Seit ich in Zürich in meinen Flieger nach Amerika gestiegen bin, mit der Absicht erst in einem halben Jahr zurückzukommen, sind schon 3 Monate vergangen und ich muss sagen, es fühlt sich gar nicht danach an. Ich denke das liegt daran, dass ich – abgesehen von fünf Tagen Schule – unglaublich viel erlebe und sehe. In den ersten Wochen habe ich zwei Museen besucht. Das «Museum of Fine Arts» ist eines der grössten Museen in Houston und besteht aus neun Gebäuden. Ich habe natürlich nur einen kleinen Teil davon gesehen, war aber begeistert von den Gemälden, die den Kunststylen Impressionismus und Renaissance angehören. Ich habe viel mit meiner Gastmutter diskutiert, was die Künstler mit ihren Gemälden ausdrücken wollten. Ein Bild sagt viel über die Werte des Künstlers und die Art und Weise, wie er lebte, aus.
Etwas vom coolsten, was ich bis jetzt erlebt habe, ist definitiv ein Baseball-Spiel. Da diese Sportart in der Schweiz nur halb so populär ist, war das komplettes Neuland für mich. Ich hatte Baseball zwar schon ein paarmal in der Schule gespielt, aber meine Gastmutter musste mir zuerst trotzdem die ganzen Regeln und Spielpositionen erklären. Das Stadion, welches in der Mitte von Houston Downtown steht, war gefüllt mit Menschen. Jeder trug ein Trikot der Astros (so heisst das Baseballteam) und war mit Nachos oder einem Bier in der Hand unterwegs. Ich wurde vorgewarnt, dass Baseball langweilig sein kann, da nicht immer gerade ein Homerun gemacht wird, aber ich fand das Spiel super interessant und die Astros haben sogar gewonnen.
Da unsere Schule ein Footballteam hat, war ich auch schon an einem solchen Spiel. Meiner Meinung nach ist es aber langweiliger als Baseball. Das könnte hauptsächlich daran liegen, dass Football sehr viele Regeln hat und ich keine einzige davon kenne und die Spieler so gut wie immer auf dem Boden gelegen haben. Bei den Spielen, die wir im Fernsehen gesehen haben, war das zum Glück nicht die ganze Zeit der Fall. Trotzdem hatte ich viel Spass und der «school spirit», den man immer in den amerikanischen Filmen sieht, war auch vorhanden.
Neben dem Besuch des Lieblingsmusicals meiner Gastschwester, welches unglaublich gut war, hatte ich im September auch «Homecoming». In der sogenannten «Spirit Week» war die Schuluniform für einmal nicht erwünscht. Wir sollten jeden Tag nach einem Motto gekleidet in die Schule kommen. «Inside out» (Disney Film mit den Emotionen) und «Throwback Thursday» (anziehen wie z.B. in den 80ern) haben mir besonders viel Spass gemacht und fast die ganze Schule hat dabei teilgenommen. Am Freitag war dann der «Homecoming dance», für den ich mir etwas Schickes zum Anziehen besorgen musste. Leider war der Abend nicht so toll, wie ich erwartet hatte, da die Umsetzung des Mottos «Sneaker Gala» nicht die beste Wahl war und kaum Stimmung herrschte. Dank meiner Freunde hatte ich jedoch einen unterhaltsamen und erinnerungsreichen Abend.
In Amerika hat man nicht so viel Ferien wie in der Schweiz. Dennoch hatten wir im Oktober zwei Tage frei in der Schule und haben unser verlängertes Wochenende genutzt, um dem Disney World in Orlando einen Besuch abzustatten. Diese fünf Tage waren die anstrengendsten und gleichzeitig erlebnisreichsten Tage, die ich je erlebt habe. Für mich war das meiste, was ich dort gesehen und erlebt habe, unvorstellbar. Disney World besteht aus vier Parks. In jedem Park gab es andere Bahnen und Disneyfilm-Themen wie zum Beispiel Star Wars, Schneewittchen, Winnie Pooh oder die «Schöne und das Biest». Abgesehen von der Hitze und dem vielen Anstehen für die Bahnen, hatte ich den Spass meines Lebens. Der Park «Epcot» war, glaube ich, das coolste, da wir durch verschiedene Länder gehen konnten. Jedes Land war aufgebaut, wie es dort auch aussieht, mit den Hauptsehenswürdigkeiten und natürlich auch dem typischen Essen. Meine Gastfamilie und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht, von jedem Land etwas Typisches zu essen. Wie zum Beispiel Sushi in Japan, Crêpe in Frankreich oder Fish and Chips in Grossbritannien. Wir mussten aber in der Hälfte aufgeben, da es einfach zu viel war. Zu meiner Überraschung waren die Mitarbeiter, die dort angestellt sind, alle aus dem entsprechenden Land und sprachen auch die jeweilige Landessprache. Dementsprechend konnte ich mich mit unserer Kellnerin im Biergarten in Deutschland auf Deutsch unterhalten. Zurück in Houston ging es schon weiter mit den Vorbereitungen für das Theater «Little Women», bei dem ich mitgeholfen habe. Es war eine richtig tolle Erfahrung, einmal bei einem Theater dabei zu sein und zu sehen, wie das Ganze so abläuft.
Und nicht bald später stand schon Halloween vor der Tür. Ich selbst habe noch nie Halloween gefeiert und war dementsprechend sehr gespannt, wie die Amerikaner diesen Brauch feiern. Am Wochenende vor Halloween war ich zu einer Party eingeladen, wo sich jeder verkleidet hat und wir Kürbisse angemalt haben. Mit meiner Gastfamilie zusammen habe ich Kürbisse geschnitzt, was unglaublich viel Spass gemacht hat und auch nachher schön zum Anschauen war. An Halloween selbst bin ich mit Freunden auf die «Trick or Treat»-Tour gegangen. Es war wirklich wie in den Filmen, wo man von Haus zu Haus läuft und man entweder von den Anwohnern die Süssigkeiten direkt bekommt oder sie aus einem riesigen Behälter vor dem Haus herausnehmen kann. Ich hatte die Befürchtung, dass wir die Ältesten sein könnten, aber es hatte auch viele ältere als wir. Was mich am meisten geschockt hat, war, dass manche Eltern ihre Kinder tatsächlich von Haus zu Haus gefahren haben, damit sie nicht laufen mussten.
Das Neuste, was hier bisher passiert ist, war natürlich die Wahl des neuen Präsidenten und des Parlaments. In meiner Schule war das fast schon ein Tabuthema und niemand hat sich wirklich getraut, dieses Thema anzusprechen. Aber wenn man durch die Stadt fährt, sieht man in vielen Vorgärten Schilder, auf denen entweder Harris Walz oder Trump Pence steht. Dank meinem «Government»-Unterricht, der Debatte und Rally’s, die ich mit meiner Gastmutter verfolgt habe, hatte ich einen relativ guten Überblick über die Situation. Für eine Europäerin, die mit einer total anderen Regierungsform aufgewachsen ist, war das fast unvorstellbar, wie die Wahlen funktionieren, und im Endeffekt auch überhaupt nicht vorhersehbar, wer schlussendlich gewählt wurde. Die letzten Tage vor dem Wahltag waren sehr angespannt und in den Medien war nur noch dieses Thema präsent.
Der Tag danach war aber ganz anders. Ich habe mit meinen Freunden fast den ganzen Tag nur über die Wahlergebnisse gesprochen und habe viel mehr mitbekommen, wer jetzt wen und warum gewählt hat. Auf der einen Seite herrschte Unglaubwürdigkeit und Empörung. Wiederum andere feierten die Ergebnisse.
Auf jeden Fall war diese Zeit sehr spannend und ich bin froh, dass ich sie erleben durfte.
Schon bald werden wir Thanksgiving feiern und wir kommen in den Genuss von einer Woche Ferien. Trotz der für mich immer noch sommerlichen Temperaturen, weihnachtet es in Houston schon. Die Geschäfte, Strassen und Häuser sind bunt geschmückt. Meine Gastmutter hat bereits den Weihnachtsbaum aus Plastik aufgestellt.
Ich freue mich schon sehr auf alles, was mit Weihnachten zu tun hat, und bin dankbar, dass ich mein Lieblingsfest einmal in «American style» erleben darf.