Ungewohnte Begegnungen im «Gartenflügel» Ziegelbrücke

Ohne angekündigte Rede oder musikalischem Gastspiel wurde zur Vernissage im «Gartenflügel» Ziegelbrücke eingeladen. Fest stand, dass Nicole Cagianut mit ihren Keramiken und Susan Honegger mit mannigfaltiger Malerei bis zum 16. Dezember in diesem prachtvollen Bau an ebenso prachtvoller Lage ausstellen.



Gastgeber im «Gartenflügel» Ziegelbrücke.
Gastgeber im «Gartenflügel» Ziegelbrücke.

Dass sich die charmante Begrüssung durch Robert Jenny alsbald zu einem Werkstattgespräch entwickeln und Roli Schiltknecht auf dem Hackbrett beinahe geheimnisvoll gliedernd aufspielen würde, wussten nur Insider.

Robert Jenny führte die zahlreichen Besucher zu Wesentlichem hin, indem er Fragen und Vermutungen in den Raum stellte und sie von den beiden Kunstschaffenden beantworten liess. Nicole Cagianut wurde nach zwölfjähriger Pause von Robert Jenny für eine weitere, zweite Ausstellung angefragt, im Wissen, dass sich die Diesbacherin von der reinen Gebrauchkeramik abgewendet und Zugang zu anmutig, kecker Kunst gefunden hat. Zudem forderte sie Robert Jenny auf, ein Gegenüber zu engagieren, ein ganz anderes, ihr Gestalten ergänzendes oder kontrastierendes Kunstschaffen einzufügen. Und so entstand in langem Abwägen und Planen eine Ausstellung, die von ihrem Äusseren her wechselvoller nicht sein könnte, begegnet man beim Betreten der Räume Köpfen und nochmals Köpfen auf Papier, satt Gemustertem auf Papier und Keramiken, die teilweise graziöse, fragile Leichtigkeit in ihrer fragenden ummantelten Haltung, dem anmutigen Zelebrieren einer Teestube, bestehend aus einer Vielzahl von symmetrisch angeordneten Tassen und einem auf Leinwand projizierten formschönen Teekrug und dekorativ platzierten Einkaufstaschen. Alles ist klug auf- und den Räumen zugeteilt.

Susan Honegger hat aber nicht einfach irgendwelche Muster geschaffen – da ist eine herauszulesende Botschaft versteckt. Aber fürs Entziffern braucht es ein entsprechendes App auf dem Mobiltelefon – glücklich, wer Hilfe benötigt, oder sich Angefügtes schon mal zu Gemüte führt und technisch noch nicht auf dem neuesten Stande ist. Robert Jenny jedenfalls reihte sich lieber bei den «No Freaks» ein. Schliesslich waren die durchaus lesenswerten, sinnweisenden Texte auf konventionell, lies beschrifteten Papierstreifen, neben den Bildern enthalten. Der Zugang zu den Gesichtern und Köpfen, in denen Botschaften integriert sind, fällt leichter, purzeln einem die Aussagen doch entgegen, bestehend aus, Dahinträumen, Staunen, Gliedern, Fragen, Ordnen, Rufen, Sanftheit oder Schreck. Ausgangspunkt ist für Susan Honegger das Profil oder ein Avatar, ein grafisches Halbprodukt, das mit Leben-Eingebungen versehen worden ist.

Robert Jenny äusserte sein Erstaunen, dass sich Susan Honegger dem Facebook so stark hingegeben habe. Für sie – so ihre Antwort – ist das Kommunikation und Wahrnehmung. Sie ist – anders als der liebenswürdige Gastgeber im «Gartenflügel» – Teil- oder Vollmitglied der virtuellen Gesellschaft, der Internetprogramme, einer Second World, in der man sich verlieren kann. Nicole Cagianut schafft da wesentlich erdverbundener, ist Kennerin und enorm kunst- und stilbegabte Könnerin eines Handwerks, das Präsenz, Einfühlungsvermögen, Kunstsinn, Mut zum Erproben, Fähigkeit des zuweilen kompromisslosen Neubeginns oder des professionellen, ausdauernden Auseinandersetzens mit Brenntechniken erfordert. Dieses Arbeiten hat auch eine Neugierde, eine Spannung bezüglich fertigem Produkt zum Inhalt.

So bilden die Porzellan-Säcke ein spannendes Pendant zu den stabilen, wuchtigen Töpfen oder den zerbrechlichen, verletzlichen, hochgewachsenen und feingliedrigen Figuren. Zu diesem «Gegenüber» – wie es im Ausstellungstitel heisst, gehörten die weit fassenden, packenden musikalischen Improvisationen von Roli Schiltknecht, die Hinweise von Robert Jenny, dass der «Gartenflügel» neben dem temporären Zuhause für Kunstschaffende aus dem Glarnerland auch ein Verweilen für Gäste aus aussereuropäischen Gegenden darstelle und die erwiesene Gastfreundschaft beim offerierten Apéro. Dazu hatte Ruth Jenny in gar liebenswürdiger Weise ein Verwöhnen vorbereitet. Die Ausstellung ist noch bis zum 16. Dezember ans Samstagen und Sonntagen zwischen 14.00 und 19.00 Uhr oder nach Vereinbarung (Telefon 055 643 22 18 / 055 650 155 51) offen.