«Verschiebung im Gestein» – Mariann Bühler las im «Wortreich» Glarus

Unlängst las Mariann Bühler (*1982) – Autorin ihres ersten Romans, Literaturvermittlerin, Initiantin des Projekts Sofalesungen, Studien an der Uni Basel und der Freien Universität Berlin (Englische Literatur- und Sprachwissenschaft, Islamwissenschaft und Gender Studies) – in der stadtglarnerischen Kulturbuchhandlung «Wortreich».



Mariann Bühler (rechts) und Christa Pellicciotta (Bilder: peter meier)
Mariann Bühler (rechts) und Christa Pellicciotta (Bilder: peter meier)

Ihr literarisches Schaffen wurde verschiedentlich ausgezeichnet (Werkbeitrag des Fachausschusses Literatur beider Basel, 2018 und Zentralschweizerische Literaturförderung, 2020). Der Roman ist für den Schweizer Buchpreis 2024 nominiert.

Christa Pellicciotta, Geschäftsführerin der Buchhandlung, begrüsste eine erfreuliche Schar Literaturinteressierter. Wie gewohnt wies sie auf die verschiedenen Anlässe der Buchhandlung hin (Filme, Referate, Theater). Der Debutroman habe sie und weitere Personen derart fasziniert, dass man sich gerne zur Einladung der Autorin entschieden habe. Über eine interessante Stunde hinweg gab es eine muntere Vermischung vieler Fragen, Hinweisen zu den Romanfiguren, der sich über sieben Jahre dahinziehenden Entstehungsgeschichte des Buchinhalts, die Arbeit des Lektorats und Fragen aus dem Publikum.

Mariann Bühler hat drei im Buch vorkommende Personen geschaffen, die voneinander nichts wissen, und durch Dörfliches und die persönlichen Schicksale doch miteinander verbunden sind, sich Drängendem über die eigene Zukunft zu stellen haben.

Da ist beispielsweise Elisabeth, die eine Bäckerei führt  und mit dieser Arbeit ganz vieles mitbekommt, was Kundinnen und Kunden erleben, denken, wie sie urteilen. «Die Jahre legten sich wie Ringe um den Körper» - Bühler deutet das aus, in faszinierender Kürze, mit viel Anteilnahme und Klarheit. Sie lässt den Lesenden Raum fürs Mitvollziehen, Vermuten, schafft Raum fürs innerliche Dabeisein.
Es kommen Alois und Camenzind dazu, zwei knorrige, naturverbundene Typen, die im Wald arbeiten, in der Natur oder an ihrem jeweiligen Arbeitsort verweilen, wenig reden und sich innerlich verstehen.
Die dritte Figur betrifft die junge Frau, die ins Dorf zurückkehrt, bei den Grosseltern den Schlüssel zum Sommerhaus holt, vieles wiederentdeckt – als ob das Haus zu sprechen beginne. 

Mariann Bühler erweist sich als sorgsam Betrachtende, weit Erfassende, kenntnisreich und sachkundig Schildernde, Philosophierende. Sie vermeidet Knalliges, oberflächlich Grelles. Sie bezieht mit ihrem Schildern eine bedeutsame Vielfalt an Gedanken, Handeln und Erleben mit ein, gewährt ihren drei Figuren den notwendigen Raum fürs eigene Erleben. Es sind Räume, deren Inhalte keineswegs gerade, konfliktfreie Felder sind. Sie lässt Schicksalhaftes in beeindruckender Art wach werden. Stets ist sie beeindruckend nahe bei ihren Figuren. Sie gibt deren Leben viel Raum. Sie ist bemerkenswert intensiv Betrachtende, bezieht mit ein, was auf den verschiedenen Wegen zum Leben der drei Romanfiguren gehört. Sie vermeidet Sensationelles, Knalliges in kluger, reifer Art und gewährt damit Raum fürs Dabeisein, für Anteilnahme, Stimmung, Gefühle.

Im Anschluss an die Lesung ergaben sich mannigfaltige Gespräche. Man erwarb das Buch gerne, trug damit Erfahrungen nach Hause und liess Gehörtes in den eigenen vier Wänden vertiefend aufleben.