen) unter der Leitung von Barbara Keller vor einige organisatorische Herausforderungen. Einerseits sollen Unterschiede im Flüchtlingsstatus keine Rolle spielen und anderseits die Gruppen nach Leistungsfähigkeit und Vorkenntnissen ideal zusammengesetzt sein. Hier unterscheiden sich denn auch die zu Schulenden erheblich: Auf der einen Seite gibt es Alphabetisierungsklassen, auf der anderen Seite Klassen, die sich auf einen Ausbildungsplatz oder ein Studium vorbereiten. Vermehrt kommen nun auch Senioren zum Deutschunterricht, Personen, die bisher davon ausgingen oder einfach hofften, dass sie bald zurückkehren können und sich der Aufwand nicht lohnen würde eine fremde Sprache zu lernen.

Aufgrund der schnell steigenden Nachfrage nach DaZ-Unterricht war und ist die Rekrutierung von Lehrpersonal herausfordernd, zumal aktuell ausschliesslich befristete Arbeitsverträge angeboten werden können.  

Mehr Deutschunterricht gewünscht

Offensichtlich gross ist das Interesse ukrainischer Flüchtlinge am Deutschunterricht, denn immer wieder wird der Wunsch geäussert, mehr Lektionen erhalten zu können. Da ist aber nicht alles möglich. So wurde vom Kanton ein Mittelweg gewählt: Maximal 3 Tage Unterricht pro Woche, um die Personen auch 2 Tage pro Woche integrieren zu können in die Beschäftigungsprogramme der Gemeinden, in einem Gastronomieprojekt oder bei Projunip. Darüber hinaus existieren auch sehr unterschiedliche Lernkulturen. So gibt es Schüler, die einfach zum Unterricht kommen, während andere über den Unterricht hinaus mit webbasierten Tools und Apps zusätzlich selbstständig alles lernen wollen, was man in kurzer Zeit lernen kann. Die unterschiedlichen Bedürfnisse lassen sich nicht einfach unter einen Hut bringen. Barbara Keller: «Es gibt Teilnehmer, die schon nach kurzer Zeit ausgezeichnet deutsch sprechen.»

Stolz auf erste sprachliche Erfolge

Bei einem kurzen Besuch in den Schulzimmern von Barbara Keller und Anna Wang wenden die Schülerinnen und Schüler einer Anfängerklasse sichtlich stolz ihre ersten Deutschkenntnisse an. Sie grüssen auf Deutsch und erklären, dass sie einverstanden sind, dass während des Unterrichts ein paar Fotos gemacht werden, welche dann vielleicht in der Zeitung oder online erscheinen. Dann geht es aber ans Tagesthema: Zeit. Da bleibt für das Fotografieren keine Zeit mehr. Die Schülerinnen und Schüler wollen die Zeit im Unterricht nutzen zum Lernen. Auch wenn niemand weiss, wie viel Zeit sie noch in der Schweiz verbringen werden.

1 / 4: Barbara Keller organisiert den DaZ-Unterricht.

1 / 4: Etliche Schüler bringen auch ihre eigenen Handys und Tablets mit zum Unterricht.

1 / 4: Spielerisch lernen: So geht's am einfachsten und bereitet erst noch Spass.

1 / 4: Eine kleine Schrift kann ein grosses Problem sein: Nicht alle Flüchtlinge verfügen über die allfällig nötigen Lesehilfen ...

Weitere Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge gesucht

Im wahrscheinlichsten Szenario geht das Staatssekretariat für Migration (SEM) davon aus, dass in den verbleibenden Monaten des Jahres 2022 monatlich zwischen 3000 und 5000 Anträge auf den S-Status gestellt werden. Bis Ende 2022 sind in diesem Szenario insgesamt 80 000 bis 85 000 S-Anträge zu erwarten. Der Sonderstab Asyl Kanton Glarus rechnet deshalb bis Ende Jahr mit monatlich 15 bis 25 weiteren Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, welche zusätzlich zu den bereits jetzt im Kanton lebenden 230 Ukraine-Flüchtlingen betreut und untergebracht werden müssen. 

Dafür werden weitere Unterkünfte benötigt. Eigentümer von geeigneten Häusern oder Wohnungen können sich an die Asylbetreuung Kanton Glarus wenden: