Umfahrung Näfels: Sich an den Fakten orientieren!


Die Diskussionen rund um die Umfahrungen Näfels und Netstal während den letzten Wochen zeigen vor allem, dass offenbar nicht allen klar ist, was der vom National- und Ständerat verabschiedete Netzbeschluss bedeutet. Ursprünglich ging es dort nämlich «nur» darum, die Verbindungsstrasse von Niederurnen nach Glarus (N17) durch den Bund zu übernehmen. Über den Zeitpunkt, das Ausmass und die Variante einer allfälligen Umfahrung hätte dann der Bund entschieden. Die Strategie der Glarner Regierung lag darin, möglichst früh ein umsetzungsreifes Projekt zu präsentieren, welches der Bund dann genehmigen und realisieren würde.

Diese Ausgangslage hat sich aber im Rahmen der parlamentarischen Diskussion aus Glarner Sicht massiv verbessert. Mit dem negativen Bundesgerichtsurteil zur Zürcher Oberland-Autobahn fehlte dem Bund plötzlich ein Projekt, das mit dem Inkrafttreten des Netzbeschlusses (1. Januar 2014) umgesetzt werden konnte. Baudirektor und Regierungsrat Röbi Marti hat diese Chance sofort erkannt, ausgesprochen geschickt agiert und die Zusammenarbeit mit den drei Glarner Bundesparlamentariern optimal koordiniert. Im Wissen, dass man beim Bund damit willkommen war, stellte daraufhin Ständerat This Jenny im der ständerätlichen Kommission den Antrag, das Projekt «Zürcher Oberland-Autobahn» mit dem Projekt «Umfahrung Näfels» zu ersetzen. Dieser Antrag wurde vom Ständerat angenommen und hielt anschliessend auch im Nationalrat trotz ablehnenden Anträgen stand. Die verschiedenen «diplomatischen Vorgespräche» hatten sich gelohnt …

Das bedeutet konkret, dass der Bund per 1. Januar 2014 nicht nur die Zuständigkeit für die Verbindungsstrasse von Niederurnen nach Glarus (N17), sondern auch das kantonale (!) Projekt «Umfahrung Näfels» übernimmt – und zwar so, wie es heute gemäss Auftrag der Landsgemeinde (!) aufgegleist ist. Einzige Bedingung, die der Bund verständlicherweise stellt: Das Projekt muss am 1. Januar 2014 umsetzungsreif, also einsprachebereinigt sein.

Fragen nach der Richtigkeit der Variante, nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis, nach dem Mass der Entlastung usw. mögen (teilweise) verständlich sein; aber sie stellen sich im Rahmen der aktuellen Diskussion schlichtweg nicht. Ob es einem gefällt oder nicht: Das Projekt steht, und der Bund wird dieses realisieren, sofern die Gerichte in Bezug auf die Einsprachen nichts anderes entscheiden. Das sind Fakten, über die sich wohl auch der eine oder andere Landrat ins Bild setzen lassen sollte, anstatt mit parlamentarischen Vorstössen herumzufuchteln. Und vielleicht täte es auch der Glarner Redaktion der «Südostschweiz» gut, diese Fakten als Ausgangslage zur Kenntnis zu nehmen. Zurzeit werden dort nämlich vor allem Fragen thematisiert, die sich gar nicht stellen. Es fällt auch auf, dass jegliches kritisches Hinterfragen des Umfahrungsprojekts problemlos mit einer ganzen Zeitungsseite belohnt wird, während sich die Redaktion offenbar sehr ungerne mit Punkten auseinandersetzt, die FÜR das Projekt sprechen. Nun, Objektivität kann eben sehr subjektiv sein …

Auch als der eigentliche Netzbeschluss während der letzten Wintersession endlich in trockenen Tüchern war, blieb dies unbemerkt, obschon dieser Entscheid für das Glarnerland durchaus als historisch bezeichnet werden dürfte – egal, ob man für oder gegen die Strasse ist. Immerhin waren wir in den letzten 40 Jahren noch nie so nahe an einer Lösung dran, notabene an einer Lösung, die der Bund vollumfänglich zahlt …

Also: Das Einzige, das uns von der Umfahrung Näfels trennt, sind die Einsprachen. Werden diese vor Gericht letztinstanzlich gutgeheissen, bauen wir die Strasse nicht, gehen zurück auf «Feld 1» und nehmen uns nochmals 20 Jahre Zeit. Werden die Einsprachen abgewiesen, wird ab 2014 gebaut. – So einfach ist die momentane Ausgangslage; alles andere sind nutzlose Ablenkungsmanöver und Scheindiskussionen.

Die Einsprecher nehmen übrigens ein staatspolitisches Recht war, das ihnen zusteht. Sie tun nichts Verbotenes, auch wenn sie dazu neigen, ihre persönlichen Befindlichkeiten zum Problem des ganzen Kantons zu machen. Auf keinen Fall vergessen sollten sie die Tatsache, dass es sich bei der Umfahrung Näfels und später Netstal nicht nur um willkommene Entlastungen für diese Dörfer handelt, sondern vor allem auch um die Startetappen zur Erschliessung von Glarus Süd. Wir können doch nicht auf allen Bühnen die Förderung des südlichen Kantonsteils predigen und dann ausgerechnet die Strassenerschliessung verhindern! Natürlich wird eine Strasse für Glarus Süd nicht das Allerheilmittel sein, aber sehr wohl eine zentrale und ungemein wichtige Grundlage für weitere Massnahmen. – Es geht also hier auch um Solidarität. Und nur gelebte Solidarität ist echte Solidarität.

Und wenn ich hier schon den längsten Leserbrief meines Lebens schreibe, erlaube ich mir noch eine letzte Bemerkung: Ich kann und will schlichtweg nicht glauben, dass ausgerechnet derjenige Kanton, der mit einer mutigen Gemeindefusion und der innovativen Einführung von Stimmrechtalter 16 landesweit für positive und bewundernde Schlagzeilen sorgte, bei derjenigen Gelegenheit über die eigenen Füsse stolpert, bei der er vom Bund gratis eine Umfahrungsstrasse bekommen kann.