Verschtehsch – Zarina Tadjibaeva im Freulerpalast

Zur jeweiligen Mitgliederversammlung der Kulturgesellschaft Glarus – unlängst feierte sie ihr hundertjähriges Bestehen – gehört stets eine Kostbarkeit der besonderen Art. Diesmal war es Zarina Tadjibaeva, die sich wirblig, wortreich, mit riesiger Gestik, witzigst be- und verurteilend, vordergründig nachdenklich in Szene setzte. Sie amtete als Dolmetscherin mit gar schwieriger Kundschaft. Sie entführte in ferne Welten, brachte mit kurzen Fragmenten Denkweisen aus Persien, Tadschikistan und Russland an, sauste dann in mehr oder weniger vertraut Schweizerisches zurück. Der Reichtum an Ansichten und jeweiligen Befindlichkeiten war eine Klasse für sich.



Verschtehsch – Zarina Tadjibaeva im Freulerpalast

So weilte man kurzzeitig in irgendeinem Standesamt, wohnte Befragungen im Gericht oder vordergründig fordernden Verhören bei, wähnte sich im Spital oder bei irgendeinem Psychologen, stiess auf gelangweilte oder empörte Personen, amüsierte sich über gar kunstvoll ausgespielte Eigenheiten. Man erspürte die Macht – aber auch Ohnmacht – einer Übersetzerin. Genussvoll, dann wieder riesig ungeduldig, sich einschmeichelnd, rotznasig wertend, überheblich, zutiefst verletzt – das Tummelfeld der Emotionen entpuppte sich als sehr grossflächig.

Die Ukraine, Politisches und zutiefst verstörende, unverständliche Realität blieben für einmal ausgeklammert. Platz hatten gewachsene Traditionen, alltägliche Verhaltensweisen, lokale Eigenarten. Wie wahr alle Geschichte sind, weiss wohl nur die munter Agierende mit ihrer schweigsamen, als Denkmal hingestellten Assistentin. Einbezogen waren technische Hilfen, die mit Rhythmus, Melodie und wenigen Inhalten sinnbringende Ergänzungen ergaben.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, alle Gefühle, Wendungen, Schicksale, Schreie, Ausbrüche aufzuführen, zumal nicht weniges fast im Sekundentakt angespielt war und in sofortige Wechsel mündete. Die Schweiz gehört definitiv dem Schweizer, Perser sind Weltmeister im Geschichtenerzählen – dies und anderes wurden ausgespielt, mit riesiger Leidenschaft, Geschick und dem Einbezug des spürbar aufmerksamen Publikums im Rittersaal des Freulerpalasts.
So wurde denn über den folgenschweren Unfall des Kirschenpflückers, die fatalen Folgen einer langen Autofahrt samt leichtem Unfall, über auffallende Kleidung irgend einer Klientel, Prozessverläufe, Ablauf einer Flucht aus Afghanistan samt enorm peinlicher Befragung,
Relevantes für alle, die sich in der Schweiz aufhalten, Folgen des «Lebendigen Wassers» kenntnisreich referiert beziehungsweise gesungen und getanzt. Was Zischlaute alles in sich haben, welche Tonbilder daraus resultieren – kein Problem für die so munter Einheragierende, die sogar als Dolmetscherin für Delfine im Einsatz sei.
Ihr Talent stellte sie als Moderatorin einprägsam unter Beweis, alle Gefühle und Daseinsformen wurden da ausgespielt, beinahe niemand und nichts blieben ausgeklammert, ab Gewissenhaftigkeit, Orthodoxe, Feinschmecker, Sensibler, Ethnologie, alles wurde kurzzeitig Raum gewährt.
Es war ein kurzweiliger, inhaltsstarker Bezug zu zahlreichen Gefühlen und Fakten, seien das Halb- oder Ganzwahrheiten, unserer Welten.