Vieles hat sich seither geändert

Wer selbst vor mehr als 50 Jahren an einem Turnfest teilgenommen hat, erinnert sich gut, dass dazumal einiges ziemlich anders war als heute. Gemischte Vereine mit Frauen und Männern wie heute waren undenkbar, «die Scharen im weissen Gewand», so wie im Turnerlied heute noch gesungen wird, waren wirklich nur weiss und nicht so farbenfroh.



Turnfest Weesen 1949: Der TV Glarus a.S. bei den Marsch- und Freiübungen
Turnfest Weesen 1949: Der TV Glarus a.S. bei den Marsch- und Freiübungen

Die damaligen Marsch- und Freiübungen waren stark militärisch gefärbt, da wurde wie bei der Zugschule im Militär in Viererkolonne marschiert, «geschwenkt, in Linie links aufmarschiert und mit Gruppen links geschwenkt!», unter dem scharfen Kommando des Oberturners. Die damit verbundenen Freiübungen mussten vor allem synchron sein und sahen für die Zuschauer gut aus, aber von Lockerheit spürte man nachträglich nichts, es war eher ein «Krampf» für die Beteiligten. Gymnastik von heute war mehr oder weniger unbekannt. Barren, Reck, Ringe und Pauschenpferd standen bei den Gerätesektionen im Vordergrund, später kamen die Schaukelringe dazu. Kugel- und Steinstossen, Hoch- und Weitsprung, Pendelstafette mit dem Stab, Schleuderball und Werfen mit dem Wurfkörper gehörten zu den Programmen der damaligen Vereine, und manches ist bis heute so geblieben. Die Frauen turnten in kornblumenblauen Turnkleidern, selbstverständlich alle gleich angezogen. Ihre Übungen waren lockerer als die der Männer und Ranglisten gab es keine, das gehörte sich dazumal für Frauen nicht. Als Ehrendamen und Helferinnen hingegen waren sie hochwillkommen.

Was Ehemalige erzählen

Fritz Jakober, Jahrgang 1923, und Paul Eugster, Jahrgang 1917, der älteste männliche Einwohner von Schwanden, gehörten damals und heute noch dem Turnverein Glarus alte Sektion an, der in den Sechzigerjahren mit bis zu 72 Mann das Sektionsprogramm absolvierte. Jakober weiss heute noch alle Daten, wo welches Fest stattfand. So besitzt er noch die «Tagesordnung» des TV Glarus a.S. für das Turnfest in Ems vom 27. Juni 1954. Besammlung ist um 06.00 Uhr auf dem Bahnhof Glarus, das Tenue für die Marsch- und Freiübungen ist: kurze weisse Hose, Leibchen mit Steinbock, weisse Socken und dunkle Halbschuhe. Die Teilnahme am Festumzug obligatorisch und das Nachtessen um 18.00 Uhr wird aus dem Rucksack eingenommen. Der Oberturner schreibt zum Schluss: «Liebe Turnkameraden, durch letzten Einsatz, Ruhe und guten Willen und guter Kameradschaft wollen wir in Ems zeigen, dass wir die (unterstrichen) alte Sektion Glarus sind. Es muss gelingen, Euer Oberturner.» Um 23.00 Uhr ist die Ankunft in Glarus und die Entlassung (!) vorgesehen.

1951 schlief man am Turnfest in Lausanne noch auf Strohsäcken. Apropos Lausanne: der TV Engi soll sich gemäss Erzählung für die Sektionsvorführung bereitgestellt haben und der entsprechende Funktionär, natürlich ein Romand, rief laut und deutlich: «Angschi!» worauf die guten Engeler klar feststellten: «Das sind nüd mir!» Der Funktionär wiederholte seine Aufforderung lauter und deutlicher, die Engeler reagierten genau gleich wie vorher. Unsere Kleintaler traten deshalb zu spät an und bekamen Punktabzüge. An die Kunstturner-WM im Jahr 1950 in Basel durften jeder Kanton eine Sektion für einen Spezialwettkampf stellen, der TV Glarus a.S. wurde dabei mit den Disziplinen Marsch- und Freiübungen, Pferd und Reck Fünfte, man war mächtig stolz darauf, wie Fritz Jakober erzählt.

Paul Eugsters Bruder Hans wurde 1952 in Helsinki Olympiasieger im Barrenturnen, er war 1950 in Basel bereits Weltmeister geworden. Er zeigte seine Kürübung an der Einweihung des Turnplatzes Gründli in Glarus Ende Anfang der Fünfzigerjahre, bewundert von Hunderten von Zuschauern. Eugster erinnert sich auch gut an das Turnfest in Davos um 1965, wo es ausserordentlich kalt war. Ein Turner des TV alte Sektion war etwas «gstabig» und störte den synchronen Ablauf, was zu Punkteabzügen geführt hätte. Was tun? Oberturner Ernst Blumer fand die gute Lösung. Besagter Turner durfte während der Marsch- und Freiübungen die Fahne halten, was er mit viel Stolz und Würde auch gerne tat. Das Eidgenössische 1947 in Bern, wo es sehr warm war, sei für ihn das Schönste gewesen, sagt Fritz Jakober, wir hatten einen sehr guten Zusammenhang unter uns Turnern.

Abschliessend sei das Gla-Bü 1958 in Schwanden erwähnt, weil dazumal die gesamten Anlagen im Wyden samt Schwimmbad «nigelnagel» neu waren und man deshalb zum Rasen Sorge tragen musste. Zudem war das Wetter optimal, hoffentlich so wie am 15. bis 17. Juni 2012.