Warum impfen? Fridolin Walcher

Glarnerinnen und Glarner berichten vom Leben in der Pandemie. Wie haben sie sich informiert und was führte zu ihrem Entscheid für eine Impfung gegen das Coronavirus? Eine lose Serie während der Kampagne «Gemeinsam aus der Pandemie»: Fridolin Walcher, Fotograf



Fridolin Walcher: «Das Atmen wurde zur Qual, bergaufgehen ging fast nicht mehr» • (Foto: zvg)
Fridolin Walcher: «Das Atmen wurde zur Qual, bergaufgehen ging fast nicht mehr» • (Foto: zvg)

«Erste Meldungen aus China über eine Viruserkrankung habe ich falsch eingeschätzt und eher belächelt. Erst als die Welle über Chiasso in die Schweiz geschwappt ist, war mir klar: Es geht auch bei uns los. Und mir wurde bewusst, dass ich diese Krankheit wegen meiner chronischen Bronchitis nicht erwischen darf. Sechs Monate später geschah es trotzdem. Ich hatte starke Schmerzen auf der Lunge und wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Ich bekam hohes Fieber und eine schmerzhafte Lungenentzündung. Angst hatte ich schon, aber die Spitaleinweisung beruhigte mich. Nach 10 Tagen im Spital sagten mir die Ärzte ganz offen: «Entweder geht es Ihnen in zwei Tagen besser, oder es könnte auch Ihr Ende bedeuten.» Es war eine Situation wie zu Zeiten, als das Penizillin noch nicht erfunden war. Damit wurde mir klar, dass es auf beide Seiten kippen könnte. Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner inneren Einstellung etwas nachhelfen und dazu beitragen konnte, das Spital auf zwei Beinen zu verlassen.

Aber gesund war ich bei Weitem noch nicht. Die ersten fünf Monate zuhause waren wie ein Lehrgang «Leben in hohem Alter». Zusammen mit meiner Frau, die ebenfalls an Covid-19 erkrankt ist, sass ich lange Zeit zuhause fest. Das Treppensteigen wurde zu einer Bergtour; eine enorme Anstrengung. Es waren vor allem zwei massive Beeinträchtigungen, an denen wir litten. Einerseits wurde das Atmen zur Qual, das Bergaufgehen war fast nicht mehr möglich. Die Strecke in Braunwald, die ich bis anhin in einer Viertelstunde lief, wurde zu einem anstrengenden, einstündigen Marsch. Arbeiten konnte ich nicht wirklich. Nach zwei drei Mails oder einem Telefonat musste ich mich für eine Stunde hinlegen. Autofahren war kaum möglich; Stress pur. Long-Covid hat mein Hirn überreizt. Obwohl ich ein geselliger Mensch bin, hielt ich es in Menschengruppen kaum aus. Ich konnte den Lärm nicht ausblenden.

Irgendwann kam dann die Frage: Wird es überhaupt wieder besser? Fünf Monate nach der Ansteckung fühlte ich mich noch immer wie ein Greis. Zum Glück durfte ich das Long-Covid-Programm im Spital mitmachen. Dort wurde mir systematisch dabei geholfen, mich mental und körperlich aufzubauen. Erst nach 11 Monaten, während meinen Ferien am Meer mit Nichtstun und Spaziergängen, verbesserte sich mein Gesundheitszustand. Die Erkrankung war für mich ein extremer Zwischenhalt, während dem mir einmal mehr bewusst wurde, dass das Leben ein grosses Geschenk ist, zu dem man Sorge tragen muss.

Obwohl ich durch die Krankheit Abwehrkörper produziert habe, bin ich doppelt geimpft. Warum ich das tat? Ich wollte die Chance nutzen, mein Abwehrsystem bei der Stange zu halten. Im Vergleich zu dem, was ich durchgemacht habe, schienen mögliche Impfnebenwirkungen harmlos. Es ist aber auch das Einzige, das ich als Mitglied der Gesellschaft für andere tun kann. Dass es uns in der Schweiz heute so gut geht, ist eine Errungenschaft, die wir nur gemeinsam solidarisch erhalten können.»

Aufgezeichnet von Daniel Hauri