Vince Ebert und seine (unsere) Zukunft – alles in der Kanti Aula Glarus

Derart rasant, witzig, unterhaltsam und ungemein klug wie Vince Ebert seine Anmerkungen zur Zukunft, auch zu Vergangenem und Gegenwärtigem hinkriegt, muss man erst mal gesehen und gehört haben. Auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus gastierte er in der gut besetzten Aula der Kanti Glarus. Zuweilen war es ein Sturzbach an nicht nur vergnüglich Wortreichem. Es kam auch begrüssenswert Kritisches, nachdenklich Stimmendes auf.



Vince Ebert und seine (unsere) Zukunft – alles in der Kanti Aula Glarus

Ebert war mit seiner computerverbundenen «Vel» – da stecke seine Gattin Valerie dahinter – praktisch immer online. Sie klinkte sich nur nach arger Verstimmtheit aus – und konnte nach solchen Situationen ungemein schnippisch agieren. Das Begegnen mit Vince Ebert und seiner «Zukunft is the Future» war ungemein reichhaltig, farbig, hochklassig gut.

Charmant wurden alle begrüsst, nachdem der Aufführungsraum endlich zur Verfügung gestellt werden konnte, irgendetwas hatte da eine leichte zeitliche Verzögerung bewirkt. Und dann tauchte Vince Ebert auf, schnörkellos und sofort zum Hauptthema gelangend – obwohl er diesen Pfad zuweilen verliess, gekonnt seine gedanklichen Schlenker einbaute und durch die intensiv mitvollziehende, per Computer zugeschaltete Frauenstimme zur Direktheit ermahnt wurde. Um sich abendfüllend über die Zukunft zu äussern, braucht es gewaltig viel Übersicht, Gerissenheit, Wortwitz, kombinatorisches Geschick, Klugheit, Einfühlungsvermögen, Fabulierkunst und andere Eigenschaften, die Vince Ebert, so scheint es, quasi in die Wiege gelegt worden sind. Und wie man dann alles so geschickt darbringt, wie es bei ihm der Fall ist, bleibt Geheimnis. Er meinte zwar locker, dass man das einfach ganz genau einstudieren müsse, dann gelinge das schon!

Einst war er, im Mai 1968 geboren, im unterfränkischen Amorbach aufgewachsen, nach langem Studium, Physiker. Seit 20 Jahren ist er auf vielen Bühnen unterwegs, als Kabarettist, Publizist und inzwischen mehrfach Ausgezeichneter. Seine Spritzigkeit, charmante Direktheit, seine unvergleichlich clevere Art des Analysierens und Vergleichens, irgendwelche, zuweilen verrückt – entrückte Links einzubringen – sind umwerfend. Man müsste permanent höchst aufmerksam hinhören, was fordernd ist, zuweilen überfordert. Eberts geistiger Reichtum ist beneidenswert grandios, wie auch seine Fähigkeit, alles wortgewaltig, farbenreich und leidenschaftlich hinzukriegen.

Und alles dreht sich – titelgebunden – um die Zukunft, um Fakten, die vielleicht mal Tatsache werden oder es schon in unser Leben reingeschafft haben. Es seien, absolut ohne Anspruch auf Vollständigkeit erwähnt: Frauenquote im Vatikan; Flüge mit Raketenrucksack; künstliche Intelligenz; perfekt Geklontes; zu lenkende Thermodynamik; absoluter Nullpunkt; Unisex-Toilette; stets falsche Zukunftsprognosen, die zu korrigieren wären; staufreies Bewegen; führerloses Vehikel in der Kolonne und mit dem Zug anreisender Besitzer; störungs- und pannenfrei verkehrende Deutsche Bahn; intelligente Wesen, die Astro-TV moderieren; designte Wunschkinder; Berechenbarkeit der Weltschicksale; nach Wiedererwachen so sein, wie es einst war, skandalfreie, preisgünstige Partnervermittlungen; Entwirren des Datensammel-Chaos. Vieles kam noch dazu. Nach irgendwelchen Prioritäten bedeutsames Einordnen ist unmöglich.

Und Ebert flocht Verständliches ein. Ein Beispiel: Würde man das Bestehen der Welt auf einen Tag reduzieren, entfielen auf die Menschheit exakt 77 Sekunden. Er gab zu bedenken, was in dieser Zeitspanne alles erreicht worden ist.

Er befasste sich mit der Forschung nach Unsterblichkeit, mit Alterungsprozessen, mit Homöopathie, mit der künstlichen Intelligenz, der zunehmenden Dominanz von Frauen, Aktionismus, Oekostrom, Verkehrsaufkommen, Weltniedergang – alles in Vermischung von Nachdenklichem, Wirklichem, Wünschbarem, Unwillkommenem.

Ebert hörte auf, nachdem sich auch die stets so aufmerksam, zumeist liebenswürdig und ganz klug ausformulierende Stimme ab Monitor verabschiedet hatte.

Es war gleichzeitig der Abschied von den Saisonangeboten der so umsichtig organisierenden Kulturgesellschaft Glarus – im Wissen, dass es auf gewiss interessante, attraktive Weise weitergehen wird.