Von Moskau nach Berlin

Seit einiger Zeit berichtete der Glarner Autor und glarus24-Kolumnist Martin C. Mächler von seinen Erlebnissen und Eindrücken aus Moskau. Nach seinem Umzug in die deutsche Hauptstadt wird er dies auch von seinem neuen Domizil aus tun. Lesen Sie hier zum ersten Mal: «Neues aus Berlin».



Vom Kreml zum Branderburgertor: Martin C. Mächler berichtet neuerdings von der deutschen Hauptstadt. (Bild: mcmächler)
Vom Kreml zum Branderburgertor: Martin C. Mächler berichtet neuerdings von der deutschen Hauptstadt. (Bild: mcmächler)

Der Spontanumzug

Berlin! Das haben wir uns gewünscht. Nun sind wir da. Die Wohnung ist eingerichtet. Das Leben in dieser Stadt kann beginnen. Der Umzug von Moskau in die deutsche Metropole hat ohne Probleme geklappt. Mitten in der Stadt haben wir eine sehr schöne Wohnung gefunden. Alles was man braucht, ist in der Nähe. Fussläufig, wie man hier zu sagen pflegt. Ein Auto wäre zum Leben hier nicht unbedingt notwendig. Und doch haben wir eines bestellt. Aber das dauert noch einige Wochen. Und so sind wir des Öfteren mit dem Taxi unterwegs.

Als wir eines Tages mit einem Taxi vom Möbelmarkt nach Hause fuhren, kam ich mit dem Taxichauffeur ins Gespräch. Ich erzählte ihm, dass wir vor Kurzem von Moskau nach Berlin umgezogen seien. Und dass dies mit viel Umtrieben und Arbeit verbunden sei. Im Laufe des Gesprächs erwähnte er, er mache ab und zu auch Umzüge.

«Haben Sie noch ein Transportunternehmen?», fragte ich ihn.

«Nein, ich mache die Umzüge mit dem Taxi.»

Etwas ungläubig fragte ich nach, wie das mit einem Taxi möglich sei.

«Doch, doch», meinte er. Aber es handle sich dabei mehr um Spontanumzüge.

Aha, Spontanumzug. Das gibt es hier also. Ich liess mir dann erklären, was es damit auf sich hat.

Berlin ist eine Stadt der Singels. Vor allem der Stadtteil Prenzlauerberg ist dafür bekannt. Und es komme des Öfteren vor, dass mitten in der Nacht Leute vor verschlossenen Haustüren stehen. Ausgerüstet mit zwei Plastiktüten und einem verbeulten Karton, indem ihre Habseligkeiten sind. Ausgesetzt, einfach vor die Tür gestellt. Die Gründe sind vielfältig. Ärger mit dem Freund oder der Freundin. Ehefrau oder Schwiegermutter machen Schwierigkeiten. Oder auch der unfreiwillige Auszug aus Wohngemeinschaften. Alles ist möglich. Es sei auch schon vorgekommen, dass Restbestände des Hausrates der Betroffenen noch nachträglich aus dem Fenster nachgeliefert wurden. Und das meistens mitten in der Nacht. Und so bleibt nichts anderes übrig als ein spontaner Umzug.

Bei diesen Schilderungen war ich doch echt froh, dass mir dies bis jetzt erspart geblieben ist, und ich will mein Bestes versuchen, dass so etwas nie vorkommt.
In den letzten 20 Jahren sind wir schon neun Mal umgezogen. Aber spontan war es noch nie. Aber man lernt nie aus.
Wenn Sie das nächste Mal ein Taxi sehen, könnte es also auch ein Spontanumzug sein.