«Via Mala» – brillante Schauspielkunst im Wortreich Glarus

Verwirrlicher, Zwischenmenschliches absolut zerstörend, intrigenreicher, abgrundtiefe Verachtung, Hass, Verzweiflung, Alkoholsucht, Geiz und Habgier, dann wieder innige Liebe, gar adrettes Treiben im Wirtshaus samt Flirt, Süssigkeiten und oberflächlicher gegenseitiger Liebe – alles inmitten einem total zerrütteten Familiengefüge, Schlägen des jähzornigen, herrischen Vaters mit bleibenden körperlichen Schäden, geistiger Behinderung und in einer Umgebung, die zu diesem wechselvollen, alles andere als leicht verdaulichen Geschehnissen passt – das ist Via Mala, als schwieriger, böser und oft dunkler Weg.



«Via Mala» – brillante Schauspielkunst im Wortreich Glarus

John Knittel schrieb den im Jahr 1934 veröffentlichten Roman. Dieser Geschehnisse nahmen sich die beiden Schauspieler Gian Rupf und Volker Ranisch an. Sie setzten Bedrückendes, Unbegreifliches, inhaltlich kaum Nachvollziehbares in ihrer Lesart um. Ihr intensives Ausspielen ist voller Leidenschaften, ist enorm wirblig, auf höchstem Niveau unterhaltsam. Es werden damals herrschende Verhältnisse und Befindlichkeiten durchleuchtet, szenisch umgesetzt. Und welche Inhalte bis heute Gültigkeit haben, sei den Betrachtenden überlassen.

Man stösst auf Jonas Lauretz, einen gelangweilten Sägemüller. Die äusseren, auch geografisch vorgegebenen Umstände samt langem Winter, Familienstruktur, Beschäftigung und Alltagstrott haben ihn zum oft gewaltbereiten, brutal dreinschlagenden Säufer werden lassen. Seine Familie fürchtet und meidet ihn, wenn immer möglich. Seine Geliebte hat er in einem unweit seines Hauses liegenden Winterhäuschens einquartiert. Die eigene Familie, es sind die Mutter und vier Kinder, ein Sohn ist schwer behindert, haben den fordernden Winter in der weiter oben gelegenen Sägemühle zu meistern. Wie sie das tun, ist ihnen überlassen. Ob die beiden kleinen Zwillingstöchter aus dieser Familie ermordet worden sind, weiss niemand so genau. Wohlstand und Ansehen sind weg, niemand will mehr mit dem alten Lauretz geschäften. Der bestiehlt sogar seine eigenen Kinder, nimmt eine grössere Summe zu sich, die eigentlich seiner noch nicht volljährigen Tochter zusteht, beraubt einen Taglöhner, streitet alles ab. Da perlen auch vier Monate Haft an ihm ab. Die Angehörigen töten ihn gemeinsam. Die Leiche wird verscharrt. Das erfährt die Tochter, sie deckt die Täterschaft. Sie verliebt sich in den Untersuchungsrichter, der sich dieser Tat annimmt, unangenehm nachforscht und sich nach der Beantwortung vieler Fragen entscheidet, den Mord so sein zu lassen, wie es der Wirklichkeit entsprochen hat. Jonas Lauretz wird als verschollen erklärt.

Sich im Wirbel aller Vorkommnisse bühnengerecht zu bewegen, derart zu agieren, dass ein hoher, die Interpretierende stark fordernder Unterhaltungswert gewährt bleibt, erfordert Reife und Erfahrung, bedingt Einfühlungsvermögen. Gian Rupf und Volker Ranisch spielten auf der wohl kleinsten Bühne des schweizweit kleinsten Hauptortes inmitten minimaler Kulisse. Drehstuhl, hoher Kasten am hinteren Bühnenrand, Tischchen und Ordner genügten. Mit riesigem Geschick, vielsagender Gestik, zwischen zuweilen derben Mundartausdrücken und Bühnendeutsch wechselnd, deutungsstarker Mimik wurden die Rollen elegant, temporeich und mühelos gewechselt als wäre gerade Derartiges die einfachste Sache der Welt.

Man nahm mit starker innerer Spannung wahr, wie Drohen, Verzweiflung, Flirten, Kaffeehausvergnügen, Verzweiflung, Flehen, Freude, Bitten, Trauer, Wut, Abwehr, Beschwören Ungeduld, Abwarten, Verschweigen ausgespielt wurden. Das war hohe Kunst, wie man sie vorbehaltlos aufnehmen und geniessen kann. Das war tiefgründiges Auseinandersetzen, das vor «ausverkauften Rängen» mit starkem Beifall honoriert wurde.

Die Kultur ist wieder zurück, man dankt es den Interpreten und Organisierenden, dass schmerzlich Vermisstes wieder zum willkommenen Leben auferweckt worden ist.