Thanksgiving wird immer am vierten Donnerstag im November gefeiert und dieses Jahr war es der 28. November. Lustigerweise hatten wir ein paar Tage davor aber bereits den Weihnachtsbaum mit Kugeln geschmückt und die Weihnachtsstrümpfe (Stockings) aufgehängt. Ich hatte am Tag davor auch noch die Teile für ein Lebkuchenhaus gebacken und zusammengebaut, da wir es an Thanksgiving verzieren wollten. Das traditionelle Essen an Thanksgiving ist Turkey, also Truthahn und Kartoffelstock mit Bratensauce. Der Turkey ist traditionellerweise mit einer Brotfüllung gefüllt, aber wir hatten die Füllung separat. Gefeiert hatten wir zusammen mit meinen Gast-Grosseltern bei uns zu Hause. Der ganze Tag bestand eigentlich nur aus kochen, essen und dem Verzieren des Lebkuchenhauses. In meiner Gastfamilie ist es Tradition, dass an Thanksgiving der Weihnachtsbaum fertig geschmückt wird. Alle zusammen schmückten den Baum mit verschiedenen Ornamenten, die alle eine Bedeutung haben und von verschiedenen Orten kommen. Am späten Nachmittag fand das Essen statt, wobei ich die Füllung und den Kartoffelstock dem Truthahn vorzog.
Das erste Weihnachtliche, was wir abgesehen vom Schmücken des Baumes gemacht hatten, war ein Besuch im Zoo. Das tönt nicht gerade weihnachtlich, aber der Besuch im Zoo war besonders. Der Houston Zoo hat nämlich jedes Jahr um die Weihnachtszeit am Abend den Park beleuchtet. Dabei konnten wir zwar die echten Tiere nicht sehen (die meisten schliefen sowieso), aber überall, wo wir hinschauten, hatten die Mitarbeiter beleuchtete Tierfiguren aufgestellt. Nach dem Spaziergang durch den hell beleuchteten Zoo tranken wir eine heisse Schokolade und assen selbst gebratene S’mores (zwei Biskuits mit einem Marshmallow dazwischen) dazu.
Eine weitere Tradition meiner Gastfamilie während der Weihnachtszeit ist der Besuch des Balletts «Nussknacker». Das war eines der atemberaubendsten Dinge, die ich je gesehen habe. Ich wollte schon immer einmal eine Ballettaufführung sehen und meine Erwartungen wurden übertroffen. Es war unglaublich beeindruckend, wie die Tänzer die Geschichte ohne Worte erzählt haben.
Houston ist in der Weihnachtszeit voller Dekorationen und Beleuchtungen. Viele Gebäude sind mit Riesenschleifen oder Lichtern geschmückt und am Strassenrand zäumen sich leuchtende Christbaumkugeln. Meine Gastmutter hat mir erzählt, dass die Leute in den reicheren Gegenden ihre Häuser immer aufwändig beleuchten und schmücken. Deshalb sind wir an einen Abend, mit einer heissen Schokolade bewaffnet, im Auto durch diese Gegend gefahren. Die meisten Häuser und Bäume waren mit Lichterketten umhüllt, sodass es überall geleuchtet hat. Manchmal sahen wir auch übergrosse Engel oder Krippen in den Vorgärten. Diesen ganzen Prunk einmal mitzuerleben, war erlebnisreich und unterhaltsam. In der Schweiz würde ich so etwas nie machen.
Ich war froh, als wir endlich Weihnachtsferien hatten und ich mich etwas erholen konnte. Da ein Teil der Familie meiner Gastfamilie in Kansas City lebt, besuchen wir sie über die Feiertage. Dafür musste meine Gastmutter mehr als 12 Stunden durchfahren. Ich bin immer noch beeindruckt, wie sie das geschafft hat, da ich praktisch die ganze Fahrt geschlafen habe. In Kansas City war es deutlich kälter als in Houston, weswegen ich endlich wieder einmal eine Jacke anziehen musste. Die Familie der Schwester meiner Gastmutter lebt etwas ausserhalb der Stadtmitte in den sogenannten «Suburbs». Wir kennen solche Quartiere aus den amerikanischen Filmen.
In Kansas City hatten wir genügend Zeit, um einige Weihnachtsfilme, wie «Elf» oder «Kevin allein zu Haus», zu schauen. Ich war völlig geschockt, als ich herausfand, dass niemand meiner Gastfamilie «drei Nüsse für Aschenbrödel» kannte. Deshalb haben wir diesen Film alle zusammen geschaut. Apropos Elf – in Amerika gibt es den sogenannten «Elf on the shelf». Dieser Brauch wird meistens bei kleinen Kindern angewendet, damit sie sich in der Weihnachtszeit besonders gut benehmen. Der Elf, welchen jeder selbst benennen kann, wir von Santa Clause zu den Kindern geschickt, damit er sie beobachtet und Santa mitteilen kann, ob sie auch brav sind. Cristal, so hiess unser Elf, ist jede Nacht wieder zum Nordpol zurückgekehrt und als sie wieder gekommen ist, hat sie irgendwo im Haus einen neuen Platz eingenommen. Einmal war zum Beispiel der Zucker umgeschüttet. Unser Elf hatte einen Schneeengel darin gemacht oder sie hing einmal am Weihnachtsbaum. Ich finde, das ist ein sehr schöner Brauch, vor allem für kleine Kinder. Unser «Elf on the Shelf» ist sogar mit nach Kansas City gekommen und hat uns am Weihnachtsmorgen die «Stockings» gefüllt. «Stockings» sind diese Strümpfe, die meistens am Kamin hängen.
Weihnachten in Amerika zu feiern war ganz anders als in der Schweiz. Am Weihnachtsmorgen sind wir alle zum Haus der Verwandten gegangen und haben dort zuerst gefrühstückt, bevor wir anschliessend Geschenke ausgepackt haben. Es war ein mega tolles Erlebnis, aber was ich vermisst habe, war der Schnee. Ich bin daran gewöhnt, dass es an Weihnachten Schnee hat. Trotzdem war es unglaublich toll! Gerne würde ich wieder einmal bei meiner Gastfamilie Weihnachten verbringen.