«We gaats?»

Meine Tochter brauchte kürzlich ein paar neue Schuhe. Obwohl, «brauchen» ist eigentlich der falsche Ausdruck. Ich liess mich dennoch erweichen und begleitete sie ins Schuhgeschäft.
Während sie verschiedene Modelle anprobierte, kam eine entferntere Bekannte in den Laden. «Hoi, we gaats?», fragte sie. «Hoi, schlächt», lautete meine Antwort. Das war nicht gelogen, weil ich im Moment wirklich gesundheitliche Probleme habe und mich nicht gut fühle. Ich sass auch auf einem Stuhl, um mich auszuruhen.
Was geschah? Die Bekannte widmete sich ihren Schuhwünschen und sprach mit der Verkäuferin, wie wenn ich nicht geantwortet hätte. Keine Antwort, keine Rückfrage, nichts!
Ich verstand die Welt nicht mehr. Wenn ich jemanden frage, wie es ihm geht, meine ich das ernst. Ich möchte Anteil nehmen, mich mit der Person austauschen, ihr je nach Situation auch Trost spenden. Wenn mir jemand sagt, es gehe ihm schlecht, dann frage ich sicher nach. Wenn er/sie dann nicht näher Auskunft geben will, akzeptiere ich das selbstverständlich. Aber ich wende mich nicht nach der ersten Antwort ab.
Nun können Sie einwenden, die Bekannte habe meine Antwort vielleicht nicht verstanden. Das ist aber unmöglich, ich habe laut und deutlich gesprochen. War sie überfordert? Oder einfach desinteressiert?
Meine Tochter, die das Ganze mitbekommen hat, reagierte übrigens gleich wie ich. Auch sie verstand die Welt nicht mehr. Es war ein guter Anschauungsunterricht, wie man es eben nicht machen sollte.
Also, bitte: Wenn Sie jemanden fragen, wie es ihm gehe, dann hören Sie zu, seien Sie interessiert und fragen Sie je nach Antwort weiter. Nur so fühlt sich Ihr Gegenüber ernst genommen. Oft entsteht so auch ein wirklich gutes Gespräch, das in die Tiefe geht und nicht beim «We gaats?» stecken bleibt.
Kommunikation ist äusserst vielschichtig und komplex. Sie führt zu Momenten, die unser Leben bereichern. Für mich sind das wertvolle Augenblicke. Die Chance ist jedoch vertan, wenn die Begegnung an der Oberfläche verharrt oder abrupt endet. So wie bei der Szene im Schuhgeschäft. Schade!