Weltraumflüge, Spaziergänge im All

Als gar liebenswürdig, charmant, mit Wortwitz und hohem Einfühlungsvermögen argumentierenden, von Paul Aebli – Präsident der ungemein kreativ und ideenreich tätigen Gemeindestube Schwanden – herzlich begrüssten Gast lernte man Claude Nicollier im Verlaufe einer absolut faszinierenden Präsentation kennen.



Ein gewiss seltenes Zusammentreffen: Paul Aebli
Ein gewiss seltenes Zusammentreffen: Paul Aebli

Obwohl allem ein immenser Aufwand, unermüdliches Training und ungeheure Kompetenz zugrunde liegt, kam man um den Eindruck des spielerischen Erfahrens und Geniessens vonseiten des Referenten nicht herum. Er sprach mit einer erhabenen Leichtigkeit des Seins, beeindruckender Bescheidenheit, rückte seine Leistungen nie in den Vordergrund und liess stattdessen Bilder sprechen, mit denen nicht selten die Kleinheit unserer Welt – die bekanntlich vielen immens bedeutsam, gross, gar einzigartig erscheint – in neues Licht gerückt wurde.

Nicollier vermochte darauf hinzuweisen, dass die Erde schlussendlich ein unbedeutender Teil im gesamten Universum ist, mit vielem belastet, sich selber permanent auf die Probe stellend, was Existieren, friedliches Zusammenleben, Umweltverträglichkeit, sorgsamer Umgang mit Bodenschätzen, Erhalten des gegenseitigen Respekts und anderes betrifft. Vieles musste offengelassen werden. Im Vordergrund standen für die gebannt Hinhörenden und das zuweilen einzigartige Bildmaterial mit hohem Interesse Beschauenden Nicolliers Kernaussagen, die so elegant und klar verständlich einher kamen. Dass er in Schwanden weilte, kam einem Glücksfall gleich – obwohl der begeisterte Hunter-Pilot zuweilen ab Mollis fliegt. Aber das Glarnerland kennt Nicollier – wen wunderts – nur aus der ganz besonderen Vogelperspektive, die nur Vögeln eigen ist, die sich bei ihren Flügen ganz, ganz hoch über dem Alltag bewegen.

Flüge im All, Schwerelosigkeit


Und diese Flüge sind spektakulär. Viermal sei er im All gewesen und habe diese Faszination mit 500 weiteren Astronauten teilen dürfen. Gar spielerisch setzte er sich mit der erlebten Schwerelosigkeit und deren ganz speziellen Tücken auseinander. Da werde die Decke zum Boden, Wände seien plötzlich Standflächen, schlafen könne man problemlos an einer Wand. Es müsse einfach alles angeleint und gesichert sein. Allein dieses Puzzleteil einer sehr fordernden, anfänglich schwierig zu fügenden Gesamtheit, wäre ein eigener Vortrag wert gewesen. Nur schon das Funktionieren des Klos, die Spielereien mit Wasserblasen oder das Essen unter besonderen Umständen weckten enormes Interesse.

Nicollier sprach themenbezogen, recht kompakt und rasch andere Bereiche dieser «Schritte (der Menschheit) im All» aufgreifend. Er stellte die ISS (International Space Station), das Space Shuttle, persönliche Erfahrungen fast zwischen Himmel und Erde, Erfolgsrezepte bei dieser Arbeit und zukünftige Vorhaben vor.

Geschichtlicher Exkurs

Die Weltraumexperten, Forschenden, Ingenieure und die Regierung der USA waren mehr als erstaunt, dass der RusseYuri Gagarin am 12. April 1961 den ersten bemannten Raumflug mit Erfolg unternahm. Gagarin blieb sehr respektiert. Der Yuri-Day werde – so Nicollier – jedes Jahr gefeiert. Die USA reagierte bekanntlich mit dem Apollo-Programm, was zu einem vollen Erfolg mit leider schmerzlichen Rückschlägen gedieh. Kennedy forcierte dieses Programm. Nicollier blendete Videoclips ein und zeigte damit die Dimensionen dieser Missionen beeindruckend auf. Man lernte dabei die Kleinheit unserer Erde gar nachhaltig kennen, erfuhr, dass in 90 Minuten die Erde einmal umrundet wird, die Durchquerung unseres Landes nur 30 Sekunden beanspruche oder dass ein Raumschiff mit 28 000 Kilometern pro Stunde in totaler äusserer Stille unterwegs sei.

Missionen im Universum


Nicollier zeigte auf, weshalb Missionen ins Universum erfolgen, welche Ziele man sich setze und alles über lange Zeiträume hinweg minuziös einübe. Da müsse jeder Handgriff einfach sitzen. Reparaturen am Raumteleskop Hubble, Aufbau und Betrieb der ISS – 16 Staaten haben die unzähligen Module dieses Raumlabors, das die Grösse eines Fussballfeldes hat, geliefert. Die ISS-Besatzungen sind international zusammengesetzt, sie bleiben jeweils ein halbes Jahr im All.

Persönliches


Claude Nicollier wurde im September 1944 in Vevey geboren. Er studierte Astrophysik und war während 22 Jahren Militär- und Linienpilot. Anno 1978 erfolgte die erste Astronautenselektion im Rahmen des Kooperationsprogramms zwischen der europäischen (ESA) und amerikanischen Raumfahrt (NASA). Während drei Jahrzehnten war er Astronaut und verbrachte mehr als 1000 Stunden im All.

Er absolvierte mit anderen unzählige Trainings, bevor er beispielsweise im August 1992 an Bord der Raumfähre Atlantis und knapp anderthalb Jahre später in der Endavour beziehungsweise 1996 in der Columbia und 1999 am Hubble-Weltraumteleskop spektakuläre Einsätze leistete. Um Erfolge zu erzielen, das hat Nicollier mehrfach erfahren, müssen Ziele klar definiert sein. Es hat eine strikte operative Disziplin zu herrschen. Auch Unvorhergesehenes muss geübt werden.

Bildmaterial, Zukunft, Dank

Nicollier erwähnte die hervorragenden Bilder von Hubble und des Mars-Roboters. So seien Blicke in die Vergangenheit des Universums oder auf den Nachbarplaneten Mars überhaupt möglich geworden. So werden bemannte Flüge auf den Mars um 2040 vielleicht möglich. Die NASA soll ein Explorationsorgan bleiben, andere (private Anbieter) können Personen- und Versorgungstransporte übernehmen. Diese Entwicklung ist anzustreben. Nicollier ist sich bewusst, dass die NASA mit einem eher kleinen Budget von 19 Milliarden US-Dollar – umgelegt auf den gesamten USA-Staatshaushalt – arbeitet. Es müssen grössere, leistungsstarke Raketen entwickelt und gebaut werden.

Mit immensem Beifall wurde Nicollier gedankt – noch lange hätte man zuhören und hinschauen können.