Wenn aus dem Spiel Realität wird

Während der Wirtschaftswoche führen Kantonsschülerinnen und -schüler die Geschicke eines Unternehmens über mehrere Jahre; allerdings nur in einem Planspiel. Was es heisst, wenn man sein eigenes Unternehmen gründet, verrieten die Jungunternehmer von «Jucie 1» und «Casa Stüssi» letzte Woche in der «werkhalle» in Schwanden.



Rektor Peter Aebli
Rektor Peter Aebli

Im Rahmen der Wirtschaftswoche spielen die fünften Klassen der Kantonsschule in einem virtuellen Planspiel Geschäftsführung eines Unternehmens. Über mehrere Jahre leiten sie auch in diesem Jahr vor den Herbstferien das Geschick eines Mixer-Herstellers in Konkurrenz zu den übrigen Gruppen. Egal ob Massenentlassungen, Produktionssteigerungen oder Umstellung auf alternative Energie, die Auswirkungen müssen nur hypothetisch aufgenommen werden. Wie es aussieht, wenn man mit echten Menschen zu tun hat und das eigene Ersparte in der Firma steckt, verrieten am Mittwoch die Gründer von «Juice1» und «casa stüssi» beim Besuch der «werkhalle» in Schwanden. Nur wenige Jahre älter als die Kantonsschüler selber haben bei beide Unternehmen von jungen Glarnerinnen und Glarnern im letzten Jahr den Schritt vom Spiel zur Realität gewagt. Gerade in jungen Jahren sei der Versuch aber am einfachsten möglich, erklärte Venus Mijatovic, die seit diesem Sommer das vegane Coffee «Juice1» zusammen mit Gianmarco Hodel und Michael Jakober betreibt. «Da hat man noch keine Verpflichtungen wie Familie oder eine Hypothek. Deshalb lebt man noch eine weitere Zeit bei den Eltern.» Dass der Schritt in die Eigenständigkeit mit persönlichen Opfern verbunden ist, schilderte auch Marco Stüssi, der im gleichen Zeitraum seinen Traum von der eigenen Gelato-Produktion verwirklicht hat. «Von einem Privatleben konnte ich in den letzten Jahren nur träumen.» Dass ein sogenanntes Start-Up-Unternehmen überhaupt Erfolg haben kann, sei diese zeitliche und finanzielle Aufopferung sicher ein wichtiger Faktor. «Es gibt aber bestimmt viele weitere Gründe warum nur gerade fünf Prozent aller Start-Ups die ersten fünf Jahre überleben», führt Hodel weiter aus. Immer wieder tauchen neue Themen oder Probleme auf, die man vorher nicht auf dem Radar hatte. Und dies mit Corona und Staus im Suezkanal in diesem Jahr ganz besonders. Aber auch die Suche nach dem idealen Standort oder Gespräche mit den Behörden waren bei beiden Unternehmen ganz neue Bereiche. Dagegen stellen die neuen Medien zum Beispiel bei der Finanzierung durch Crowdfounding einen neuen und einfacheren Weg dar; so auch beim Marketing über die sozialen Netzwerke. Dass es mit den Herausforderungen beim Start noch lange nicht getan ist, schilderte Thomas Schätti, Schätti AG Metallwarenfabrik in Schwanden. Während im Unternehmen bei der Gründung 1934 das Installationsgeschäft für Zentralheizungen im Fokus standen, wandelte sich das Betätigungsfeld über die Fertigung von Teilen für Möbelbeschläge bis aktuell hin zur komplett eigenen Produktion wie Leuchten, spezielle Abzughauben oder Kaffeemaschinen. «Unser Umfeld ändert sich laufend, da muss man mithalten und am besten stets ein paar Schritte voraus sein.» Als Land mit hohen Kosten wie Löhne müsse man auf hohe Qualität und Innovation setzten. «Bei der Massenproduktion kann die Schweiz schon lange nicht mehr mithalten.» Auch aus diesem Grund entwickle man aktuell mit dem Massachusetts Institute of Technologiy einen speziellen Stuhl, welcher unterschiedliche Bein- und Rumpfbewegungen sensorisch erfasst und zum Beispiel zur Steuerung von Programmen verwendet werden kann. «Gerade in der spezialisierten Chirurgie könnte dies interessante Anwendungsmöglichkeiten bieten.»  

Nach diesen spannenden Einblicken stand bei den Jugendlichen schnell wieder das eigene Unternehmen im Fokus, denn bereits am Donnerstag wurde ihr Werbespot im Rahmen des Costumer-Value-Award nicht nur den anderen Gruppen, sondern auch den interessierten Eltern präsentiert. Über ein online-Abstimmungstool wurden anschliessend die drei besten Spots ermittelt und prämiert. Dies nur einer der zahlreichen Aspekte in der Wirtschaft, welche die Wirtschaftswoche der Glarner Handelskammer jedes Jahr den Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule seit vielen Jahren vermittelt.

 

Eröffnet wurde die 37. Wirtschaftswoche der Ernst Schmidheiny-Stiftung und der Glarner Handelskammer (GLHK) in der Aula der Kantonsschule Glarus durch den Rektor Peter Aebli. Nach einem kurzen Referat von GLHK-Präsident Peter Rufibach erklärte in einem kurzen, aber sehr informativen Referat von Michelle Müller, Projektingenieurin und Expertin Wasserbau beim Ingenieurbüro Runge AG, den wichtigen Zusammenhang mit dem Bauingenieurwesen und der Wirtschaft. Dabei nannte sie Beispiele wie die Linthebene oder beim Energiesektor den Muttsee-Staudamm. Wie eine Geschäftsleitungssitzung funktionieren kann, spielten am ersten Tag die Fachlehrer den erwartungsvollen Fünftklässlern sehr anschaulich und verständlich vor.