Was antike Schuhnägel über den Römerturm in Filzbach offenbaren

Die Forschungen über den Römerturm in Filzbach laufen auf Hochtouren. Der Römerturm und die beiden Wachtürme auf Stralegg in Betlis und dem Biberlichopf in Ziegelbrücke gehören zu den ältesten römischen Steinbauten im Gebiet der heutigen Schweiz. Sie wurden um 15 v. Chr. unter dem ersten römischen Kaiser Augustus erbaut. Obschon von nationaler Bedeutung, fristeten die drei römischen Wachtürme in den letzten Jahrzehnten ein tristes Dasein. Über der Ruine in Filzbach steht ein 150 Jahre altes, verlassenes Wohnhaus. Lediglich eine Tafel weist auf die historische Bedeutung hin.



Bild vonTamara Westphal. (c) Vindonissa-Professur Uni Basel. (zvg)
Bild vonTamara Westphal. (c) Vindonissa-Professur Uni Basel. (zvg)

Gegraben wurde zuletzt vor 60 Jahren. Damals hatte man die Bedeutung der römischen Militäranlagen erfassen können, viele Fragen blieben aber seither unbeantwortet. Nun endlich ist der Römerturm in Filzbach erneut in den Fokus der Forschung geraten. Prof. Dr. Peter-Andrew Schwarz von der Universität Basel präsentierte in seinem Referat vor dem Historischen Verein des Kanton Glarus am 13. Dezember 2022 im Soldenhoffsaal in Glarus die neuesten Funde und Ergebnisse.

Ausgelöst wurden die archäologischen Untersuchungen durch ein Bauvorhaben der Familie Gmür vom Hotel Römerturm. Dieses sieht vor, das Haus über der römischen Ruine abzubrechen und durch einen Neubau mit Wohneinheiten zu ersetzen. Die archäologischen Überreste sollen der Öffentlichkeit in einem «Kellermuseum» zugänglich gemacht werden.

In Zusammenarbeit mit der kantonalen Hauptabteilung Kultur und dem eidgenössischen Bundesamt für Kultur führte ein Team von Basler Archäologie-Studierenden unter der örtlichen Leitung von Natalie Hertig im Frühling 2022 eine Woche lang Ausgrabungen durch – und stiessen auf interessante Funde. Im Keller des alten Wohnhauses wurde beispielsweise der 2000 Jahre alte römische Fussboden aus Mörtel gefunden. Zu den Fundstücken zählen auch Tonscherben, Waffen und Schuhnägel römischer Sandalen. Gerade letztere liefern bedeutende Hinweise für die Datierung der Militäranlage. Dieselben Schuhnägel hat man auch auf einem römischen Militärlager auf dem Septimer gefunden, welches 2008 freigelegt wurde. Und auch auf dem «Schlachtfeld» bei der Crap Ses kamen 2021/2022 dieselben Nägel zum Vorschein. Sie unterstützen die These, dass die Walensee-Wachtürme mit dem Alpenfeldzug im Jahr 15 v. Chr. in Verbindung stehen. Während dieses Alpenfeldzugs unterwarfen Tiberius und Drusus, die Adoptivsöhne von Kaiser Augustus, die mittleren Alpen und das Alpenvorland. Bisher ist man davon ausgegangen, dass ein östlicher Feldzug durch Drusus und ein westlicher Feldzug durch Tiberius erfolgt ist. Die neuesten Funde zeigen jedoch, dass auch ein weiterer, dritter Vorstoss durch die Zentralalpen unter L. Calpurnius Piso erfolgte. So tragen also die römischen Schuhnägel in Filzbach dazu bei, den historisch überlieferten Alpenfeldzug auch archäologisch nachzuweisen.

Zusammen mit den Ausgrabungsunterlagen der 1960er-Jahre, die erst kürzlich im Nachlass der damaligen Grabungsleiter Fritz Legler-Staub (1908–1986) und Prof. Dr. Laur-Belart (1898–1972) gefunden wurden, liefern die aktuellen Untersuchungen wichtige Hinweise über das strategische Konzept der Walensee-Türme. Viele Fragen sind derzeit noch offen, beispielweise, warum und von welchen Einheiten der Römerturm errichtet wurde oder wann und wie er seine Funktion als römische Militäranlagen wieder verloren hat. Es bleibt spannend, was die zukünftigen Ausgrabungen alles noch über die römische Geschichte in Filzbach offenlegen werden.