Historisch gesehen verlief die Erziehungsphase von Kindern geradlinig bis durch den Psychologen Siegmund Freud im 19. Jahrhundert das humanistische Menschenbild geprägt wurde. Eltern hatten einst keine bis nur geringe emotionale Bindung an ihre Kinder, da die Sterblichkeits-Rate bis ins 20. Jahrhundert hinein hoch war und diejenigen Kinder, die überlebten, hatten zum kargen Lebensunterhalt durch Mitarbeit beizutragen. Über Generationen hinweg war der Umgang der Mutter mit ihren Kindern ohne Hinterfragen entsprechend ihrer eigenen Erfahrung als Kind, bis in den 60er-Jahren die erste Nachkriegs-Generation sich explosionsartig dagegen auflehnte. Erst jetzt begann durch alle Gesellschafts-Schichten hindurch sich das nach wie vor starre Erziehungsmuster aufzuweichen, indem vorerst einmal Mütter versuchten, sich von der Vorbildfunktion ihrer Mutter zu lösen.
Durch Reflektion Bewusstsein schaffen
Dieser Prozess dauert heute noch an, mit dem Unterschied, dass auch Väter sich kritisch mit ihren Kindheits-Erfahrungen langsam beginnen auseinander zu setzen. Dass es noch ein weiter Weg sein wird, um den Kindern künftig genügend Freiraum zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu gewähren, wurde am ersten Workshop vom vergangenen Samstagmittag im Rahmen der Kampagne „Stark durch Erziehung“ allen Teilnehmenden fast überdeutlich bewusst. In fünf verschiedenen Gruppen wurde über gemeinsam festgelegte Themen reflektiert, wie beispielsweise der „Ist-Zustand Erziehung“ nicht nur als innerfamiliäre sondern auch als gesellschaftliche Realität oder darüber gesprochen, wie frau ihre eigene Kindheit erlebte.
Sich vom Einzelkämpfer-Modus verabschieden
Der Rückzug in die Kleinfamilie und die zunehmende Zahl von Alleinerziehenden führt immer wieder zur Überforderung von Eltern. Auch durch das ständig anwachsende Angebot von neuen Erziehungsmodellen, sei dies für Eltern oder auch durch gesellschaftliche Veränderungen wie Tagesschulen, Weiterführung der beruflichen Tätigkeit der Mutter teilzeitlich. So ist es heute notwendiger denn je, dass Eltern sich im Gespräch miteinander austauschen, um den an sie gestellten Anforderungen auch gewachsen zu sein. Am Schluss des Workshops wurde in beeindruckender Deutlichkeit klar, dass für Eltern die Möglichkeit geschaffen werden sollte, sich untereinander spontan oder auch in regelmässigen Abständen aussprechen zu können, um sich von dem auf ihnen lastenden Druck zu befreien und um frühzeitig darauf zu reagieren, bevor es zur Überforderung kommen kann.