Weltgeschichte auf glarnerischen Tüchern

Dass Textilprodukte aus Ennenda Bezüge zu Weltgeschichtlichem erlauben, wurde unter anderem nach gar sorgsamem Forschen von Professor Dr. Daniel Aebli aus Ennenda erstaunliche Wirklichkeit.



davon einer im Detail
davon einer im Detail

Festgehalten sind die am vergangenen Sonntag anlässlich eines stark besuchten Werkstattgesprächs im Comptoir Ennenda erfolgten Erläuterungen in der vom Referenten verfassten Publikation «Dessinateurs» der Reihe «Edition Comptoir-Blätter 5 / 6» aus dem vergangenen Jahr. Diese kunsthistorischen Betrachtungen zu den Entwürfen für den Zeugdruck des 19. Jahrhunderts aus dem Comptoir Daniel Jenny & Cie.

In Ennenda werden bei Kultur- und Kunstinteressierten auf verdientermassen hohe Beachtung stossen, wird man doch mit einer Geschichts- und Kunstform konfrontiert, die eher Seltenheitswert hat. In leicht fasslicher Form äusserte sich der Verfasser der sehr lesenswerten Broschüre anlässlich des Begegnens im Comptoir an der Ennendaner Fabrikstrasse, wissend, dass die historische Fülle, ja Überfülle und die Vielfalt der präsentierten Originale, Entwürfe und Bucheinträge nicht umfassend und detailtreu dargestellt werden kann. So beschränkte er sich in kluger Art auf die Aspekte des Inhaltlichen und den künstlerischen Ausdruck. Die Darstellungen seien für Pazifisten – so Aebli zu Beginn – wahrlich nicht geeignet, da gar viele kriegerische Darstellungen dominieren. Die Ausführungen begannen mit den Geschehnissen von 1848 und dem wie sich Professor Aebli ausdrückte, extrem langen 19. Jahrhundert. 1848 war ein Revolutionsjahr, in Deutschland und Italien ging es um die damalige nationale Einheit. Auf den entsprechenden Tüchern prangen unter anderem der König von Sardinien / Piemont und Papst Pius IX, der Rom zeitweise verlassen musste und dessen damaliger Kirchenstaat zerstört wurde.

Die Botschaft auf und mit diesen Tüchern begann im gleichen Jahr in der damaligen Firma Bartholome Jenny, der langjähriger Firmenchef in der zweiten Generation war. Beim Betrachten der bildstarken Tücher fallen immer wieder das Hauptmotiv und die sie umgebenden Randbilder und -ornamente auf. Reiter und Gefolge, vorrückende Kavallerie nehmen oft das dominierende Zentrum ein. Aebli wies mit viel Leidenschaft und kenntnisreich auf Geschichtliches und künstlerische Inhalte hin, sie gehören fast untrennbar zusammen. Und fast unmerklich spannte sich der geschichtliche Bogen weiter und weiter, zu Darstellungen und Aeblis Interpretieren aus preussischer und französischer Sicht, zur Niederschlagung der französischen Kommune im Jahre 1870. Aebli ging sorgsam auf die Szenen ein, die das Hauptbild umgeben. Und im Verlaufe dieses geschichtlichen und kunstverbundenen Spaziergangs gelangte er mit den intensiv Hinhörenden zu Themen wie Auswanderung, Kolonisation, Geschichte des Velos, Burenkrieg in Afrika, der von den Engländern gegen die siedelnden holländischen Bauern gewonnen wurde, Kampf gegen das sich stark ausdehnende osmanische Reich, die Bedeutung Moskaus als damaliges «Drittes Rom», die Aufhebung der Leibeigenschaft russischer Bauern anno 1861 oder das pompöse Gehabe der ersten Fürsten von Bulgarien. Und so kam es dazu, dass die Trägerinnen der damaligen Kopf- und Halstücher oder die Benützer eines ordinären Schnupftuches in ganz Kleinem mit Mondänem oder kriegerischen Ereignissen beinahe «en passant» Bekanntschaft machten und mediale Botschaften spazieren führten und damit Glarner Tücher weltbekannt machten oder sie als Ersatz für Wandteppiche verwendeten. Sorgsam Forschenden ist es zu verdanken, dass diese Kulturbotschaft wieder die verdiente Beachtung erhält und durch Publikationen vielen zugänglich gemacht wird. Artikel