Wachstum im Glarnerland Fachreferate, Inputs und Umsetzung

Vielleicht haben sich gesamtkantonal Verantwortliche oder die Gemeindebehörden der fusionierten Gemeinden bis jetzt zu wenig nachhaltig mit dem Wachstum in unserem Bergtal – das mit der Agglomeration Zürich und weiteren angrenzenden Gebieten in immer stärkerer Weise verbunden ist – auseinandergesetzt. Viele drängende Fragen sind nur zögerlich gestellt worden.



Gesprächsleiter. Professor Dr. Michael Graff.
Gesprächsleiter. Professor Dr. Michael Graff.

Die interessierte Bevölkerung wurde in diesen Prozess bisher zu wenig eingebunden. Im Rahmen eines impulsgebenden Anlasses wurde informiert, setzte man sich an einen Tisch, nahm zu Visionen und Ideen Stellung. Kurze Fachreferate hielten Professor Dr. Michael Graff, Dozent an der ETH Zürich, Rahel Marti, Architektin und stellvertretende Chefredaktorin des Fachblatts Hochparterre, und Stefan Elmer, Standortentwicklung Kanton Glarus.

Eingeladen hatte die Sozialdemokratische Partei des Kantons Glarus. Eine vorbereitende Gruppe mit Christian Büttiker, Mitglied des Gemeinderates Glarus, hatte sich umfassend fürs Gelingen eingesetzt. Im – immer noch unbewirteten – Gesellschaftshaus Ennenda war alles bestens eingerichtet. Weit mehr als die eher wenigen Interessierten hätten Platz gefunden.

Einführung


Christian Büttiker begrüsste und zeigte auf, weshalb sich die SP diesem Thema vertiefend zu widmen gedenkt. Es sind dies beispielsweise die Reaktionen auf das Wachstum in Glarus Nord, die stetig wachsende Bevölkerung in der ganzen Schweiz. Erwähnt wurden zudem die neuen Nutzungspläne der Gemeinden und deren mangelhafte Abstimmung auf den kantonalen Richtplan und die spürbare Unsicherheit, ja Planlosigkeit und Unentschlossenheit der kantonalen Regierung zum Thema Wachstum. Nach den Inputs der Fachreferenten waren die Anwesenden gebeten, zu den Themenschwerpunkten Verkehr, Arbeitsplätze und Wohnen in verschiedenen Arbeitsgruppen Stellung zu nehmen und die Ergebnisse kurz zu präsentieren.

Fachreferate


Professor Dr. Michael Graff
befasste sich mit dem Wachstum aus wissenschaftlicher Sicht. Er sprach unter anderem zu Produktionsfaktoren und dem Produktionswachstum. Erwähnung fanden der zuweilen unverantwortlich steigende Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen und daraus resultierenden dramatischen Nachteilen. Die Weltbevölkerung müsse sich stabilisieren. Mit global zehn Milliarden Einwohnern ist die Tragfähigkeit unseres Planeten erreicht. Es existiere eine Grenze, deren Höhe aber nicht abschliessend bestimmbar sei. Graff wies auf die absolute Notwendigkeit eines gemässigten, verantwortungsbewussten und sorgsamen Einsatzes der vorhandenen Ressourcen hin. Wirtschaft setzte er mit einem guten Leben, dem Mittel zum Zweck, Handel, Arbeit, Arbeitsethos und aktuelle Politik in Verbindung, diese Faktoren auch erläuternd. Er kam auf den Standort Schweiz bezüglich Attraktivität für ausländische Firmen, die steigende Produktivität, Arbeitszeitverkürzungen bei gleich bleibendem Wirtschaftswachstum, zu änderndem Konsumverhalten und anderes zu reden.

Rahel Marti,Architektin mit glarnerischen Wurzeln, in Matt aufgewachsen, ist als Vizeredaktorin für die Fachzeitschrift Hochparterre tätig und unter anderem in den Bereichen Wachstum, Siedlungsentwicklung / Raumplanung stark engagiert. Sie zeigte auf, wie im Glarnerland weitergemacht werden soll. Quartiere mit Einfamilienhäusern sind gar nicht mehr im Trend, Einkaufszentren sind mit vielen drängenden Fragen (Verkehrsaufkommen, massiver Druck auf die Dorfläden, bauliche Konzepte) verbunden. Die heutigen Siedlungsbilder sind Zeichen von Wohlstand, Individualisierung, Konsumfreude, Auto-Mobilität. Überflüssige Bauzonen sind zu schliessen, sie wendet sich gegen derartiges «Bau – Erwartungs – Land». Bestehendes ist zu sanieren, umzunutzen. Verdichtetes Bauen ist unbedingt zu fördern. Rahel Marti sprach von «Verdaulichem Wachstum», vom Realisieren von Qualitätsbauten. Sie äusserte sich zum dringend erforderlichen preisgünstigen Wohnen, dem gemeinnützigen Wohnungsbau und sozialen Durchmischungen. Sie ist eine Befürworterin des Langsamverkehrs und des sehr massvollen Einsatzes des privaten Autos. Die Bevölkerung ist in die Entscheidungsfindung, um das Wachstum einzubinden.

Stefan Elmer ist als Standortentwickler beim Kanton tätig. Er vertrat Heinz Martinelli, kantonaler Wirtschaftsförderer. Elmer weiss, dass Wachstum nicht gleich Wachstum ist. Er erwähnte politische Vorgaben und präsentierte unter anderem den Entwicklungsplan bis 2020 mit den Bereichen Wirtschaft und Arbeit, Tourismus, Wohnen, Umwelt und anderem. Über die Richtplanung wird viel zu wenig diskutiert. Kantonale Fachleute, Gemeindeverantwortliche, Wirtschaftsvertreter und Verantwortliche für den Tourismus treffen sich regelmässig. Die Bedeutung der verschiedenen Industriezweige wurde aufgezeigt, das Bevölkerungswachstum in den drei fusionierten Gemeinden erwähnt. In Glarus Nord zeichnet sich ein starkes, fast überbordendes Bevölkerungswachstum ab. Vielleicht lassen sich die Pendlerströme und der Wohnsitz von Pendlern etwas lenken, indem beispielsweise Anreize fürs Wohnen in Glarus Süd geschaffen werden.

Diskussionen in den verschiedenen Gruppen


Sämi Zingg, Peter Kistler und Steve Nann äusserten sich zu den Inhalten der drei Themenkreise Verkehr, Wohnen und Arbeitsplätze. Damit verbunden war eine kurze Präsentation der Diskussionsergebnisse. Tempo 30, beispielsweise, ist mit flankierenden Massnahmen umsetzbar. Die Verkehrsaufkommen bei Arbeitsbeginn und -ende, auch bei Lektionsbeginn und -abschluss in den Schulen sind spürbar stark. Könnten Änderungen realisiert werden ? Der öV müsste im Halbstundentakt angeboten sein. Unbedingt ist eine sinnrichtige Parkplatzbewirtschaftung mittels Gebühren umzusetzen. Einkaufen im Dorf muss weiterhin möglich sein. Welche Arbeitsplätze wo Sinn machen – das war kaum in gültiger Art beantwortbar. Hochhäuser müssen in kinderfreundliche Umgebungen eingebettet sein. EFH – Quartiere im bisherigen Umfang sind passé. Zu viel Landreserven gehen verloren. Das Wohnen im sorgsam restaurierten Reihenhaus hat wertvolle Tradition und hohen Zukunftswert. Erholungszonen sind unbedingt zu erhalten und zu pflegen.

Ausklang, Weiterführen


Vieles ist zusammengekommen, ist im Ansatz diskutiert worden. Die Komplexität des Auseinandersetzens wird eine immense Arbeit zu Folge haben. Ein Sensibilisieren wurde eingeleitet. In welch prägender, umsetzbarer Form Inputs nun weiterverfolgt und -gegeben werden, ist nicht bloss vom Geschick und der Beharrlichkeit jener abhängig, die den gesamten Entwicklungsprozess schon mal angestossen, ein klein wenig kanalisiert haben. Es sind ganz viele einzubeziehen.